Efringen-Kirchen „Ich bin eine Teamplayerin“

Siegfried Feuchter
 Foto: Redaktion05

Was macht eigentlich Marion Caspers-Merk?

Politik bestimmt ihr Leben. Marion Caspers-Merk, SPD-Bundestagsabgeordnete von 1990 bis 2009, Drogenbeauftragte der Bundesregierung und Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium in Berlin, engagiert sich auch nach dem Abschied aus der großen Politik in vielfältiger Weise.

Von Siegfried Feuchter

Efringen-Kirchen - Die 67-jährige Politikwissenschaftlerin, die seit mehr als 30 Jahren in Welmlingen lebt und für ihren politischen und ehrenamtlichen Einsatz unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, ist seit vielen Jahren und bis heute Dozentin für Gesundheitsmanagement an der Dualen Hochschule in Lörrach. Sie hält zudem zahlreiche Vorträge zur Gesundheitspolitik und – als ehemalige Geschäftsführerin der Toto-Lotto-Gesellschaft Baden-Württemberg – auch zum Thema Glücksspiel und Glücksspielregulierung. Die passionierte Politikerin, die auch acht Jahre Präsidentin des Kneipp-Bundes war, engagiert sich außerdem als Mitglied des Kreistags Lörrach, sie gehört dem Projektbeirat der Robert-Bosch-Stiftung und dem Kuratorium des Herzzentrums Bad Krozingen an. Auch leitet sie den Arbeitskreis „Stolpersteine“ in Efringen-Kirchen.

Was hat Sie als gebürtige Mannheimerin ins Markgräflerland verschlagen?

Bevor ich 1990 nach Welmlingen kam, lebte ich in March-Buchheim im Breisgau. Ich studierte in Freiburg Politikwissenschaft, Germanistik und Geschichte und war danach zunächst an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl tätig. Weil mir Politikwissenschaft allein zu theoretisch war, kandidierte ich für den Gemeinderat in March. Mit 25 Jahren und als jüngstes Ratsmitglied zog ich in das Kommunalparlament ein. Zehn Jahre gehörte ich dem Gemeinderat an. Das war eine wichtige Erfahrung und der Einstieg für meine weitere politische Karriere. Zudem war ich im Breisgau-Hochschwarzwald Kreisvorsitzende der Frauenorganisation Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF). In dieser Zeit entstanden die Kontakte zum Kreis Lörrach.

Und was führte Sie dann nach Welmlingen?

Als ich für den Bundestag im Wahlkreis Lörrach-Müllheim kandidierte, zog ich noch während des Wahlkampfs nach Welmlingen. Bei einem so großen Wahlkreis, der von Staufen bis nach Schwörstadt reicht, war klar, dass ich umziehen musste.

Und offensichtlich fühlen Sie sich in dem Efringen-Kirchener Ortsteil wohl.

Ja, mein Mann und ich fühlen uns seit 32 Jahren hier sehr wohl. Wir haben eine nette Nachbarschaft.

Wie sind Sie in jungen Jahren zur SPD gekommen?

1972 trat ich mit 16 Jahren in die Partei ein. Bei der SPD hatte ich mich mit meinen sozialen Anliegen am besten aufgehoben gefühlt. Die Sozialdemokraten hatten an unserer Schule in der Arbeiterstadt Mannheim, wo ich stellvertretende Schulsprecherin war, um junge, aktive Leute geworben.

19 Jahre gehörten Sie dem Bundestag an. Höhepunkt war sicher die Zeit als Parlamentarische Staatssekretärin bei der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen politischen Weggefährten?

Sehr gute sogar. Vor allem zu Ulla Schmidt, mit der ich befreundet bin. Es gibt auch einen Verein der ehemaligen Abgeordneten aller Parteien, damit man sich nicht aus den Augen verliert. Diese Kontakte pflege ich, schließlich habe ich einen Großteil meines Berufslebens zuerst in Bonn und dann ab 1998 in Berlin zugebracht.

Altkanzler Gerhard Schröder steht seit Kriegsausbruch in der Ukraine mit seiner Freundschaft zu Putin verstärkt auch innerhalb der SPD in der Kritik. Wie stehen Sie dazu?

