Efringen-Kirchen Schmuck der Tochter übler Piraten?

Weiler Zeitung
So könnte sie ausgesehen haben, die Fibel von der Nordseeküste, deren Reste 1902 auf der Britsche gefunden wurden. Ausgeknobelt vom Museum Efringen-Kirchen, ausgeführt von Isabell Kollmer, Lahr. Foto: Weiler Zeitung

Ausgrabungen: Was Bronzebrösel von der Britsche bei Efringen-Kirchen erzählen können

Eine sehr alte ehemalige Hauptstraße führte bei den heutigen Efringen-Kirchener Britschenhöfen entlang. Römische und germanische Funde weisen weit in die Vergangenheit – und auf die Tochter übler Piraten?

Von Maren Siegmann

Efringen-Kirchen. Herbst 1902. Zwei Männer – Hermann Daur und Ernst Schultz aus Lörrach – sind auf einem frisch gepflügten Acker dicht beim Gasthaus „Rösslin“ auf der Britsche bei Efringen unterwegs. Wohl zum Behufe der Kunst, denn Daur hat gerade sein Kunststudium in Karlsruhe beendet und wird sich 1906 in Ötlingen niederlassen. Ein bunter Fleck im Braun des Bodens – Funde werden gemacht.

Was Bronzebrösel erzählen können

So (oder ähnlich) fangen in der Archäologie viele Geschichten an. Die Funde werden daheim säuberlich in eine Zigarrenkiste gelegt. Irgendwann räumt irgendwer auf, und das Kästchen mit seinem Inhalt wandert in den Müll. Nicht in unserem Fall, Gott sei Dank!

Beide Finder haben später ihr „eigenes“ Museum (Daur in Kandern, Schultz in Lörrach). 1937 kommen die Stücke nach Lörrach – Schultz gibt sie dem Präparator, der informiert den Heimatpfleger Kuhn, dieser wird aktiv, dann misstrauisch, dann beruhigt, wieder aktiv und meldet den Fund 1938 den Behörden.

Eine Zeichnung wird gemacht, das Gedächtnis des Finders ausgequetscht, die Fundstelle besichtigt, ein Bericht geschrieben. „Im umgepflügten Ackerfeld“, berichtet Schultz, hätten sie zerstreut umhergelegen. Auch Ziegelbrocken hätten dabei gelegen. Bericht und Zeichnung sind noch da, die Stücke selber aber sind verschollen.

Eine große Perle war dabei, gerippt wie eine Melone, wohl leuchtend türkis. Eine verzierte Pinzette aus Bronze. Die Nadel einer Brosche (Archäologen nennen das „Fibel“ von lateinisch „fibula“). Schmuck und Kleiderverschluss zugleich – wie unsäglich öde sind dagegen Knöpfe oder gar Reißverschlüsse! Noch eine Fibelnadel und der beschädigte Rest der Fibel selbst.

„Fibel wohl aus Duhnen/Westerwanna“ lautet eine Randnotiz von Kuhn. Und weiter „Finder: Daur!!“. Die Ausrufezeichen haben ihren Grund. Hermann Daur war seit 1895 oft in Duhnen zu finden und hat dort die Frau seines Lebens kennengelernt.

Frau aus dem Norden

Aber, nein, die Stücke sind nicht in einer Zigarrenkiste mit dem Dampfzug nach Efringen gelangt, sondern früher. Viel früher. Die Fibel wurde um oder kurz nach 400 n. Chr. gefertigt und kam als Accessoire nach Efringen. An der zugehörigen Frau. Einer Frau, die im Elb-Weser-Dreieck geboren und aufgewachsen war. Warum es sie nach Efringen verschlagen hat, wissen wir nicht, auch sonst ist nichts über sie bekannt. War sie auf der Durchreise und hat hier den Schmuck aus ihrer Heimat verloren? Oder, (und das ist wahrscheinlicher) ist sie hier gestorben, und die Fundstücke stammen aus ihrem spurlos zerstörten Grab? Vor einigen Jahren fanden sich auf dem gleichen Acker Tonscherben aus der gleichen Zeit – im späten 4. und frühen 5. Jahrhundert haben hier Leute gelebt und auch mal Geschirr zerschlagen.

