Basel Zum Anbeißen

Die Oberbadische

Ausstellung: Das Museum Tinguely widmet sich mit „Amuse bouche“ dem Geschmack der Kunst

Von Gabriele Hauger

Basel. Anfassen ist im Museum normalerweise nicht erlaubt. In der neuen Ausstellung „Amuse bouche. Der Geschmack der Kunst“ im Museum Tinguely darf man sogar zubeißen.

Hunderte kleiner runder Lebkuchen mit weißem Zuckerüberguss, so genannte Pfeffernüsse, bilden ein geometrisches Muster an der 22 Meter langen Ausstellungswand. Der Besucher wird angelockt vom Süßen, wird verführt. Und wenn er sich traut, hineinzubeißen, hinterlässt seine Lust Spuren am Kunstwerk, das nach und nach seine jungfräuliche Weiße verliert. Die Australierin Elizabeth Willing „Goosebump“ (Gänsehaut) wurde zu dieser Arbeit durch das Märchen von „Hänsel und Gretel“ inspiriert, durch die Ambivalenz von Süße und Bedrohung.

Das Museum setzt mit dieser Ausstellung die Reihe zu den menschlichen Sinnen in den Künsten fort. Der Geschmacksinn gilt als der niedrigste der fünf Sinne, wird mit Lust und Erotik assoziiert, erläutert Kuratorin Annja Müller-Alsbach. Kunstwerke von rund 45 internationalen Künstlern aus dem Barock bis zur Gegenwart wurden ausgewählt, um in den thematisch gegliederten Sälen dem vielfältigen Geschmack der Kunst nachzuspüren. So begegnet der Besucher sowohl kunsthistorisch als auch phänomenologisch dem Geschmacksinn. Interaktive Führungen und Performances bereichern die Sinneserfahrung.

Im Raum „Geschmack der Begierde“ darf ein barockes Stillleben nicht fehlen. Jan Davids. de Heems Früchte mit gefülltem Weinglas aus dem 17. Jahrhundert stehen in ihrer üppigen Verführung in schönem Dialog mit Farah Al Qasimis Fotoarbeit „Lunch“ mit exotischen, aufgeschnittenen Obststücken, die für die weibliche Fruchtbarkeit stehen.

Witzig und spielerisch, bei manchem vielleicht auch als schlüpfrig empfunden werden, dürfte die skurrile Arbeit von Urs Fischer: eine auf Augenhöhe via Bewegungsmelder aus der Wand herausschnellende Zunge.

Aus Schokolade und Seife hat Janine Antoni zwei Selbstporträt-Büsten geschaffen, hat mit ihrer Zunge die Oberfläche der Schokoladenversion modelliert – und so leckend zusehends ihre eigenen Züge verwischt, quasi aus eigener Lust am Süßen.

Umami – unter diesem Namen hat sich eine Geschmacksrichtung durchgesetzt, die man am ehesten mit schmackhaft und würzig übersetzen kann. In dem so titulierten Ausstellungsraum finden wir die berühmten Warhol-Bilder „Campell’s Soup“ aus der Pop Art, die eine explodierende Konsumgesellschaft kritisieren.

Süß wird es im nächsten Raum. Sonja Aläusers Schokoladenmaschine präsentiert in Endlosschleife eine in weiße Schokolade auf- und eintauchende Skulptur, dahinter in Großaufnahme bunte Kaugummiblasen bildende Münder.

Aus hunderten, in Glitzerfolie eingewickelten Schoko- und Eiskonfekt-Stücken bekannter Hersteller hat Elisabeth Willing zwei bunt-schillernde Arbeiten geformt – Ästhetik, bei der Freunden des Süßen das Wasser im Mund zusammenfließen dürfte.

Scharf-bitterer Geschmack warnt uns: gefährlich. So sehen wir im Raum „Bitter“ Dieter Roths Schimmelbild. Unausweichlicher Verfall von Lebensmitteln wird auch in Sam Taylor-Johnsons „Still Life“ gezeigt: Im Zeitraffer sehen wir ein Obst-Arrangement, das an den Barock erinnert, wie es zu einer schimmligen, grauen Massen zerfällt – eine Mahnung an Verfall und Vergänglichkeit, an den Kreislauf des Werdens und Vergehens.

Salzlecksteine für Kühe positioniert Nicolas Momein zu einer weißen skulpturalen Anordnung. Dem Geschmack des Fremden wiederum widmet sich ein witziger Werbespot für „Schwarzbier", in dem augenzwinkernd mit Klischees gearbeitet wird.

Das Künstlerkollektiv Slavs and tatars wiederum spürt der sprachlichen Bedeutung nach und spürt mit seinem Sauerkraut-Getränkeautomat vielschichtigen Wortdeutungen nach wie der Bedeutung von „sauer werden“.

Einen Schluck destillierten Pflanzensaft gefällig? Claudia Vogel hat ein Mini-Labor aufgebaut und präsentiert den konzentrierten Geschmack blühender Pflanzen. Verkosten kann man übrigens auch brasilianischen Zuckerrohrschnaps: Dazu allerdings muss man die Hemmschwelle überwinden, diesen aus einem sprudelnden Bidet – selbstverständlich noch unbenutzt – abzufüllen.  bis 17. Mai, Di bis Do, 11 bis 18 Uhr

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