DER KOMMENTAR Sie, Herr Lutz! Genau Sie – persönlich!

Bernhard Konrad
Der Lörracher Gemeinderat hat seine Arbeit aufgenommen. Schon die ersten Debatten lassen Strategien politischer Gruppierungen erkennen. Foto: Kristoff Meller

Der Kommentar: Im neuen Gemeinderat werden Argumentationsstrategien der „Bürger für Lörrach“ bereits deutlich.

Die „Bürger für Lörrach“ haben mit Birger Bär, dem federführenden Impulsgeber für die Bildung dieser politischen Gruppierung, und dessen Ehefrau Dorothea Bär aus dem Stand heraus zwei Sitze im Gemeinderat errungen: ein Erfolg.

Haltungen

Der Lörracher Apotheker war während der Corona-Pandemie unter anderem mit scharfer Kritik gegen staatliche Maßnahmen in Erscheinung getreten, zuletzt aber insbesondere mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber der in Stetten-Süd geplanten Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Dass diese Debatte direkt vor der Kommunalwahl stattfand, dürfte den „Bürgern für Lörrach“ zumindest nicht geschadet haben.

Der Anspruch

In Bärs Auftreten und Argumentation wird eigentlich sein Anspruch deutlich, präzise hinzusehen, sich nicht mit oberflächlicher Betrachtung zufrieden zu geben und der Verwaltung genau auf die Finger zu schauen. Zudem hat er mehrfach schon gegenüber der Oberbadischen seinen Ansatz betont, in der kommunalpolitischen Arbeit Mauern einreißen, nicht hochziehen zu wollen. So weit, so gut.

Die Wortbeiträge

Aber: Dieser Anspruch der „Bürger für Lörrach“ war so in der Gemeinderatssitzung am Donnerstag nicht zu erkennen: weder in Bärs Wortmeldung zur Großbaustelle am Aicheleknoten noch im Beitrag von Dorothea Bär zum Stand der Anschlussunterbringung von Flüchtlingen – beides komplexe Themen mit zahlreichen Akteuren, auf die die Stadt nur bedingt Einfluss nehmen kann.

Deutlich wurde, dass die „Bürger für Lörrach“ – zumindest bislang – ihre Vitalität aus Kritik an der Kommunalverwaltung schöpfen. Überzeugende Lösungen haben sie bislang nicht angeboten.

Die Strategie

Über etliche Facetten der Politik im Zusammenhang mit Flüchtlingen kann fraglos kontrovers diskutiert werden. Aber die Stadt hat von Seiten des Bundes und des Landes Verpflichtungen, die sie nicht außer Acht lassen kann – die „Bürger für Lörrach“ ignorieren diesen Umstand in ihren Beiträgen weitgehend.

Indes haben sie sich mit ihrem Namen ausdrücklich aufs Lokale festgelegt – und fokussieren deshalb immer wieder auf Oberbürgermeister Jörg Lutz persönlich: als Lörracher Stadtoberhaupt im Speziellen und als Repräsentant des Staates im Allgemeinen.

Dies mündet mitunter in geradezu abenteuerliche Fragestellungen – etwa, wie Jörg Lutz als Oberbürgermeister im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen die Sicherheit aller Bürger in Lörrach gewährleisten will. Wie wollen SIE? Wie werden SIE? Wann machen SIE? Warum machen SIE nicht?

Diese Vereinfachung ignoriert konsequent politische Realitäten und die Komplexität der Zusammenhänge, in denen ein OB und die Kommunalverwaltung agieren. Damit verhalten sich die „Bürger für Lörrach“ derzeit genau so, wie sie es dem Vernehmen nach nicht wollten.

Der Verkehrsknoten

Genau hinschauen will Bär, differenziert betrachten, kritisch sein. Gut so! Aber er selbst ist es, der versucht, unter anderem aus der äußerst diffizilen, nervigen, aber notwendigen Baustelle am Aicheleknoten einen Lörracher Verkehrsinfarkt abzuleiten – und den Schuldigen hat er schnell gefunden. Schriftlich adressiert er an Lutz: „...das stetig von Ihnen! verursachte Verkehrschaos...“.

Stadt und OB stehen gewiss nicht außerhalb der Kritik. Die Verkehrssituation in Lörrach ist schwierig, kompliziert, mitunter auch ärgerlich – insbesondere in diesen Tagen. Wie in so vielen Städten. Man kann das diskutieren, man kann das kritisieren, man kann für eigene Vorschläge werben. Birger Bär kann das wie alle anderen auch.

Doch ist es aufschlussreich, dass er seinen Wortbeitrag zum Aicheleknoten lässig mit dem Satz flankiert: „Es könnte so einfach sein.“ Die Wahrheit ist: Nein, ist es nicht.

Der Auftrag der Bürger

Wer derart harsche Kritik übt, sollte sich mit dem gleichen Engagement um echte Lösungen oder konsensfähige Kompromisse bemühen: Das wäre im Sinne der Bürger in Lörrach.

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