Istein - Der Sirenenalarm Tag und Nacht im heimischen Kramatorsk liegt hinter ihnen: Nach fünf Tagen unterwegs und drei Nächten in Müllheim sind Larysa Zozuliak und ihre Tochter Angela Surmelova bei Familie Leifgen in Istein untergekommen.
Wie Mutter und Tochter aus der Ukraine ins Rebland kamen
Istein - Der Sirenenalarm Tag und Nacht im heimischen Kramatorsk liegt hinter ihnen: Nach fünf Tagen unterwegs und drei Nächten in Müllheim sind Larysa Zozuliak und ihre Tochter Angela Surmelova bei Familie Leifgen in Istein untergekommen.
Von Beatrice Ehrlich
Am Tor zum Hof von Peter Leifgen und Regina Jourdan-Leifgen stehen seit kurzem zwei neue Namen: Larysa Zozuliak und Angela Surmelova. Die 42-jährige Ukrainerin Zozuliak wohnt seit dem 14. April mit ihrer zehnjährigen Tochter in der Dachwohnung des Hauses am südlichen Ortseingang von Istein.
Am 7. April waren Zozuliak und ihre Tochter im ostukrainischen Kramatorsk in den Zug gestiegen – am gleichen Bahnhof, wo einen Tag später ein Bombeneinschlag 50 Todesopfer forderte. Ihr Ziel: Deutschland. In Müllheim lebt die Patentante ihres älteren Sohns, Yuliya Schmidt. Bei ihr, die außerdem noch zwei weiteren Familien in Istein hilft und Übersetzerdienste leistet, kam sie auch während der ersten Nächte unter.
Zurückgeblieben in der Ukraine sind Zozuliaks Eltern, ihr Mann und ihr Sohn Artur, der 19 Jahre alt ist. Zozuliak hat Tränen in den Augen, als sie diese Worte in das Handy ihrer Gastgeberin spricht, um sie ins Deutsche übersetzen zu lassen. Die Kommunikation findet ausschließlich über eine Übersetzungs-App statt, denn Zozuliak spricht kein Wort Deutsch.
Die Leifgens hatten in unserer Zeitung gelesen, dass Wohnraum für Geflüchtete aus der Ukraine gesucht wurde, und sich im Rathaus registrieren lassen. Es habe sich ergeben, so Peter Leifgen, dass die 44 Quadratmeter große Dachwohnung mit Küche und Bad gerade frei war.
„Herzzerreißend“ sei es gewesen, als Zozuliak und Angela mit zwei Tüten vor der Tür standen, sagt Leifgen-Jourdan. Die beiden hätten mitgenommen ausgesehen, anders als jetzt. „Unser absolutes Pfund ist unser Hund“, fügt sie hinzu. Feinfühlig und sanft hätte er sich den neuen Bewohnern genähert. Nach einem gemeinsamen Mittagessen und der Wohnungsbesichtigung habe man die beiden dann erst mal in Ruhe ankommen lassen.
Zozuliak sagt, sie und ihre Tochter hätten großes Glück: Mit nichts als Winterkleidern und Stiefeln seien sie gekommen und hätten hier alles bekommen. Jourdan-Leifgen bestätigt: Als sie schließlich wussten, wer kommen würde, brachten Nachbarn und Bekanntes alles, was gebraucht wurde, auch Einkaufsgutscheine, damit sich die beiden selbst Kleider aussuchen können. „Als wir erfahren haben, dass Angela ab dieser Woche in die Schule gehen darf, hat jemand einen Schulranzen und einen Müller-Gutschein gebracht“, berichtet sie.
Im Schulzentrum Efringen-Kirchen besucht Angela jetzt an vier Tagen in der Woche eine Vorbereitungsklasse mit etwa 15 Kindern. Dorthin fährt sie jeden Tag mit dem Bus. Nachmittags kommen oft Kinder aus der Nachbarschaft zum „Uno“ spielen. Einmal seien sogar zwölf Kinder dagewesen, berichten die Leifgens. Während Angela sich schon auf den nächsten Schultag freut, sind die Gedanken ihrer Mutter die meiste Zeit bei ihrer Familie in Kramatorsk. Die Entscheidung zur Flucht fiel, weil sie es nicht mehr ausgehalten habe: bei Tag und bei Nacht in den Keller zu gehen, wenn die Sirenen heulten, und das mit einem Kind. Jede Nacht sei sie zitternd vor Angst aufgewacht.
Dennoch will sie so bald wie möglich zurück: „Das ist mein Zuhause, da ist meine ganze Familie, die auf uns wartet“, sagt sie. Wenn sie gerade nicht mit Angehörigen telefoniert, geht sie spazieren oder kocht, sehr zur Freude von Peter Leifgen, der schon köstliche Suppe und Frikadellen probieren durfte, wie er berichtet.
Larysa Zozuliak will sich auf diesem Weg auch bei allen bedanken, die ihr während der fünftägigen Reise von der Ostukraine bis ins Rebland geholfen haben: Freiwillige, die uns gezeigt haben, welche Züge wir nehmen müssen, und wo man etwas essen kann. Jetzt hofft sie inständig auf Frieden. „Wir warten, es wäre lieber vorbei“, übersetzt die Software ungelenk.
Weitere Informationen:
Zusammen mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft möchte Laryza Zozuliaks Tochter Angela Surmelova einen Tanzkurs besuchen, so wie sie es auch zuhause in Kramatorsk gemacht hat. Dafür sucht sie noch Sponsoren, die die Kursgebühr von monatlich etwa 35 Euro übernehmen. Wer sich das vorstellen könnte, kann gern über uns mit der Familie Kontakt aufnehmen unter Tel. 07621/982022.