Bürchau Parcours macht Demenz begreifbar

Yvonne Rünzi
Eine Station des Demenz-Parcours veranschaulicht anhand von Bildern die vielen notwendigen Einzelschritte bei der Frühstückszubereitung. Foto: Yvonne Rünzi

Angehörige von Demenzerkrankten haben sich im Dorfgemeinschaftshaus in Bürchau in einem geschützten Rahmen ausgetauscht. Bei einem Demenz-Parcours erfuhren sie, wie es sich anfühlt, wenn alltägliches Wissen nicht mehr abrufbar ist.

Bei den Demenzwochen des Netzwerks Demenz im Landkreis Lörrach gab es seit Mitte September Angebote für Demenzerkrankte und Angehörige quer über den ganzen Landkreis verteilt. Vorträge, Diskussionen, Kaffeerunden oder barrierefreies Kino – nahezu jeder Bereich wurde abgedeckt. In Bürchau konnten sich Angehörige von Demenzerkrankten in einem Demenz-Parcours in die Lage ihrer hilfsbedürftigen Familienmitglieder versetzen.

Demenz ist der Überbegriff von einer Reihe von Erkrankungen, die als Hauptmerkmal die Verschlechterung von verschiedenen geistigen Fähigkeiten hat, erklärte Nicole Brutschin, Heimleiterin des Seniorenzentrums Zell im Wiesental. Die Veränderungen könnten vorübergehend oder fortlaufend sein. Die Ursachen seien verschieden und würden darüber entscheiden, ob und wie gegen die Erkrankung vorgegangen werden könne. Mit den kognitiven Fähigkeiten gingen auch emotionale und soziale Fähigkeiten verloren. Betroffen sei oft das Kurzzeitgedächtnis, das Denken, die Sprache und die Motorik. Bei einigen Arten von Demenz komme es auch zu Persönlichkeitsveränderung.

Mit Scham behaftet

Immer noch sei das Thema Demenz mit Scham behaftet, auch wenn dank der Öffentlichkeitsarbeit der vergangenen Jahre langsam ein Bewusstsein dafür entstehe. Derzeit sind rund 1,8 Millionen Menschen von Demenz betroffen, bis zum Jahr 2050 werden es schätzungsweise 2,8 Millionen sein.

Elf Teilnehmer fanden sich zum Workshop im Dorfgemeinschaftshaus ein. Sie kamen aus dem Kleinen Wiesental, aber auch aus Rheinfelden und Schönau. Angeleitet wurde der Demenz-Parcours von Brutschin sowie von Melanie Mühlhäuser, Seniorenbeauftragte der Gemeinde Kleines Wiesental, und von Kathrin Maurer, Einrichtungsleiterin des Seniorenzentrums Mühlehof in Steinen.

Einige Teilnehmer kannten den Parcours bereits, sie hätten ihn „fürchten gelernt“, berichtete Mühlhäuser. Dass sie dennoch kamen, lag vor allem am Austausch im Anschluss an den Parcours.

Verschiedene Stationen

Der Demenz-Parcours soll mit verschiedenen Stationen nachvollziehbar machen, was Menschen mit Demenz fühlen und wie sie Alltagssituationen erleben. Dies sei ein wichtiger Punkt im Umgang und in der Kommunikation mit Demenzerkrankten – denn oft ist es pflegenden oder betreuenden Angehörigen nicht bewusst, was in ihrem Gegenüber vorgeht.

Die Herausforderungen beginnen schon beim Zubereiten eines Frühstücks. „Was denken sie, wie viele Schritte braucht es bis zum fertigen Frühstück?“, fragte Brutschin die Teilnehmer an einer Station. Von acht bis 30 Einzelschritte lauteten die Schätzungen. Tatsächlich waren es 42. Tisch decken, Butter aus dem Kühlschrank holen oder Wasser erhitzen – das alles sind erlernte Abläufe, die durch Demenz aber vergessen werden können. Brutschin zeichnete das Bild eines Bücherschranks, der mit den Wissensbänden eines ganzen Lebens gefüllt ist. Die Demenz sei wie ein Wurm, der diese Bände Stück für Stück auf- und anfrisst – bis Wörter, Seiten und ganze Bände verloren gehen.

Rollenspiele

Mit den Einschränkungen müssen Angehörige und Pflegende umgehen. Die Hilflosigkeit geht oft mit Wut über das eigene Unvermögen und dem Unverständnis einher, warum einfache Sachen nicht mehr möglich sind. Im Austausch und in Rollenspielen versuchten Maurer, Mühlhäuser und Brutschin Lösungsansätze aufzuzeigen. „Eine komplette Lösung können wir nicht anbieten, nur Wege“, so Mühlhäuser. Wege, wie Wut in etwas Produktives gewandelt werden kann, indem „W-Fragen“ gestellt werden: wer, was, wo, wie, wann? Nur die Frage nach dem Warum sollte vermieden werden – es verlange eine logische Erklärung, wozu Demenzerkrankte im Regelfall nicht mehr in der Lage sind. Ein wichtiges Werkzeug sei die Kommunikation, die ruhig, eindeutig und wertschätzend sein sollte – obwohl das bei persönlicher Betroffenheit manchmal nicht einfach sei.

Austausch gewünscht

Nach dem ofiziellen Ende der Demenz-Wochen könnte es im Kleinen Wiesental inoffiziell weitergehen: In der Runde der Teilnehmer kam der Wunsch auf, sich weiterhin im Rahmen eines Angehörigentreffs auszutauschen.

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