Die größten Proteste seit 1989
Aus Protest gegen die Null-Covid-Maßnahmen wie Ausgangssperren, zwangsweise Isolation, Testpflicht oder ständige Kontrolle über Corona-Apps gingen am Wochenende in mehreren Städten Tausende auf die Straßen. In Peking riefen sie "Hebt den Lockdown auf" und "Wir wollen keine PCR-Tests, wir wollen Freiheit". Es waren die größten Proteste in China seit der Demokratiebewegung, die das Militär 1989 blutig niedergeschlagen hatte.
Der Unmut hat sich auch verstärkt, weil China gerade die größte Corona-Welle seit Beginn der Pandemie vor knapp drei Jahren erlebt. Die Zahlen sind im internationalen Vergleich zwar nicht hoch, doch sind die Auswirkungen durch die strikten Maßnahmen enorm: Ein Fünftel der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft - also Hunderte Millionen Menschen - dürften landesweit von Lockdowns betroffen sein.
"Die Bevölkerung zieht nicht mehr mit", sagte ein europäischer Gesundheitsexperte in Peking. Das Virus sei mit den leicht ansteckenden Omikron-Varianten im Land aber bereits "fest etabliert". So ließen sich die Maßnahmen im Kampf gegen das Virus, die im Moment existierten, nur noch ganz radikal durchsetzen. Die Regierung habe keine Strategie und sich "immer weiter in eine Ecke verrannt".
Infektionszahlen gehen leicht zurück
Nach einem stetigen Anstieg der Infektionszahlen meldete die Gesundheitskommission erstmals aber wieder einen leichten Rückgang der täglichen Neuinfektionen auf rund 38 400 Fälle. Am Vortag war ein Höchststand von mehr als 40.000 gemeldet worden. In der Hauptstadt stieg die Zahl der Neuinfektionen aber weiter auf 4300. Während Märkte zur Versorgung mit Lebensmitteln geöffnet haben, sind die meisten Restaurants, Schulen, Geschäfte und Büros geschlossen.
Aus Angst vor neuen Protesten sicherte Polizei in Peking die Uferpromenade des Liangma-Flusses in der Nähe des Diplomatenviertels, wo am Sonntagabend Hunderte demonstriert hatten. Auch im Universitätsviertel Haidian waren viele Polizisten zu sehen. In Shanghai wurde Montagabend ein Großaufgebot an Sicherheitskräften um den Volksplatz mobilisiert. Ähnlich sah es an der Wulumuqi-Straße aus, wo Sperren errichtet wurden.
Benannt ist die Straße nach der Hauptstadt der Region Xinjiang, Ürümqi (Chinesisch: Wulumuqi). Dort hatten sich am Wochenende viele Menschen versammelt, um der zehn Toten eines Wohnungsbrandes am Donnerstagabend in Ürümqi zu gedenken. Das Feuer war Auslöser der Proteste in vielen Städten, da viele den Verdacht haben, dass Null-Covid-Maßnahmen die Rettungsarbeiten behinderten.
In der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong versammelten sich am Montagabend an der Chinesischen Universität Dutzende Studenten und hielten ähnlich wie die Demonstranten in anderen Städten am Wochenende unbeschriebene weiße Blätter hoch, um der Opfer zu gedenken. Die weißen Blätter sind zum Symbol des Widerstandes und des Protests gegen die chinesische Zensur geworden.