Efringen-Kirchen Musikerinnen begeistern

Jürgen Scharf
In seinem neuen Programm stellte das Duo Kermani-Gentili in der „Alten Schule“ Efringen-Kirchen außergewöhnliche Werke von Komponistinnen vor. Foto: Jürgen Scharf

Das Duo Kermani-Gentili hat bei den Kammerkonzerten Efringen-Kirchen Musik von Komponistinnen und Zeitgenössisches aufgeführt.

Zwei Mal 30 Sekunden moderne Musik - das ist einem Kammermusikpublikum schon zuzumuten. Dasjenige in Efringen-Kirchen ist, wie man am Sonntag im nicht ganz gefüllten Saal der Alten Schule erfahren konnte, für ein Hörabenteuer durchaus aufgeschlossen.

Die italienische Pianistin Alba Gentili-Tedeschi und die Klarinettistin Kymia Kermani brechen in ihrem Programm „Invocation“ eine Lanze für die Komponistinnen, die es in ihrer Zeit schwer hatten oder gar vergessen wurden. Diesen kämpferischen Frauen an der vordersten Notenfront einer Männerwelt wollen die beiden Musikerinnen mehr Gehör verschaffen.

Komponistinnen wie Clemence de Grandval, die zu den berühmtesten Tonschöpferinnen ihrer Zeit in Paris gehörte, wurden „aus der Musikgeschichte immer weggeschrieben“, wie das engagierte Musikerinnenduo bedauert, das sein Programm auch moderierte.

Ein zeitgenössisches Werk von Ursula Mamlok, deren Familie sich in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zur Flucht ins südamerikanische Exil entschied, liegt Kermani und Gentili besonders am Herzen: „Rückblick“ ist eine Erinnerung an die Ausnahmesituation dieses Tages, den Mamlok als 14-Jährige erlebte.

Die Komposition ist nicht leicht anzuhören. Es sind zwar sehr kurze Stücke, wie der schon erwähnte erste Satz mit 30 Sekunden Musik, aber die Elegie oder das Lamento, in dem die Instrumente technisch an die Grenzen kommen, haben hohe Intensität und klingen sehr konzentriert im Ausdruck des Schmerzes.

Es ist eine Musik des Schocks, bei der die Interpretinnen nicht mehr nach der Balance zwischen ihren Instrumenten suchen, wie bei Kammermusik sonst üblich, sondern in die Extreme gehen. Denn die Komponistin fordert ungewöhnliche dynamische Vorschriften. Die Dramaturgie der starken Kontraste gelang dem Duo bestens.

„Bilder aus Norwegen“

Bei diesen bemerkenswerten Komponistinnen-Porträts hörte man noch zwei stimmungsvolle „Bilder aus Norwegen“ von Ida Gotkowsky, eindrückliche Landschaftsimpressionen in einer heutigen, aber zugänglichen Tonsprache. Nicht fehlen durfte Mél Bonis, zu ihrer Zeit sehr berühmt, mit drei Solo-Klavierstücken aus der Sammlung „Pittoreske und poetische Stücke“:

Miniaturen zwischen Flötenseufzer, Regentropfen und Sonnenuntergang, die Alba Gentili-Tedeschi an einem gut klingenden Leihflügel spielte, weil der hauseigene Steinway derzeit generalüberholt wird.

Kombiniert waren diese Werke mit fünf voller Verve, farbiger Gestaltung und Bravour gespielten, höchst virtuosen „Dance Preludes“ des Polen Witold Lutoslawski, einem Klassiker der Moderne, sowie mit der Fantasie „Blicke der Kindheit“ des Grenzacher Komponisten Willi Vogl, der gern selber eine Einführung gegeben hätte, jedoch erkrankt war. Aber schließlich sind Kermani und Gentili die Widmungsträgerinnen und Uraufführungsinterpretinnen und können sozusagen aus erster Hand etwas über die Stücke verbal und musikalisch mitteilen.

Breit gefächerte Dynamik

Ihnen gelingt eine adäquate Interpretation, Vogls neue Klangwelten erschließen sich gut. Die Pianistin hält im ersten Satz („Schaukelpferd“) die Bewegung am Laufen; man kann sich das Schaukeln den ganzen Satz über durch vorstellen, egal was für Melodien die Klarinettistin darüber spielt. Da die Dynamik der Musikerinnen weit gefächert ist, gehen sie subtil, mit dreifachem Pianissimo, durch das zweite Stück („Eisblumenbeet“), damit das Eis nicht unter ihnen bricht.

Überhaupt zeigen die beiden Künstlerinnen an diesem Nachmittag ein luzides Spiel mit Clarté und Eleganz, besonders im französischen Programm bei der frechen Klarinettensonate von Francis Poulenc, wo sie den Komponisten beim Wort nehmen. Ihr Spiel hat Präzision und Klarheit, schönste Klangfarben, auch die nötige Melancholie in der Romanze und furioses Temperament im wilden Schlusssatz – und alles mit einer geschliffenen Technik.

Das war intelligente Kurzweil, von der sich die beiden Musikerinnen und das Publikum angesteckt zeigten. Erstmals seit drei Jahren schloss sich wieder an das Konzert ein gemeinsamer Hock bei Wein, Brot und Käse im Museumskeller an.

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