Binzen Der Ruhestand muss noch warten

Weiler Zeitung
Ulrich May hat noch immer viel zu tun. Heute feiert der Altbürgermeister und Ehrenbürger von Binzen seinen 75. Geburtstag. Foto: zVg Foto: Weiler Zeitung

Interview: Ulrich May wird heute 75 Jahre alt / Noch immer politisch sehr aktiv / Rückblicke und Ausblicke

Heute wird Ulrich May 75 Jahre alt. Ein schöner Anlass, um bei dem Binzener Ehrenbürger, der 23 Jahre lang Rathauschef der Gemeinde war, einmal nachzufragen, wie es ihm im Unruhestand so ergeht.

Binzen. Denn noch immer ist May kommunalpolitisch sehr aktiv, unter anderem als Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Kreistag.

Frage: Herr May, hat Ihnen der Dreispitz eigentlich den Ruhestand verhagelt?

Nein, in meiner langjährigen kommunalpolitischen Tätigkeit hatte ich auch schon früher mit unverständlichen Entscheidungen von Behörden zu tun. Wenn es mich direkt betrifft und ich der Ansicht bin, dass man sich dieses Behördenverhalten nicht gefallen lassen darf, dann reagiere ich immer noch, erforderlichenfalls mit allen demokratischen Mitteln.

Frage: Wie ist der aktuelle Stand?

Nach der Entscheidung des Petitionsausschusses und Landtags hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am 6. November 2018 sein grundsätzliches Einverständnis erklärt, dass die Gemeinde für die Erhaltung der Kunstskulptur „Dreispitz“ Kosten für Maßnahmen zur Risikominimierung übernimmt. Dies wurde ja auch im Vorfeld bei der Anhörung durch den Petitionsausschuss angeboten. Weiterhin hat der Gemeinderat die Verwaltung beauftragt, einen Gestattungsvertrag mit entsprechenden Regelungen zu verhandeln, sowie Maßnahmen zur Kostenminimierung zu prüfen. Konsequenterweise wurden beim Haushaltsplan 2019 für Maßnahmen 40  000 Euro eingestellt.

Von Anfang an haben sich Gemeinde und Initiative „Rettet den Dreispitz“ gegen überzogene Maßnahmen gewehrt, die offensichtlich nur zur Gesichtswahrung der Behörden durchgeführt werden sollen, und Gespräche mit Landratsamt und Verkehrsministerium geführt. Dabei sprach das Ministerium im Dezember 2018 von einer maßvollen Umsetzung des Landtagsbeschlusses. Die Gemeinde hat jetzt Pläne vorgelegt, nach denen die ursprünglich bezifferten Kosten in Höhe von 166 000 Euro halbiert werden könnten.

Frage: Sind sie noch optimistisch, dass lokale Unternehmer für die teuren Maßnahmen spenden werden, die gefordert werden, damit das Kunstwerk an Ort und Stelle stehen bleiben darf?

Um die letztendlich entstehenden Kosten für die politische Gemeinde im Rahmen zu halten, hatte ich schon unmittelbar nach dem Landtagsbeschluss eine Spendenaktion angekündigt. Dabei hat sich sehr schnell gezeigt, dass insbesondere die Firmen aus den Gewerbegebieten am Dreispitz die Kunstskulptur unbedingt am angestammten Standort erhalten wollen. Nach der positiven Entscheidung des Gemeinderats gibt es bis jetzt feste Zusagen in Höhe von 65 000 Euro. Erfreulich ist auch, dass das Finanzamt zu einer positiven Einschätzung gekommen ist: Spenden für Maßnahmen zum Erhalt der Kreisverkehrsskulptur Dreispitz sind als Förderung von Kunst im öffentlichen Raum steuerlich absetzbar. Ich bin daher sehr zuversichtlich, dass der „Dreispitz“ an seinem historischen Platz bleibt. Dort ist der einzig richtige und logische Platz.

Frage: Neben dem Kampf für die Kunst im öffentlichen Raum, wie sind Ihre Tage jetzt gefüllt?

Bei den letzten Kommunalwahlen wurde ich wieder in den Kreistag gewählt und die Fraktion der Freien Wähler hat mir erneut das Amt des Vorsitzenden anvertraut, das ich jetzt seit 25 Jahren innehabe. Diese Funktion ist sehr fordernd und zeitintensiv, zumal durch den geplanten Generationswechsel sieben neue Mitglieder in der Fraktion zu integrieren sind.

Im Kreistag bin ich Mitglied im Verwaltungsausschuss und im Umweltausschuss, in dem die ganzen Mobilitäts- und Klimathemen behandelt werden, sowie in verschiedenen Arbeitsgruppen, im Aufsichtsrat der Kliniken GmbH und Vorstandsmitglied im Districtsrat des Trinationalen Eurodisdricts Basel.

Darüber hinaus bin ich Kuratoriumsmitglied in der Hieber Stiftung und mitverantwortlich für die Verteilung der Spendengelder. Bei dem Projekt „Hilfe für Samira“ konnte die Stiftung kürzlich 25 000 Euro zur Verfügung stellen.

Die noch verbleibende Freizeit verbringe ich im Garten, im Fitnessstudio Josko oder mit der Familie und Freunden.

Und am 6. November werde ich mit drei weiteren Mitstreitern, dem ehemaligen Kollegen Bernhard Winterhalter sowie Petra Brombacher-Vollmer und Reiner Kaiser als musikalische Begleitung bei den Herbstzeitlosen der VHS in Weil am Rhein auftreten. Das Thema: „Der Bürgermeister – ein Mensch wie du und ich?“

Frage: Sehnen sich manchmal zurück nach Ihrer Zeit als Bürgermeister von Binzen?

Es gibt den Bibelspruch: Alles hat seine Zeit, dessen Bedeutung sich bei zunehmender Lebensdauer immer deutlicher erschließt. Ich bin mit meiner jetzigen Situation sehr zufrieden, zumal ich die Geschicke der Gemeinde in guten Händen weiß und nach wie vor ein ausgefülltes Leben führe.

Frage: Was waren die Höhepunkte ihrer politischen Laufbahn?

Beruflich war der größte Erfolg für mich die Wahl zum Bürgermeister von Binzen und die zweimalige Wiederwahl.

In den fast 24 Jahren haben wir zusammen mit dem Gemeinderat so viel erreicht, dass ich die Projekte nur stichwortartig aufzählen möchte: Gewerbepark am Dreispitz mit vielen neuen Arbeitsplätzen, Ausbau des Bildungszentrums und der Kinderbetreuung von einem Jahr bis zehn, Neugestaltung des Rathausareals nach der Auslagerung der Freiwilligen Feuerwehr, Neugestaltung der Hauptstraße, die Senioren-Residenz „Sonne“, mehrere Baugebiete, unter anderem Lochacker und die Unterstützung der örtlichen Vereine, auch bei ihren Raumproblemen – und alles bei Schuldenfreiheit der Gemeinde.

Politisch bedeuten auch die langjährigen Vorsitze im Verwaltungsverband Vorderes Kandertal und in der Kreistagsfraktion der Freien Wähler für mich eine große Anerkennung.

Frage: Worauf sind Sie stolz?

Auf all die Punkte, die ich schon aufgeführt habe und darauf, dass meine Familie, die doch sehr strapaziösen Zeiten so positiv mitgetragen hat. Das ist nicht selbstverständlich und daher bin ich sehr dankbar.

Und die Ernennung zum Ehrenbürger der Gemeinde Binzen bei meiner Verabschiedung habe ich als eine ganz besondere Auszeichnung empfunden.

Frage: Sicherlich verfolgen Sie die aktuellen Entwicklungen in Binzen. Was sagen Sie dazu, dass der Ort in den kommenden Jahren erheblich wachsen wird?

Die Gemeinde hat auf die Wohnungsnot genau richtig reagiert. Der Geschosswohnungsbau wurde in unserer Gemeinde bereits seit vielen Jahren diskutiert und als richtiger Standort schon früh das – bereits jetzt ehemalige – Sportgelände identifiziert. Dadurch, dass die Bebauung in Etappen erfolgen soll, wird es auch sozial verträglich sein.

Frage: In Binzen hat sich eine Initiative aus Unternehmern zur Reaktivierung der Kandertalbahn gegründet. Wie sehen Sie die Chancen dafür heute?

Die Chancen waren noch nie so günstig wie momentan. So wie es aussieht, kann die Regio-S-Bahn Kandertal in ein Förderprogramm des Landes aufgenommen werden, wenn die Machbarkeitsstudie mit Potenzialanalyse des vom Land bestellten externen Gutachters positiv ausfällt. Daran ist eigentlich nicht zu zweifeln.

Persönlich sehe ich in dem Projekt großes Potenzial. Auch der Kreistag steht voll hinter der Reaktivierung und hat bereits am 21. November 2018 einstimmig einen wegweisenden Beschluss gefasst.

Als nächster Schritt steht eine klare Positionierung der Stadt Kandern und der Gemeinden im Vorderen Kandertal an, denn die Regio-S-Bahn wäre auch mit Kosten für die Kommunen verbunden. Diese Aussage stammt vom Verkehrsminister Hermann. Außerdem sollten die Probleme mit 42 Bahnübergängen, dem Lärmschutz in Binzen und den Parallelbetrieb mit der Museumsbahn offensiv angegangen werden. Irgendwann müssen sie doch gelöst werden.

Noch eine Anmerkung: Die Regio-S-Bahn darf nicht nur bis Haltingen führen, sondern mindestens bis Weil am Rhein, idealerweise bis ins Wiesental und nach Basel.

Frage: Sie sind jetzt 75 Jahre alt. Überlegen Sie manchmal, wie lange sie noch politisch aktiv sein wollen?

Diese Frage hatte ich mir vor einem Jahr gestellt und sehe sie jetzt – nach der Wiederwahl in den Kreistag – für die nächsten fünf Jahre als beantwortet an.

Frage: Was machen Sie am heutigen Tag?

Ich bin zu Hause. Wir haben tagsüber einen „Tag der offenen Tür“. Abends gibt es dann eine kleine Feier mit Familie und Freunden.

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