Efringen-Kirchen Beerdigungsriten schaffen Identität

Weiler Zeitung
Bürgermeister Philipp Schmid (mit weißer Kippa) sprach über die Geschichte des jüdischen Friedhofs und der jüdischen Gemeinde in Efringen-Kirchen. Foto: sc Foto: Weiler Zeitung

Führung: Bürgermeister Philipp Schmid erinnert an die jüdische Gemeinde in Efringen-Kirchen

„Wenn man die Kultur eines Volkes verstehen will, muss man sich erst einmal klar machen, wie mit den Toten umgegangen wird“, sagte Bürgermeister Philipp Schmid. Bei einer Führung auf dem jüdischen Friedhof anlässlich des Tags der Jüdischen Kultur sprach der Bürgermeister über die jüdische Geschichte in Efringen-Kirchen.

Efringen-Kirchen (sc). Zwei Veranstaltungen gab es im Rahmen des Europäischen Tags der Jüdischen Kultur über die Geschichte der Juden in Efringen-Kirchen am Sonntag.

Einmal ein Spaziergang vom Isteiner Klotz bis in die Ortsmitte von Istein mit Museumsleiterin Maren Siegmann. Hier stand die erste Verquickung von Istein mit jüdischer Geschichte im Vordergrund.

In den Traditionen Halt gefunden

Zum anderen führte Bürgermeister Philipp Schmid über den jüdischen Friedhof in Kirchen. Schmid, der das Wissen um die einst in Kirchen lebenden jüdischen Mitbürger von dem ehemaligen Lehrer Wolfgang Weller vermittelt bekam, brachte den etwa 20 Besuchern die Beerdigungsriten als identitätsstiftendes Merkmal näher. „Die Gemeinschaft der Gläubigen in der Diaspora fand durch das Festhalten an den Traditionen Halt“, sagte Schmid. Der Einzelne sei so aufgefangen worden.

Denn der Tod war eine Gemeindeangelegenheit. Die Familie betreuen, die rituelle Leichenwaschung vornehmen, ausgewählte Stellen der Tora lesen sowie das Sterbekleid (Talit) und die Totenwache – das alles werde von der Gemeinde übernommen. Elf Monate lang werde jeden Tag sowie am Totentag vom Ältesten der Familie ein Gebet für den Verstorbenen gelesen. Dann – nach einem Jahr – wird der Gedenkstein gesetzt. Der Stein wird nicht fundamentiert, es gibt keinen Blumenschmuck.

Geschichte der Gemeinde reicht ins Jahr 1736 zurück

Der Markgraf von Baden nahm Mitte des 18. Jahrhunderts die jüdischen Bürger auf. 1736 kam der erste als sogenannter Schutzjude nach Kirchen. Der Friedhof wurde 1865 angelegt. Der älteste Grabstein stammt aus dem Jahr 1867. Bis in das Jahr 1926 wurde er belegt. Entstanden ist er, weil die jüdischen Friedhöfe in Lörrach und im Elsass nicht leicht zu erreichen waren und Verstorbene binnen 24 Stunden beerdigt werden mussten.

1870 war die höchste Zahl jüdischer Bewohner mit fast 200 Personen erreicht. Allerdings war es ihnen verwehrt, einen handwerklichen Beruf zu erlernen. So blieb ihnen nur der Beruf des Vieh-, Pferde-, Wein-, Tabak- und Stoffhändlers offen.

Auf die dunkle Zeit der jüngsten Vergangenheit weißt am Eingangstor eine Gedenktafel hin. Sie ist mit den Namen der Opfer der Verfolgungszeit aus Kirchen von 1933 bis 1945 versehen.

In den Jahren 1965, 1973, 1977 und 2003 wurde der Friedhof in Kirchen geschändet. Grabsteine wurden umgeworfen und zerstört. Der Friedhof ist 1842 Quadratmeter groß, 151 Grabstellen sind noch identifizierbar.

Gravuren waren häufig fehlerhaft

Die Gravuren auf den Steinen sind oft fehlerhaft. Diese Fehler sind dadurch entstanden, dass die Steinmetze der jüdischen Schreibform nicht mächtig waren, und so hat sich im Laufe der Zeit Fehler um Fehler ergeben.

Auch haben sich die Inschriften mit den Jahren immer mehr der christlichen Art der Beschriftung angenähert. Es finden sich Sprüche, Daten oder Hinweise zu beruflichen Tätigkeiten. Das, so erklärte Schmid, war ursprünglich nicht der Fall.

Mehr Informationen über die Kirchener Juden finden sich im Museum „Alte Schule“ oder in einem im Rathaus erhältlichen Buch.

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