Efringen-Kirchen Das Unsichtbare sichtbar machen

Adrian Steineck
Musik trotz Corona: Florian Mehnert packt die Stuttgarter Philharmoniker in aufblasbare Hüllen. Foto: zVg/Florian Mehnert

Aktion: Konzeptkünstler Florian Mehnert will soziale Distanz sichtbar machen / Oft für Aufsehen gesorgt

Markgräflerland - Er hört Gespräche im Wald ab, macht Datenströme sichtbar und steckt die Stuttgarter Philharmoniker in aufblasbare Hüllen: Der im Markgräflerland lebende Künstler Florian Mehnert macht mit seinen Projekten immer wieder von sich reden. Als „künstlerischer Aktivist“ will sich der 50-Jährige aber nicht verstanden wissen.

Zwar wolle er mit seinen Projekten durchaus wachrütteln, dies sei aber nicht sein vordringlichstes Ziel, sagt Mehnert im Gespräch mit unserer Zeitung. „Ich stelle Fragen deshalb, weil sie mich selbst betreffen und ich keine Antwort auf sie habe“, legt er dar.

Sein jüngstes Projekt, die „Social Distance Stacks“ (etwa: „Ansammlungen mit Abstand“), für das er unter anderem die Stuttgarter Philharmoniker in aufblasbare Hüllen gesteckt hat, ist ganz konkret aus der Corona-Krise heraus entstanden. „Ich musste einige meiner Projekte vorübergehend auf Eis legen, weil sie unter den geltenden Abstandsregeln schlichtweg nicht umsetzbar waren und sich dafür Menschen hätten versammeln müssen“, sagt der Konzeptkünstler mit Blick auf den ersten Lockdown im Frühjahr. Aus der Intention heraus, die soziale Distanz in Pandemie-Zeiten sichtbar zu machen, entstand die Idee, die Stuttgarter Philharmoniker in übergroße Ballons zu stecken und sie darin ihr jeweiliges Instrument spielen zu lassen.

Berührungsängste habe es in diesem Fall keine gegeben, lobt Mehnert die harmonische Zusammenarbeit mit den Musikern in der für sie ungewohnten Situation. „Sie waren alle sehr offen und haben sich darüber gefreut, wieder etwas tun zu dürfen.“ Denn das generelle Veranstaltungsverbot hat auch für das Orchester zur Folge, dass Auftritte wegfallen.

Vom Leben in Filterblasen

Neben dem Aufzeigen der sozialen Distanz soll das Projekt auch auf die digitale Filterblase anspielen, in der sich in Zeiten der sogenannten sozialen Netzwerke viele Menschen befänden. „Die Kommunikation verlagert sich in Pandemie-Zeiten noch stärker ins Digitale und findet dann auf bestimmten Plattformen statt“, sagt der Konzeptkünstler. Dort aber unterliege sie Algorithmen, deren Intention es sei, das Interesse der Nutzer aufrechtzuerhalten. Das führe zu Informationsblasen, in denen die Nutzer der digitalen Plattformen nur noch solche Nachrichten präsentiert bekämen, die ihrer Sicht auf die Welt entsprechen würden.

Datensicherheit ein Thema

Die digitale Welt, vor allem der Umgang mit den Nutzerdaten, wie auch das Sichtbarmachen des eigentlich Unsichtbaren sind Konstanten in Mehnerts Werk. Der im Jahr 1970 Geborene, der sich selbst als „Auto-Didakt“ bezeichnet, hat unter anderem in Weil am Rhein im Rahmen seines Projekts „Freiheit 2.0“ Datenströme mittels farbiger Linien auf dem Asphalt sichtbar gemacht (2016), und er hat im Jahr 2013 mit den „Wald-Protokollen“ für Aufsehen gesorgt. Für diese hatte er über Tage hinweg Wege und Lichtungen in Wäldern verwanzt.

Seine dort installierten Mikrofone hörten vorbeigehende Passanten ab. Die Mitschnitte veröffentlichte Mehnert auf seiner Internetseite. Mit diesem Kunstprojekt wollte er laut eigener Aussage auf die Gefahr der Überwachung durch Geheimdienste und das Internet aufmerksam machen. „Interessant waren die Reaktionen, die von Gleichgültigkeit in Bezug auf die Nutzung von Daten rasch umgeschlagen haben in: Moment mal, man darf die Leute nicht abhören“, erinnert sich Mehnert an das Projekt. Folge war unter anderem eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, die aber auf Kunstfreiheit verwies.

Die „Social Distance Stacks“ beschäftigen Mehnert weiter. So steht diese Woche ein Foto-Shooting mit dem Ensemble des Freiburger Theaters an. Auch das Stuttgarter Staatsballett wird er in den übergroßen Ballons fotografieren.

Mehnert, der sich in Bezug auf seinen künstlerischen Werdegang zurückhaltend gibt – „Das muss man öffentlich nicht so ausbreiten“ – schätzt an der Konzeptkunst, dass sie ihn nicht auf ein kreatives Feld begrenzt. „Hätte ich Malerei studiert, würde ich heute vielleicht ausschließlich malen“, sagt er. Der Konzeptkünstler ist bei aller Distanz auch fasziniert von den digitalen technischen Möglichkeiten. Auf die in Corona-Zeiten immer wieder diskutierte Frage, ob Kultur „systemrelevant“ ist, hat der Künstler eine klare Antwort: „Sie ist schillernd, sie ist wichtig, und sie ist sehr relevant.“  

Die Fotos von Mehnerts Kunstprojekt und ein Making-of-Video sind im Internet unter www.florianmehnert.de zu sehen.

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