Efringen-Kirchen Existenzangst sitzt allen im Nacken

Weiler Zeitung

Landwirtschaft: Bauern besorgt über Volksbegehren „Rettet die Bienen“ / Gespräch mit Landespolitikern

Die Landwirte in der Regio haben Angst. Sollte das Volksbegehren von „Rettet die Bienen“ und der damit verbundene Gesetzesentwurf den Landtag passieren, sehen viele ihre Existenz bedroht. Die Bauern und Winzer fürchten durch stärkere Reglementierungen Einbußen bei der Ernte und den Verlust von Flächen. Hilfesuchend wandten sie sich nun an ihre Landtagsabgeordneten. Diese versprachen Unterstützung. Zugleich spielten sie den Ball aber auch an die Landwirte zurück.

Von Ingmar Lorenz

Efringen-Kirchen/Fischingen. „Es ist kein parlamentarisches Verfahren, sondern eines aus dem Volk“, erklärte Landtagsabgeordneter Patrick Rapp (CDU). Er war der Einladung zum Gespräch mit elf Landwirten und Direktvermarktern aus der Region in der Gärtnerei Hoch-Reinhard in Fischingen ebenso gefolgt wie die Abgeordneten Rainer Stickelberger (SPD) und Josha Frey (Grüne).

Das Volksbegehren von „Rettet die Bienen“ werde derzeit im Innenministerium auf seine Gesetzmäßigkeit überprüft. Sollte das Ministerium grünes Licht geben, müssten die Initiatoren 770 000 Unterschriften sammeln, bevor der Entwurf dem Landtag vorgelegt werden kann, erklärte Rapp das Verfahren.

Möglicherweise Volksentscheid

Ebenso wie Stickelberger gehe auch er davon aus, dass es für den Entwurf in dieser Form keine Mehrheit im Landtag geben würde. Wahrscheinlicher sei, dass das Gremium seinerseits einen Gegenentwurf vorlegt. Das würde bedeuten, dass es zum Volksentscheid kommt. Dabei müssten erneut 1,5 Millionen Unterschriften gesammelt werden.

Weil aufgrund dieses Prozederes zahlreiche Bürger beteiligt würden, sei es für die Landwirte von entscheidender Bedeutung, ihre Sichtweise der Dinge in der Öffentlichkeit darzustellen.

Den Gesetzesentwurf von „Rettet die Bienen“ sahen die Landtagsabgeordneten teils kritisch. „In vielen Punkten ist der Entwurf oberflächlich und unklar“, sagte Stickelberger, der ankündigte, dass er dem Entwurf in der vorliegenden Form nicht zustimmen werde. Ebenso Patrick Rapp.

Josha Frey betonte, dass der Entwurf zunächst von Expertenseite geprüft werden müsse, um die Vor- und Nachteile klar herauszustellen. Dass Bestrebungen für mehr Artenschutz grundsätzlich positiv zu sehen seien, war Konsens in der Runde. „Wir müssen uns aber klar machen, wo der Entwurf über das Ziel hinausschießt“, so Rapp.

Landwirten liegt Naturschutz am Herzen

Die Landwirte stellten diesbezüglich klar, dass auch ihnen der Naturschutz ein zentrales Anliegen ist. Man setze Pflanzenschutzmittel nur ein, wenn es absolut nötig sei. Nicht nur Bio-Bauern, sondern auch konventionelle Betriebe seien bemüht, Alternativen zu Pestiziden und Insektiziden zu finden, erklärte unter anderem Heinz Kaufmann vom Seebodenhof in Efringen-Kirchen. Er setze beispielsweise bei der Bekämpfung des Maiszünslers inzwischen auf den Einsatz der Schlupfwespe.

Auf die Pflege der Kulturlandschaft beim Weinbau wies Michael Lang aus Winterweiler hin, der auch die Moderation der Gesprächsrunde übernahm.

Ursula Bahlinger betonte das enge Miteinander mit den Imkern in ihrem Betrieb in Blansingen.

Andreas Schopferer stellte die Modernisierung seines Betriebs in Egringen vor, durch die der eigenen Strombedarf zu 80 Prozent gedeckt werde. Und Frank Krumm aus Binzen warf ein, dass viele Streuobstbestände ohne die Landwirte schlichtweg nicht mehr existieren würden.

