Ein vom Bundesfinanzministerium in Auftrag gegebenes Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Frühjahr 2020 spiele bei der Frage nach dem zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes eine wichtige Rolle, sagte König zu Beginn der Verhandlung. In dem Gutachten wurden vereinigungsbedingte überproportionale Belastungen des Bundeshaushalts bis zum Jahr 2030 geschätzt.
Der Bevollmächtigte der Kläger, Berger, kritisierte, der vereinigungsbedingte Finanzbedarf werde im Gutachten benannt, jedoch nicht belegt. Der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Reint Gropp, der als Sachverständiger geladen war, um das DIW-Gutachten zu bewerten, erklärte, ein Großteil der darin genannten Herausforderungen im Osten seien auf eine Abwanderung von Ost nach West zurückzuführen. Aus einer solchen könne man aber nur eine notwendige Umverteilung ableiten – nicht aber einen zusätzlichen Finanzbedarf.
Soli für 90 Prozent der Steuerpflichtigen abgeschafft
Der Soli wird als Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer sowie Kapitalerträge erhoben und beträgt 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer. Seit 2021 müssen nur noch Besserverdienende, Unternehmen und Kapitalanleger den Soli zahlen. Für 90 Prozent der Steuerpflichtigen wurde er im Rahmen des "Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlag 1995" abgeschafft, für weitere 6,5 Prozent zumindest zum Teil. Dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge zahlten zuletzt noch rund sechs Millionen Menschen den Soli sowie etwa 600.000 Kapitalgesellschaften.
Sollte der Karlsruher Senat der Ansicht der FDP-Beschwerdeführer folgen und den Zuschlag für verfassungswidrig erklären, würde das wohl die nächste Bundesregierung vor eine weitere große Herausforderung stellen. Denn für das kommende Jahr sind Soli-Einnahmen von 12,75 Milliarden Euro fest im Haushalt verplant - die wohl wegfallen würden. Doch es könnte noch schlimmer kommen: Der Senat könnte entscheiden, dass der Staat Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag der vergangenen Jahre zurückzahlen muss. Das wären dann seit 2020 um die 65 Milliarden Euro.
Wenn die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags festgestellt würde und dieser rückabgewickelt werden müsste, müsste der zusätzliche Finanzbedarf eben anders gedeckt werden, erklärte der FDP-Bevollmächtigte Berger. Das obliege dann dem Gesetzgeber. Je länger man warte, desto größer seien die Folgen im Falle einer festgestellten Verfassungswidrigkeit, betonte Berger.