Efringen-Kirchen Vortrag über berührende Schicksale

Roswitha Frey
Axel Huettner, Pfarrer im Ruhestand (links), wies die Besuchergruppe auf Besonderheiten der jüdischen Begräbniskultur und der Grabsteine hin. Foto: zVg

Rundgang: Führung mit Axel Huettner auf dem jüdischen Friedhof. Weiterer Termin am 18. Juli.

Efringen-Kirchen - Ein Ort der Stille und Nachdenklichkeit, an dem Erinnerungen an jüdische Schicksale bewahrt werden, das ist der jüdische Friedhof in Efringen-Kirchen. Eindrücklich war der Rundgang jüngst unter der Leitung von Axel Huettner. Für alle, die den Termin verpasst haben, gibt es am 18. Juli einen weiteren Rundgang mit Huettner.

Die Begräbnisstätte war 1865 außerhalb der Siedlung angelegt worden, zuvor waren jüdische Mitbürger in Lörrach beigesetzt worden. 1937 fand in Kirchen das letzte Begräbnis statt. Huettner, Pfarrer im Ruhestand und Autor eines Buches über die jüdische Gemeinde Kirchen, erläuterte den Teilnehmern vieles zur jüdischen Friedhofskultur, den Bräuchen, Riten und Vorschriften. Dazu gehört, dass Männer den Friedhof nur mit Kopfbedeckung betreten dürfen. Huettner hatte dafür eigens einen Korb mit Kopfbedeckungen mitgebracht.

Beim Verlassen des Friedhofs musste man sich rituell reinigen, das heißt, die Hände waschen. So stand vor dem Eingang ein Tisch mit einem Wasserkrug für die Besucher bereit. Auch wurde der Toten gedacht, mit einem jüdischen Totengebet an dem kleinen Denkmal.

Viele Fragen zur Friedhofskultur

An verschiedenen Gräbern übersetzte Huettner die hebräischen Inschriften und erläuterte Bezüge zum Talmud und zur Bibel.

Sehr anschaulich und kundig beantwortete er die vielen Fragen, die gestellt wurden. Eine davon lautete: Warum gibt es keine Blumen auf dem jüdischen Friedhof? Warum legt man Steine auf den Grabstein oder die Umfriedung? Wie Huettner berichtete, gibt es eine talmudische Stelle, in der es heißt, auf einem Friedhof oder auf einem Gottesacker hat eigentlich nur der Tote das Recht, dort zu sein, und an den Blumen würden sich nur die Lebenden freuen. Alles, was auf dem Friedhof ist, solle zum Gedächtnis des Toten gehört, aber nicht zum äußeren Schmuck.

Keine jüdische Gemeinde mehr vor Ort

Huettner sprach auch darüber, dass Juden so gut wie nie oder höchst selten auf den Friedhof gehen. Für ihn hatte das damit zu tun, dass vor Ort keine jüdische Gemeinde mehr ist, in der dritten und vierten Generation die Familienmitglieder in der ganzen Welt verstreut sind.

Gestaltung der Grabsteine änderte sich

Huettner wies auch auf den Wandel der Grabsteine hin. Früher sei die Form der Stele, die halbkreisförmige antike Form des Denkmals, auf den jüdischen Friedhöfen die einzig mögliche gewesen. Man konnte anhand der Grabsteine erkennen, dass es auf dem alten Friedhof in Kirchen in den ersten 20 Jahren mit den antiken Formen der Stele angefangen hat. Dies hat sich, wie Huettner erklärte, im Lauf der Zeit geändert. Es seien große Steinmonumente entstanden mit deutschen Inschriften.

Man sieht, wie die Grabmäler immer größer werden, wie die Ornamentik reicher wird, der Jugendstil Einzug hält.

Berührende Geschichten

Huettner berichtete vor einigen Grabstätten auch über die bewegenden Lebenswege der dort Begrabenen. Auf dem Grab eines früheren Beschneiders, der sein Amt noch mit 70 Jahren ausübte, sind auf dem Fries Gegenstände dargestellt, die er benutzt hat, ein Messer, das Buch, in das die Beschneidungen eingetragen wurden, und ein Gefäß mit Wein, der zum Desinfizieren verwendet wurde.

Sehr berührend sind die Inschriften am Kindergrab der kleinen Rebekka, die mit zwei Jahren verstorben ist, drei Monate nach dem Tod ihrer Mutter. Der Vater hat eine bewegende Grabinschrift auf hebräisch verfassen lassen. Ein anderes Grab einer 14-fachen Mutter wurde mit einer schönen Skulptur eines Blumengebindes verziert.

Auch die Stammeszugehörigkeit der Israeliten schlage sich in der Gestaltung der Grabsteine nieder, wie Huettner erklärte. Wenn jemand ein Levit war, ist das Levitengefäß abgebildet, eine Kanne oder pokalartige Schale, die darauf hin deutet, dass die Leviten im Tempeldienst dafür zuständig waren, den Priestern vor ihrem Dienst die Hände zu waschen.

Anschließender Rundgang durchs Dorf

Dem Besuch des Friedhofs schloss sich ein Ortsrundgang durch das Dorf an. Huettner machte vor einigen Häusern Halt, in denen früher Juden gelebt hatten, etwa Veist Bloch oder die Familie Olesheimer-Bräunlin. Besucher fragten nach ihren Lebenswegen. Huettner erzählte anhand einiger ausgewählter Biografien von tragischen Lebensgeschichten, von Verfolgung, Flucht ins Exil, Deportation und Tod in den Konzentrationslagern. Auch den Platz der früheren Landsynagoge suchten die Besucher auf. Ebenso verweilte die Gruppe am Standort der ehemaligen jüdischen Wirtschaft „Zur Linde“, die koschere Speisen anbot und 1900 ihren Betrieb einstellen musste.

Weitere Informationen: Eine weitere Führung über den jüdischen Friedhof in Efringen-Kirchen mit Axel Huettner gibt es am Donnerstag, 18. Juli, 16.30 Uhr. Der Verein für Heimatgeschichte und Volkskunde Weil am Rhein lädt dazu ein.

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