Binzen Wie Senioren zusammenleben sollen

Christoph Schennen

Dorfgespräch: Wohncoach und Genossenschafter stellen Wohnmodelle vor / Ziel: Verdichtung

„Wohnen im Alter“ – ein Thema, das jeden betrifft, für das aber kaum einer plant. Im Rahmen einer moderierten Gesprächsrunde im Rathaussaal haben sich Vertreter der Gemeinde Binzen mit Bewohnern über dieses Thema ausgetauscht.

Von Christoph Schennen

Binzen. Inhalt des Dorfgesprächs im Rathaussaal am Mittwoch war die Vorstellung verschiedener Wohnformen im Alter durch Experten und Betroffene. Der Hintergrund dieser Veranstaltung ist folgender: Eine Umfrage in der Gemeinde hat ergeben, dass 155 Personen vorhaben, in eine kleinere Wohnung zu ziehen und im Gegenzug ihr Einfamilienhaus verkaufen wollen. Die Innenverdichtung durch Umzug ist neben dem Ausbau der Photovoltaik auf Dachflächen eines der zentralenVorhaben der Gemeinde innerhalb des Gemeindeentwicklungsprozesses.

Innenverdichtung ist politisch erwünscht

Der zu den Gesprächsrunden hinzugezogene Moderator Frank Leichsenring wies darauf hin, dass Binzen ein Zuzugsgebiet ist und viele Bürger ein Eigenheim erwerben wollen.

Die sogenannte Innenverdichtung – Familien ziehen in die Häuser der nunmehr alleinstehenden Personen – sei daher unerlässlich. Die Bevölkerung im Dorf entwickelt sich laut Leichsenring hin zu mehr Älteren und weniger jungen Menschen. „Es macht daher keinen Sinn, weitere Einfamilienhäuser auf die Äcker zu bauen“, plädiert er für ein engeres Zusammenrücken im Innerort. Bürgermeister Andreas Schneucker ergänzte, Binzen könne durch diese Umzüge mehr Einwohner gewinnen und die Viertel beleben. Gleichzeitig sei die soziale Infrastruktur wie Schule und Kindergarten stärker ausgelastet. Denjenigen, denen ihr Haus in Binzen zu groß geworden ist und die umziehen wollen, will Schneucker die Möglichkeit bieten, in eine der 150 Wohnungen im „Kandergrund“ zu ziehen.

Bernhard Baldas, „Wohncoach“ aus Karlsruhe, der unter anderem Senioren zu ihren Plänen berät, erläuterte seine Sicht der Dinge. Im Alter entstehe oftmals der Wunsch nach einer kleineren Wohnung, weil die Kinder aus dem Haus sind, der Ehegatte in den Ruhestand tritt oder stirbt. Auch gesundheitliche Einschränkungen und weniger Geld führen zu einer Umorientierung. „Im schlimmsten Fall ist man im hohen Alter ziemlich allein“, sagte Baldas. Er stellte Alternativen zum Alleinwohnen vor. Zu ihnen zählen die Senioren-WG, das Clusterwohnen, ein gemeinschaftliches Wohnprojekt, Mehrgenerationenwohnen, inklusives Wohnen und Baugruppen-Projekte. Die wenigsten Menschen wollen Baldas zufolge in einer Senioren-WG wohnen, es sei denn es ist eine Bauernhof-WG.

Senioren-WGs sind nicht sehr gefragt

Beim Clusterwohnen bekommt jeder eine Miniwohnung mit Küche und Nasszelle. Eine große Gemeinschaftsfläche lädt dann zum regelmäßigen Austausch ein. Bei Mehrgenerationenwohnen seien heftige Diskussionen vorprogrammiert, warnte Baldas. Baldas empfahl für das Projekt „Kandergrund“ auch eine Pflege-WG.

Suzanne Remington und Bernd Friebe berichteten anschließend von ihrer Wohngenossenschaft Gartenstraße in Waldshut. In drei Häusern entstand ein gemeinsames Wohnprojekt mit zwölf barrierefreien Wohnungen, in denen 16 Personen im Alter von Mitte 30 bis Anfang 80 wohnen. Die Wohngenossen pflegen die Häuser, halten Kontakt und sind gute Nachbarn. „Wir haben uns im Blick“, sagte Friebe. „Wir wollen gute Nachbarn, aber nicht gute Freunde sein.“

Ein Beinbruch von Suzanne Remington und das beschwerliche Treppensteigen war der Grund, dass sie und ihr Mann Bernd ihr Haus verkauften und sich ein Wohnung suchten, die „besser zur Lebensphase passte, in die wir reingehen“. Nach dem Ankauf von Häusern und dem Umbau eines Nachbarhauses konnte ihr genossenschaftliches Wohnprojekt realisiert werden. Friebe riet, im Hinblick auf die Bewohnerzahl nicht zu klein zu planen. „20 Personen sind eine überschaubare Gruppe.“

Bürgermeister Schneucker wies im Anschluss auf den aktuellen Stand im Baugebiet „Kandergrund“ hin. Es ist zwei Hektar groß. Die Verwaltung will nur den Verkehrswert des Areals erlösen, keinen höheren Betrag. Schneucker schwebt ein klimaneutrales Baugebiet vor mit Photovoltaik-Modulen und Erdwärmesonden. Verzichtet wird auf Gas, Öl und Pellets. Reservierungsvereinbarungen gibt es für die Projekte „Mehrgenerationenhaus“, und „Senioren-WG“ mit Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen und einem Appartment für eine Pflegekraft.

Kandergrund: Investoren halten sich zurück

Schneucker beobachtet eine gewisse Zurückhaltung von Investoren. Er kündigte an, dass „Kandergrund“ wahrscheinlich das letzte Baugebiet in der Gemeinde sei. „Wir wollen nicht alles zubauen“, sagte er. Die markante Landschaft mit Streuobstwiesen, Rebhängen und Feldern solle erhalten bleiben.

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