Immer wieder wird Pistorius als Reservekanzlerkandidat bezeichnet. Wobei er selber das Thema meidet und auf Fragen stets die Loyalität dem Kanzler gegenüber betont. Es gebe auch eine Entscheidung.
"Es gibt keine Rufe", sagt Pistorius
Frage: Haben Sie eigentlich Rufe erreicht? "Nein", antwortet Pistorius. Schlafen Sie denn bei offenem Fenster? "Nur wegen der frischen Luft. Es gibt keine Rufe."
Auch in einer künftigen Regierung wäre er aber gern wieder Verteidigungsminister, "weil ich noch einiges vorhabe". "Wir stellen die Bundeswehr neu auf, damit sie den Anforderungen aufgrund der neuen Bedrohungslage in Europa gerecht werden kann", sagte er. "Ich kann mich bei all den Herausforderungen auf eine leistungsstarke Truppe verlassen, zu der ich ein sehr gutes Verhältnis aufgebaut habe."
Wenn die SPD ihn nominiert, will er im Wahlkreis Stadt Hannover II antreten und um ein Mandat ringen. In dem Fall würde er dort die Nachfolge von sozialdemokratischem Urgestein antreten. Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer - beide Vorsitzende in der Nachkriegszeit - hatten diesen Wahlkreis 42. Auch Helmut Rohde, der im Kabinett von Willy Brandt und später Helmut Schmidt war.
Pistorius geht davon aus, dass für die SPD nochmal mehr drin ist. Die Bundestagswahl im Jahr 2021 habe aber gezeigt, dass Wahlumfragen keine Wahlen seien. "Monate lang haben wir in Umfragen bei 15 Prozent gelegen. Am Ende waren wir klarer Wahlsieger. Oder 2005: Damals haben wir innerhalb von drei Monaten einen 20 Prozentpunkte-Abstand zur Union auf einen Prozentpunkt abgeschmolzen", sagte Pistorius. Die Stimmung bis zur nächsten Bundestagswahl könne sich noch stark verändern.
Pistorius sagte: "Ich glaube, dass wir ein Ergebnis wie 2021 wieder erreichen können. Aber dafür müssen wir uns zur Decke strecken. Wir müssen klar sein in dem, was wir wollen und dabei als Partei geschlossen auftreten."
Auf eine Frage äußert er sich überzeugt: "Ja, man kann einen Teil der Wähler von der AfD zurückgewinnen - mit einer ernsthaften, pragmatischen, an der Wirklichkeit orientierten Industrie- und Wirtschaftspolitik." Pistorius begrüßt, dass Lars Klingbeil und Olaf Scholz dieses Thema "sehr klar adressieren".
Populisten lassen sich vor Putins Karren spannen
Er nehme populistische und extremistische Bestrebungen in Deutschland wahr, die Putins Geschäft betreiben und sich vor seinen Karren spannen lassen. "Sie übernehmen Putins Argumentation und stellen einseitige Erwartungen an uns, an die Regierung – etwa, dass wir abrüsten sollten, während Putin weiterhin massiv aufrüstet", sagt Pistorius. Oder es werde gefordert, "dass ein Frieden in der Ukraine herbeigeführt werden müsse - mit einem kriegführenden Russland, das gar nicht über Frieden verhandeln will".
"Wir müssen uns in Acht nehmen, auch in der SPD, dass wir uns von diesen Parolen nicht verwirren lassen", warnt Pistorius. Die SPD sei eine Friedenspartei, die für Entspannungspolitik stehe. "Willy Brandt, Helmut Schmidt und andere wussten, dass man nur dann auf Augenhöhe über Frieden und friedliche Koexistenz verhandeln kann, wenn dies aus einer Position der Stärke heraus geschieht. Leider ist diese Erkenntnis teilweise verloren gegangen. Manche fürchten sich möglicherweise vor der Reaktion der Wählerinnen und Wählern. Andere verweigern vielleicht schlicht die Realität. Ein Problem wird aber nicht kleiner, wenn man es verdrängt. Es wird größer."