Während des Gesprächs wurde deutlich, dass die Betriebe ebenso vielfältig sind wie die erzeugten Produkte selbst. Gerade diese Vielfalt sei ein Alleinstellungsmerkmal der Landwirtschaft in der Region, erklärte Gerda Müller vom Verein Direktvermarkter im Landkreis Lörrach, die das Gespräch zwischen Politikern und Landwirten organisiert hatte.

In dessen Verlauf zeigt sich deutlich, dass allen die Existenzangst im Nacken sitzt – egal ob Winzer, Obstbauer oder Milcherzeuger.

Angst vor negativen Auswirkungen

„Wir sind ratlos, wie es weitergehen soll“, brachte Michael Lang die Stimmung unter den Landwirten auf den Punkt.

Von einem befürchteten generellen Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten sei ein Großteil seiner Reben am Tüllinger betroffen, erklärte etwa Jürgen Müller aus Haltingen.

Kevin Brändlin aus Huttingen wies darauf hin, dass ein völliger Verzicht auf Pflanzenschutzmittel den Verkauf von Tafelkirschen so gut wie unmöglich machen würde. „Niemand kauft eine Kirsche mit Wurm – auch nicht, wenn sie ,Bio’ ist“, fand Brändlin deutliche Worte zum Konsumverhalten. „Wir würden für einen Markt produzieren, den es nicht gibt.“ Das wiederum führe zwangsläufig zu der paradoxen Situation, dass billigere Produkte, die nicht den Naturschutz-Anforderungen entsprechen, importiert und gekauft würden. Auch Ursula Bahlinger betonte: „Der Handel wird in diesem Fall nicht zu unseren Produkten stehen.“

Susanne Denzer versuchte die Situation so optimistisch wie möglich zu betrachten. Man habe bereits in der Vergangenheit immer wieder große Hürden überwunden. Allerdings konstatierte auch sie, dass es durch den Gesetzesentwurf künftig besonders beim Kirsch- und Spargelanbau schwierig werden könnte. „Wir würden einen Teil unserer Flächen verlieren. Das ist für mich Zwangsenteignung“, sagte Denzer.

Die Fremdbestimmung war auch Kaufmann ein Dorn im Auge: „Dass Leute über unsere Zukunft entscheiden, die keine Ahnung von unserer Arbeit haben, ist ein Unding.“

Öffentlichkeit über Konsequenzen informieren

Die Bürger über die Arbeitsweise der Landwirte zu informieren, sei nötig und könne ein möglicher Ausweg sein, erklärten die Landtagsabgeordneten. Ein Großteil der Bevölkerung führe sich nicht vor Augen, wie Lebensmittel produziert werden, sagte Rapp. „Die Leute sind weit weg von der Landwirtschaft.“ Auch Politiker seien davon nicht ausgenommen. Dem gelte es entgegenzusteuern. Entscheidend sei zudem, den Kunden vor Augen zu führen, was die Umsetzung des Gesetzesentwurfs aus Sicht der Landwirte für ihre Betriebe bedeuten würde. „Sie müssen selbst aktiv werden. Sprechen Sie ihre Kunden direkt an und drücken Sie jedem einen Flyer in die Hand“, appellierte Rapp an die Landwirte.

Gleiches empfahl Josha Frey: „Richten Sie Ihre Energie auf die Öffentlichkeitsarbeit und werden Sie noch konkreter.“

„Halten Sie mit Argumenten dagegen“, riet auch Stickelberger den Landwirten.

Verbände der Landwirte in der Pflicht

Sicher sei, dass BUND und Nabu den Entwurf öffentlichkeitswirksam unterstützen werden, erklärte Rapp. Deshalb seien zugleich auch die Verbände der Landwirte gefordert, ihre Energien zu bündeln.

Wie Frank Krumm und Abgeordneter Stickelberger gleichermaßen betonten, müsse man dabei auch die soziale Komponente ins Spiel bringen. Denn beliebte Veranstaltungen wie Weinfeste oder -touren könnten auf dem Spiel stehen.

Den Landwirten war indes klar, dass eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit nicht vom Himmel fällt. „Über den Gesetzesentwurf wird nicht im Landkreis Lörrach entschieden, sondern letzten Endes in den großen Städten“, warf Susanne Denzer ein. Dem pflichtete Gerda Müller bei. Umso mehr seien jedoch die Verbände gefordert, um die Kommunikation seitens der Landwirte abzustimmen.

Abschließend erklärte Michael Lang, dass zusätzliche Subventionen für die Landwirte aus seiner Sicht nicht der richtige Weg sein könnten. „Unsere Betriebe lohnen sich und unsere Konzepte greifen. Darauf sind wir stolz.“

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