Besonderes Hobby Karnivoren brauchen Hege und Pflege

Alexandra Günzschel
Irmgard und Sigefried Hartmeyer in ihrem Gewächshaus zwischen Kannenpflanzen & Co. Foto: Alexandra Günzschel

Im Souterrain, gleich neben dem Schlafzimmer, hat sich das Weiler Ehepaar Irmgard und Siegfried Hartmeyer eine ganz besondere Sammlung aufgebaut. Zu dieser gehören fleischfressende Pflanzen aus der ganzen Welt.

Bald 50 Jahre ist es her, da legte sich Siegfried Hartmeyer die erste Venusfliegenfalle zu. Seine Frau schenkte ihm das passende Buch dazu. Das gemeinsame Hobby war geboren. Eine erste Ahnung davon erhält der Besucher schon im Wohnzimmer. Denn dort rankt sich eine Kannenpflanze dekorativ über den Esstisch. Ein Vorbote für das, was den Besucher eine Etage tiefer in den beiden Glashäusern erwartet.

Wie viel Zeit stecken die beiden in ihr Hobby? Irmgard Hartmeyer winkt ab: „Fragen Sie nicht!“ Allein die Reinigung des Gewächshauses zweimal im Jahr nehme eine ganze Woche Zeit in Anspruch. Hinzu kommt: Karnivoren können echte Mimosen sein und erfordern eine spezielle Pflege. Die tropischen Exemplare benötigen eine Mindesttemperatur von zwölf Grad – auch im Winter. Einige der Gewächse können mit Regenwasser gegossen werden, für andere wird das in Zisternen gesammelte Wasser erst einmal entmineralisiert.

Pflanze entdeckt

Dafür steht im Keller eine Anlage bereit. „Destilliertes Wasser im Handel zu kaufen, wäre auf Dauer viel zu teuer“, erklärt Siegfried Hartmeyer. Hinzu kommt von Mai bis September alle 14 Tage eine Behandlung der Wasserschalen mit dem Mittel Bti gegen eine Ausbreitung der Tigermücke.

Doch der Aufwand und die über Jahrzehnte angeeignete Expertise tragen Früchte. In wissenschaftlichen Fachkreisen haben sich die Hartmeyers längst einen Namen gemacht. Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen, nachdem sie 1995 in Australien eine Pflanze der Gattung Sonnentau entdeckten. Ihr wissenschaftlicher Name lautet nun „Drosera hartmeyerorum“.

Mit einer Venusfliegenfalle hat alles angefangen.

Viel beachtet wurden darüber hinaus die Experimente des Ehepaars mit einem weiteren Sonnentau-Gewächs: Die Drosera glanduligera katapultiert Insekten, die ihre Schnapptentakel berühren, in nur 75 Millisekunden auf die Leimtentakel im Blattzentrum, wo sie dann kleben bleiben. Die Katapult-Leimfalle gilt als der schnellste Beutefangmechanismus im Reich der Pflanzen.

Immer wieder fragen Wissenschaftler bei den Hartmeyers an, Universitäten schlagen gemeinsame Projekte vor. Dabei haben die beiden selbst gar keine wissenschaftliche Laufbahn absolviert. Siegfried Hartmeyer hat Chemielaborant gelernt, war lange Zeit in der Schweiz als Cheflaborant in einer analytischen Abteilung tätig. Das analytische Denken, das er dabei gelernt habe, lasse sich auch sehr gut auf die Biologie anwenden, erklärt der Autodidakt in Sachen Pflanzenkunde.

Mit Minzöl gegen Ameisen

Obwohl fleischfressende Pflanzen auch nichttierische Proteinquellen, wie beispielsweise Tofu, verwerten können, haben sie gelernt, alles anzuziehen, was kriecht und fleucht. Dazu gehören auch Ameisen. Die Hartmeyers haben ihre ganz eigene Methode entwickelt, diesen Eindringlingen zu vermitteln, wo für sie die Grenze ist – nämlich an der Terrassentür.

Nachdem Experimente mit Lavendel und Essig nicht von Erfolg gekrönt waren, kam Pfefferminzöl zum Einsatz. Siegfried Hartmeyer saugte die Eindringlinge auf, ließ zwei tote Ameisen zurück und hat seither Ruhe. Das intensive Pfefferminzöl ist nun Warnung genug. Zwar könne man mit einer einzelnen Ameise nicht kommunizieren, sagt der fortgeschrittene Hobby-Biologe, die Schwarmintelligenz der Bodeninsekten jedoch begreife schnell. Die Hartmeyers haben mit den Krabblern einen Waffenstillstand ausgehandelt – und das ganz ohne Gift.

Eine Pflanze der Gattung Sonnentau (Drosera) Foto: Alexandra Günzschel

Diese naschen nun vom Nektar der Kannen und verhindern damit von einem Pilz verursachte schwarze Verfärbungen an der Pflanze. Ganz ungefährlich ist dieses Unterfangen freilich nicht, etwa bei der Nepenthes bicalcarata, einer Kannenpflanze aus Borneo, die zwar mit einer Ameisenart in Symbiose lebt, für alle anderen Insekten aber zur tödlichen Falle werden kann.

Nur wenn nötig eine Fleischfresserin

Auch ein kleines Hakenblatt (Triphyophyllum pelatum) gedeiht im Weiler Gewächshaus. Diese Lianenart aus Westafrika wird erst dann zur Fleischfresserin, wenn ihr das Phosphat fehlt. Die Sekrettropfen an den Fangtentakeln sind dann die wohl größten aller fleischfressenden Pflanzen und erlauben es, auch größere Beutetiere festzuhalten. Ist das Nährstoffangebot jedoch ausreichend, wird das Stadium der Karnivore ausgelassen und die Pflanze beginnt direkt mit dem Austrieb.

Weitere Infos gibt es unter www.youtube.com/@shartmeyer.

  • Bewertung
    0

Beilagen

Umfrage

Donald Trump

Präsident Donald Trump hat die US-Militärhilfen ausgesetzt, bis der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj „den Fokus auf Frieden“ legt, wie es aus dem Weißen Haus  heißt. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading