Die Aria mit den 30 Veränderungen stellt ja an den Interpreten besonders technische Anforderungen, weil das Werk für ein zweimanualiges Cembalo geschrieben ist, das Bach für beide Hände – über- und gegeneinander – ausnutzt. Schwierig auf dem modernen Flügel zu spielen. Gasratov versucht, jede Note zu spielen, keine wegzulassen, und es ist auch ein optisches Erlebnis, ihm beim irrwitzig schnellen Übergreifen der Hände zuzuschauen.
Flügel schräg zum Publikum gestellt
Deshalb hat er wohl auch den Flügel anders als sonst, nämlich schräg zum Publikum gestellt, nicht ganz frontal, wie er eigentlich wollte, damit das Publikum nicht nur seinen Rücken sieht. So konnte man das hochprofessionelle Agieren der Hände in Gasratovs modern-geradlinigen Interpretation verfolgen, sein intelligent-motorisches Spiel, die enorme manuelle Geläufigkeit und Virtuosität.
Gasratov profiliert die „Goldbergs“ energievoll, wobei er sowohl der polyphonen Strenge als auch der Fantasie gerecht wird. Das war also mitnichten das musikalische Schlafmittel, das diesem Opus summum nachgesagt wird, kein bisschen lang und schon gar nicht langweilig. Aber eine Konzentrationsübung für Spieler wie Zuhörer.
Auch in den Chopin-Etüden empfahl sich der Pianist als ein blendender Virtuose und intelligenter Gestalter dieser horrend schwierigen „Übungsstücke“. Seinen Chopin beherrscht Gasratov ebenso motorisch mit einer Supertechnik und Sicherheit, einem sehr flinken Spiel der Finger und elastischem Pedal in einem Interpretationsansatz zwischen geballter Dramatik und intensivem lyrischem Belcanto.
Zuhörer erklatschen zwei Zugaben
Ganz gleich, ob man nun die witzige Spiccato-Etüde Nr. 4 nimmt, die scherzoartige Nr. 5, die rasende Terzenetüde Nr. 6 oder die vollgriffige Oktavenetüde Nr. 10 – in beiden Händen herrscht bei Timur Gasratov ein zupackender Zugriff in diesen klanglich brillanten Anschlagsstudien.
Die mitreißende virtuose Geste kam beim Publikum gut an, das sich nach diesem pianistischen Kraftakt zwei Zugaben von Bach und Chopin erklatschte.