Buchvorstellung „Leben im Orient“ von Christine Rillig

Rolf Rombach
Das preisgekrönte Manuskript von Christine Rillig (rechts) wird von Claudia Greiner vom Grenzacher BAG-Verlag als gebundenes Buch vertrieben. Foto: Rolf Rombach

Christine Rillig aus Grenzach hat für ihr Buch „Leben im Orient“ den Hauptpreis der Stiftung „Kreatives Alter“ gewonnen. In dem mehr als 500 Seiten dicken Werk schaut die Autorin durch die Brille der Baronin Etty Hadji Lazaro, die die Balkankriege miterlebt hat.

Die Balkankriege von 1912 und 1913 haben Auswirkungen bis in die heutige Zeit. Dennoch ist dieser Vorläufer-Konflikt des Ersten Weltkriegs in Mitteleuropa nur wenig bekannt. Mitten darin war vor über 100 Jahren die fränkische Baronin Etty Hadji Lazaro, geborene Freiin von Stein.

Briefe aus 36 Jahren

Ihrer Familie schrieb sie von 1896 bis 1932 jeden Sonntag einen Brief und gab dabei einen Rückblick auf ihre Erlebnisse. „Sie schrieb bis zum Tode der Mutter“, erläutert Christine Rillig. Die studierte Bibliothekarin war über fünf Jahre damit beschäftigt, die Briefe Hadji Lazaros zu lesen, einzuordnen und zu erfassen. Herausgekommen ist ein über 500 Seiten starker Einblick in das „Leben im Orient“, wie das Werk nun als Buch heißt.

Für ihre Arbeit ist die Wahl-Grenzacherin kürzlich von der Stiftung „Kreatives Alter“ unter über 500 Bewerbern als einer der zwölf Hauptpreisträger ausgezeichnet worden. Im April 2023 hatte Rillig ihren Wettbewerbsbeitrag eingereicht und fand mit dem Grenzacher BAG-Verlag inzwischen weitere Hilfe. Verlegerin und Historikerin Claudia Greiner ist voll des Lobes für die Arbeit von Christine Rillig. „Die Stärke des Buches ist die Einordnung in die Zeitgeschichte.“ Sie teilt die Auffassung der Autorin, dass dieses Kapitel der europäischen Geschichte zu sehr in Vergessenheit geraten sei.

Von 1982 bis 1985 lebten Rillig und ihr Mann in Thessaloniki. Für die Chronik zum 100. Geburtstag der evangelischen Gemeinde dort beschäftigte sie sich damals bereits mit der Lokalgeschichte.

In Thessaloniki gelebt

Zum 125-jährigen Bestehen kam der Kontakt erneut zustande, und sie wurde zudem auf die Briefe von Etty Hadji Lazaros aufmerksam gemacht. Die heute 77-Jährige sortierte das Material in 18 Ordner, welche inzwischen im Archiv von Schloss Völkershausen sind.

Über einen Zeitraum von mehr als vier Jahrzehnten gab Hadji Lazaro nach ihrer Heirat mit einem makedonischen Großgrundbesitzer sehr persönliche Einblicke in das Leben in und um Thessaloniki. Zunächst noch zum Osmanischen Reich, dann zu Griechenland gehörend kämpfte die Gesellschaft mit vielen Veränderungen. Anfangs schilderte die Deutsche noch ihre Eindrücke des Neuen und Fremden. Aber auch das Leid blieb der Adligen nicht verborgen. Ohne dazu beauftragt worden zu sein, engagierte sie sich für wohltätige Zwecke, vermittelte und verwaltete Spenden und nahm sich auch Pflegekindern temporär an. „Sie ist kinderlos geblieben. Das war auch ein gewisses Trauma für sie“, verrät Rillig ihre Erkenntnisse aus der Lektüre der Briefe.

Schon das Titelbild verrät: Diese Schrift können heutzutage nicht mehr viele Menschen lesen. Um Papier zu sparen, wurde zum Teil einfach der Brief um 90 Grad gedreht und dann fortgesetzt, was für ungeübte Augen weitere Herausforderungen mit sich bringt.

Das Buch ist mehr als eine Abschrift der Briefe. Denn den ungefilterten privaten Schilderungen Etty Hadji Lazaros folgen persönliche Kommentare und Einordnungen mit geschichtlichen Fakten durch Christine Rillig.

Ungeklärter Tod

Mit dem Abzug der deutschen Truppen 1944 war auch Etty Hadji Lazaro nicht mehr sicher. Nach kurzem Hausarrest wurde sie ermordet aufgefunden. Die Umstände wurden nie aufgeklärt.

Als „nicht lösbaren Konflikt, der viel Leid und Elend brachte“, bezeichnet Greiner die Geschehnisse rund um die Kriege, die sich in den 1990er Jahren unter den Bevölkerungsgruppen und Religionen auf dem Balkan erneut fortsetzten.

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