Eines vorweg: Gerhard Schröder, der seine Verdienste hat, wollte mit Russland stabile Verhältnisse erreichen. Wandel durch Annäherung hieß das politische Konzept. Im Übrigen pflegte auch Frau Merkel Kontakte zu Russland. Aus heutiger Sicht kann man aber niemandem einen Vorwurf machen. Hinterher ist man immer klüger. Alle haben ihr Scherflein zur Energieabhängigkeit beigetragen. Was Gerhard Schröder betrifft: Er stellt seine wirtschaftlichen Interessen über die aktuelle politische Lage und beschädigt damit sein politisches Erbe.

Was war in Ihrer politischen Laufbahn das prägendste Ereignis?

Der Umzug von Bonn nach Berlin war eine besondere Herausforderung wie auch meine Berufung zur Staatssekretärin im Gesundheitsministerium. Ulla Schmidt hatte mich morgens um 5 Uhr angerufen und gefragt, ob ich diese Aufgabe übernehmen würde. Da ich Umweltpolitikerin war, wollte ich mich zuerst in die Materie gründlich einarbeiten. Deshalb wurde ich erst Drogenbeauftragte und damit Teil des Gesundheitsministeriums. Ich war dadurch bei den Besprechungen dabei und bin in das Thema hineingewachsen. Nach der Wahl 2002 wurde ich dann Staatssekretärin.

Haben Sie den Wechsel von der Umwelt- zur Gesundheitspolitik nie bereut?

Nein, das war spannend, aber auch ein schwieriger Job. Denn zum Thema Gesundheit, bei dem es immer um viel Geld geht, kann doch jeder in irgendeiner Form mitreden. Das ist wie beim Fußball. Als Staatssekretärin konnte ich gestalten und Ideen einbringen. Aber man geht durch schweres Wasser. Wie sagte Norbert Blüm von der CDU einmal: „Das ist wie Freischwimmen im Haifischbecken“. Ich musste viel Vermittlungsarbeit leisten. Doch ich bin eine Teamplayerin und kann gut moderieren. Letztlich muss man Kompromisslinien finden und im entscheidenden Moment seine Politik durchsetzen.

Es gibt ein Leben nach der Politik. Sie waren fünf Jahre bis 2017 Geschäftsführerin der Staatlichen Toto-Lotto-Gesellschaft Baden-Württemberg und wurden bei Ihrer Verabschiedung als „starke Stimme im Deutschen Lotto“ gewürdigt. Dennoch: War das nicht ein Widerspruch zu Ihrer früheren Aufgabe als Drogenbeauftragte?

Das wurde ich schon oft gefragt. Nein, ich bin meiner Linie immer treu geblieben. Als Geschäftsführerin war ich für 200 Mitarbeiter verantwortlich. Zu meiner Zeit wurde der Umsatz um 100 Millionen Euro gesteigert. Dadurch wurden mehr finanzielle Spielräume zur Unterstützung von Sport, Soziales und Kultur erreicht. Die Hälfte der Spieleinnahmen fließt in soziale Projekte. Akzente habe ich bei dieser Tätigkeit gesetzt, indem ich die Digitalisierung voranbrachte, einen Lotto-Museumspreis einführte oder in Zusammenarbeit mit der Schöpflin-Stiftung ein Konzept zum Thema Spielschutz entwickelte. Auch habe ich einen Beirat zur Prävention eingesetzt.

Die Politik lässt Sie bis heute nicht los: Als Kreisrätin sind sie zu ihren Wurzeln zurückgekehrt, zur Kommunalpolitik.

Ja. Kreispolitik ist ein wichtiges Scharnier zwischen Kommunen und Land, wenn ich nur an das Thema Nahverkehr im ländlichen Raum denke.

Wenn man sich Ihre Vita anschaut, dann waren und sind Sie noch in vielältiger Weise aktiv. Bleibt da Zeit für Hobbys?

Jetzt schon mehr als früher. Ich bin ein absoluter Krimifan und lese gerne Thriller. Gartenarbeit macht mir auch Spaß, und ich reise gerne - vor allem nach Italien.

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