Auch andere machten auf dem Acker Funde – schon 1898 übergab der Efringer Kaufmann Däublin römische Ton- und Glasscherben an Forstpraktikant Dr. Barth. „Ein kreuzweiser Einschnitt, den wir im Boden herstellen ließen, legte Mauerwerk bloß, bestehend aus Wacken, Kalkstein und dem dort seltenen Buntsandstein. Ein Mörtel, dem kleine Ziegelstücke beigemengt waren, fand sich vor.“

Ausgrabungen

Die Mauerreste sind römisch, die meisten Funde ebenso. Ein Gebäude mit Fußbodenheizung und Fensterscheiben aus Glas hatte dort gestanden. Vielleicht ein besonders luxuriöses Haupthaus eines römischen Gutsbetriebs, wahrscheinlich aber ein Badehaus. Für den Römer unabdingbar: kein Gutshof, keine Straßenstation, kein Militärlager ohne eigene Therme!

Badehäuser brauchten viel Wasser und hatten deshalb entweder eine Wasserleitung oder eine eigene sprudelnde Quelle. Das machte sie für „barbarische“ Neusiedler im 4. und frühen 5. Jahrhundert interessant, die mit ihren Familien und ein paar Kühen eine neue Heimat suchten.

Diese Leute stammten meist aus dem nordöstlichen Deutschland, aus Polen, aus Böhmen. Sie lassen sich in kleinen Gruppen nieder, betreiben Landwirtschaft oder ließen sich vom römischen Staat als Soldaten anwerben. Andere führten auch Krieg gegen Rom. Römische Siegestrophäen nannten sie „Alamannen“.

Unsere Zugereiste kam aber aus einer ganz anderen Gegend. Auch die Leute dort waren Rom bekannt: üble Piraten seien sie, die „Saxones“. (Die Sachsen von heute haben mit diesen Sachsen nichts zu tun.) Auch Sachsen dienten im römischen Heer, waren in Nordfrankreich stationiert.

„Gleicharmige Fibel Frühform Westerwanna“ – Archäologen benennen gerne nach Fundorten, auch unsere Fibel. Häufig fand man sie in Frauengräbern.

Jede Fibel ist anders – wir kennen die Inspirationsquelle für diesen Schmuck, sehen, was der Handwerkerkünstler ausprobiert hat, und wissen, wo die Kreativität noch hinführen sollte. Am Ende der Entwicklung stehen prächtige Hingucker aus vergoldetem Silber, aufwendig verziert. Diese „gegossenen gleicharmigen Kerbschnittfibeln“ werden im mittleren 5. Jahrhundert zwischen Elbe, Weser und Nordsee getragen. Und in Großbritannien. England wird neue Heimat für Angeln aus Schleswig-Holstein, Sachsen und dänische Jüten.

Gutshof oder Straßenstation auf der Britsche?

War auf der Britsche ein Gutshof oder eine Straßenstation? Zerstörtes Grab, verlorener Schmuck? Sonniger Südhang auf bestem Boden mit herrlicher Aussicht – das spräche für den Gutshof. Für die Straßenstation dagegen, dass der Acker neben einer nachweislich sehr alten ehemaligen Hauptstraße liegt. Wir wissen es nicht, leider, und werden es wohl auch niemals erfahren.

Unsere kleine Gruppe verschwindet schnell im Dunkel der Geschichte.

Lange kein Lebenszeichen

Nicht nur hier, sondern in allen Ortschaften von Efringen-Kirchen fehlen Funde des späten 5., des 6. und des frühen 7. Jahrhunderts – kein Schmuck, keine Waffe, keine Perle, keine Scherbe, nichts. Erst ab etwa 650 n. Chr. werden hier wieder Dinge verloren oder in Gräber gelegt.

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