Binzen hat Fragen zur Reaktivierung der Kandertalbahn. „Zeit, die Gemeinden ins Boot zu holen“

Markus Adler
Die geringen Abstände der Bebauung zur Trasse der Kandertalbahn sind in Binzen ein Knackpunkt. Foto: Alexandra Günzschel

Die Diskussion um die Reaktivierung der Kandertalbahn sollte die Interessen und Wünsche der Anliegergemeinden an der Strecke berücksichtigen, wünscht sich Binzens Bürgermeister Andreas Schneucker. Er begrüßt die Idee von öffentlichen Veranstaltungen.

„Ich begrüße die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für die Reaktivierung der Kandertalbahn, weil sie eine wichtige Basis für den weiteren Prozess darstellt“, erläutert Binzens Bürgermeister Andreas Schneucker, der auch an der Spitze des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Vorderes Kandertal steht.

20 000 Fahrzeuge kreuzen Trasse täglich am Dreispitz

„Wir haben schon vor über drei Jahren für Binzen einen Fragenkatalog mit möglichen Knackpunkten formuliert, auf den wir uns Antworten erhoffen“, sagt Schneucker auf Anfrage unserer Zeitung. „Es ist aus meiner Sicht der richtige Weg und Zeitpunkt, die die neu gewählten Gemeinderäte und alle Bürger der Gemeinden entlang der Strecke und ihre Interessen mit ins Boot zu holen und nun gemeinsam an die Beantwortung der Fragen zu gehen. Ich unterstütze deshalb als Kreisrat ausdrücklich den Vorschlag der Kreisverwaltung und freue mich auf den im Frühjahr anstehenden Diskussionsprozess.“ Die bisherige Trasse verläuft in Binzen quer durch den Ort, sodass es aus seiner Sicht unter anderem um verkehrliche Fragen gehen wird, wenn die Strecke wie geplant für einen S-Bahn-Betrieb ertüchtigt werden müsste.

Die schwierigste Stelle ist die mit der höchsten Verkehrsbelastung – nämlich direkt am Dreispitz fahren täglich 20 000 Fahrzeuge durch. Hier stelle sich die Frage eines möglichen Rückstaus durch die Schließzeiten des zu sichernden Bahnübergangs – nach den üblichen Kreuzungsvereinbarungen bleibt zudem normalerweise ein Drittel der Kosten an der Gemeinde hängen, jeweils ein Drittel tragen das Land und ein Drittel der Bund als Eigentümer der Bahn. „Wir haben überhaupt keine Kostenschätzungen und genauen Zahlen vorliegen“, sagt Schneucker. „Es wäre zu klären, ob die von den Befürwortern ins Spiel gebrachte großzügige Unterstützung des Landes sich auch auf diese Kostenanteile beziehen würde und ob gegebenenfalls noch weitere Kosten bei den Kommunen bleiben“, erläutert er.

Bei einer automatischen Schrankenanlage mit vollem Programm liegen die Kosten schnell im sechsstelligen Bereich nur für diesen einen wichtigen Bahnübergang. Dabei hat Binzen ja nicht nur diesen einen Übergang, sondern noch mindestens zehn weitere, die teilweise gar nicht oder bislang nur mit einer Blinkanlage gesichert sind. Für mindestens fünf davon wäre eine Sicherung fällig, schätzt Schneucker.

Gemeinde müsste ein Drittel der Kosten tragen

Ein weiterer Übergang liegt in der Straße Am Sportplatz in der Nähe des neuen Kreisverkehrs mit der Blauenstraße – immerhin noch 3000 Fahrzeuge sind hier täglich unterwegs. Hier waren jetzt bereits Diskussionen über mögliche Halbschranken im Gespräch, da befürchtet wurde, Lastwagen könnten es bei einem Rückstau nicht mehr rechtzeitig über die Gleise schaffen. Ein zusätzlicher stark frequentierter Übergang liegt an der Mühlenstraße, der auch von 3000 Fahrzeugen pro Tag genutzt wird und für viele Schüler auch den täglichen Weg bedeutet.

Eine weitere wichtige Frage wäre für die Gemeinde Binzen und sicher nicht nur für sie der Punkt, wie die S-Bahn als Schnittstelle für Pendler genutzt werden könnte – sprich es müssten Kapazitäten für Parkplätze an den Zusteigebahnhöfen geschaffen werden. Dafür ist in der dicht bebauten Ortslage wie in Binzen nur vergleichsweise wenig Platz, der ebenfalls für andere Nutzungen im Gespräch ist.

„Bei den Finanzierungen stellt sich zudem für uns die Herausforderung, wie viel welche Gemeinde zu tragen hätte – geht es dabei nach der Einwohnerzahl, müsste zum Beispiel Binzen mehr tragen als kleinere Kommunen im Kandertal“, erläutert Schneucker.

Für Binzen ist die Lage deshalb besonders schwierig, weil die Abstände zur Bebauung teilweise ziemlich eng sind und es nur wenig Manövriermasse gibt. „Zum Beispiel beträgt der Abstand zu den Häusern teilweise nur 7,5 Meter – das wäre bei den Berechnungen für baulichen Lärmschutz oder für die Auswirkungen von Erschütterungen durch einen dauernden S-Bahn-Betrieb zu berücksichtigen“, sagt Schneucker.

Abstand zur Bebauung ist an der Trasse extrem eng

Erfahrungen aus dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald zeigen darüber hinaus, dass zum Beispiel auf der Münstertalbahn auch Fahrt oder Quietschgeräusche eine entscheidende Rolle bei der Akzeptanz eines S-Bahn-Betriebs bei den Anwohnern haben können.

„Ich werde bei meinen Gesprächen in der Gemeinde häufig auf dieses Reaktivierungsthema und seine Auswirkungen für die Menschen angesprochen. Die Leute sind unsicher und wünschen sich Antworten auf die offenen Fragen“, sagt Schneucker unserer Zeitung.

Busangebot nach Lörrach und auch ins Wiesental

„Für Binzen geht es bei der Anbindung nicht nur um die Frage, wie die Leute nach Weil oder Basel gelangen. Viele Leute machen sich Sorgen, ob die bisher gute Busverbindung nach Lörrach und ins Wiesental nicht auf der Strecke bleiben würde, weil dann das Geld nicht mehr ausreicht, um das bisherige Angebot aufrechtzuerhalten“, weiß Schneucker aus den Rückmeldungen.

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