Efringen-Kirchen Bei der „Vesper“ klingen die Glocken

Jürgen Scharf
Zwei, die sich gut verstehen: der Sänger Georg Poplutz und der Pianist Rudolf Lutz. Foto: Jürgen Scharf

Bei den Kammerkonzerten Efringen-Kirchen erlebt das Publikum eine Sternstunde des Liedgesangs mit dem Tenor Georg Poplutz, kongenial begleitet von Rudolf Lutz am Flügel.

Wie es in der letzten Zeile des populären Gedichts „Der frohe Wandersmann“ („Wem Gott will rechte Gunst erweisen…“) von Joseph von Eichendorff heißt, war beim sonntäglichen Liederabend „die Sach’ aufs Best’ bestellt“.

Das Publikum füllte erwartungsvoll den Saal der Alten Schule, der sympathische Vortrag des Sängers Georg Poplutz, der keinen Vergleich zu scheuen braucht, war lebendig, die Klavierbegleitung durch Rudolf Lutz zeigte beste Übereinstimmung und die Vertonungen von Gedichten des Erzromantikers Eichendorff verströmten alle nur denkbare Poesie.

Das Programm mit dem Titel „Nur über uns die Linde rauscht“, das von der Romantik bis in die Gegenwart reichte, zeigte die Schönheit des gehaltvollen Kunstliedes. Im Zentrum standen zwei Zyklen, der „Liederkreis“ von Schumann nach Eichendorff (mit der berühmten „Mondnacht“), die Inkarnation der deutschen Romantik schlechthin, und als Pendant zum Heute die „Sieben Lieder“, die der 73-jährige Schweizer Komponist und Pianist Rudolf Lutz nach Eichendorff-Vorlagen vertont und auf die Stimme von Georg Poplutz geschrieben hat.

Dramatische Mittel

Allein das wäre schon ein abwechslungsreicher Liederkranz gewesen; dazu kamen noch Lieder von Hugo Wolf, dem „Wagner des Liedes“, Mendelssohn und anderen, eher unbekannteren. Ein Liedprogramm also, das Konzentration und Hingabe forderte und sie im höchsten Maß auch bekam.

Der hervorragende Tenor Georg Poplutz setzt wohldosiert die dramatischen Mittel ein, die angemessen sind für die romantische Situationen des Wanderns, der Liebe, der Waldträume und des Abschieds, in die das Konzert blockweise unterteilt war. Dieser ernstzunehmende Liedsänger hat die Texte verinnerlicht, kann von der Melodie her agieren und differenzierte Dynamik einsetzen für die verschiedenen Gefühlsebenen dieser romantischen Seelengemälde.

Poplutz’ Tenorstimme, warm getönt und ausdrucksvoll, nahm durch ihren angenehmen Klang sofort gefangen. Die Schumann-Lieder waren hinreißend gesungen mit innigster Lyrik, höchster Intensität und bester Textverständlichkeit, Wärme und Einfühlung. Genussvoll entfalten konnte Poplutz seinen Tenor auch in dramatisch getönten Gesängen wie „Auf der Burg“ oder „Waldesgespräch“.

In den humoristischeren Wolf-Liedern wie „Der Musikant“ und dem komischen „Unfall“ stellt sich der ausgewiesene Oratorien- und Liedsänger als empfindungsvoller Wolf-Interpret vor und erfreut mit kerngesunder, frischer Art seines Singens. Selten wird Hugo Wolf mit so viel gestalterischer Intelligenz dargeboten. Das überzeugte und räumte mit negativen Vorurteilen gegenüber Wolfs Eichendorff-Vertonungen auf.

Akzentuiertes Klavierspiel

Zu dem gestalterischen Raffinement und den schönstens angebrachten Bedeutungsnuancen kam das prägnant begleitende und klar akzentuierte Klavierspiel von Rudolf Lutz. Die beiden sind ein eingespieltes Team, das 2023 eine gleichnamige Eichendorff-CD herausbrachte, die am Abend von ihnen signiert wurde.

Man spürte diesen vollkommenen Einklang zwischen Sänger und Begleiter, zwischen Ton und Wort, vokaler Linie und Diktion – das war bestens. Besonders auch in den zeitgenössischen Vertonungen von Lutz, die sich naht- und bruchlos in den romantischen Kontext dieses Liederabends einfügten. Diese neuen Kompositionen fingen die Eichendorffsche Welt musikalisch mit heutigen Klangvorstellungen gleichermaßen empfindsam ein.

Dass Poplutz dieses moderne Liedgut mit schönster Unmittelbarkeit, allen nur erdenklichen changierenden Farben und Klangabtönungen singt, versteht sich fast von selbst.

Subtile Zwischentöne

Da mit Lutz der Komponist selbst am „schönen alten Klavier“ saß, war es mehr als eine Klavierbegleitung im üblichen Sinne und sorgte auch für die subtilen Zwischentöne. Sicher nicht zu viel gesagt, dass auch der Komponist aus St. Gallen in seiner von Glockengeläut inspirieren Vertonung von Eichendorffs „Vesper“ ähnlich wie Schumann den „Zauberton“ trifft. Da passte es, dass nach diesem Glockenstück von draußen die Kirchenglocken läuteten, was ein Schmunzeln auf den Gesichtern der Interpreten und der Zuhörer hervorrief. Diese folgten den Künstlern gerne bei dieser Wanderung durch die poetische Liedwelt.

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