Eimeldingen Zeugnisse von Erfindergeist

Weiler Zeitung
Der Eimeldinger Frieder Spohn sammelt und restauriert alte Turmuhren aus industriell gegossenem Eisen. Foto: Jasmin Soltani Foto: Weiler Zeitung

Von Jasmin Soltani

Eine vielschichtige Klangwelt empfängt den Besucher, wenn Frieder Spohn aus Eimeldingen seine 25 historischen mechanischen Turmuhren, eine nach der anderen, in Gang setzt. Jede ist eine Besonderheit, jedes Laufwerk hat seine eigene Klangfarbe.

Eimeldingen. Jeder, der „auf die Uhr schaut“, egal ob auf die Armbanduhr, aufs Handy, auf eine Rathaus- oder Kirchturmuhr, blickt doch nur auf ein wie auch immer geartetes Ziffernblatt. Was aber steckt dahinter, was misst wirklich die Zeit? Dieser Frage wollte Spohn nachgehen, als er begann, Uhren zu sammeln und ihr Inneres zu begreifen. Zuerst waren es Taschen- und Armbanduhren, dann wurde er auf Turmuhren aufmerksam. „Die haben mich sofort begeistert.“ Das war vor zwölf Jahren.

Seither sammelt Spohn mechanische Turmuhren, nicht die uralten, aus geschmiedetem Eisen, wie sie bis gegen 1850 üblich und stets Unikate waren, sondern solche aus industriell gegossenem Metall. Prachtexemplare gehören zur Sammlung, wie eine 1887 erbaute französische Uhr von Paul Odobey aus Morez im Jura. Als zierliche und „leise Wohnzimmeruhr“ dient eine von der Firma F. A. Beyes Ende des 19. Jahrhunderts gebaute Uhr. Sie hat nicht, wie andere Turmuhren, ein vollwertiges Kontrollzifferblatt, sondern wohl aus Kostengründen nur eine Minutenstellscheibe.

Ein teures und aufwändiges Hobby ist das Sammeln und Restaurieren von Turmuhren, besonders dann, wenn man auf ein schon lange begehrtes Exemplar mit einer technischen Besonderheit stößt und sie kaufen will.

Spohn ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie, die einen Fachkreis für Turmuhren hat. Bei jährlich stattfindenden Symposien werden dort Erfahrungen ausgetauscht. Beim Revitalisieren der alten Schätze kommt dem Sammler zudem der Erfahrungsschatz als gelernter Industrie-Mechaniker zugute. „Ich kann vieles selber restaurieren.“

Spohn kann auch detailreich und spannend von der Entwicklung der mechanischen Uhrwerke berichten: Von den ersten, wahrscheinlich in Klöstern erfundenen und noch sehr ungenauen Schlaguhren, die nur die Stunden schlugen. Oder von den ab 1350 nachweisbaren Exemplaren an Kirchtürmen – als Schlaguhren und Ein-Zeiger-Uhren, wie die heute noch am Freiburger Münster vorhandene Uhr. Und von der Einführung der Minutenzeiger Mitte des 17. Jahrhunderts bis hin zu den vielen Raffinessen, die Tüftler und Uhrmacher erfanden, um die Zeit immer genauer messen zu können.

Viele Entwicklungsschritte kann er anhand der Exemplare seiner liebevoll gepflegten Sammlung demonstrieren, etwa an der Uhr von Ludwig Hainz aus Prag, Baujahr 1903: Wie das Laufwerk die Zeiger antreibt, die Schlossscheibe bei den Schlagwerken die Zahl der Viertelstunden- und Stundenschläge auf die Glocke steuert, wie Stiftenhemmer das „Tick-Tack“ der Uhren erzeugen und für gleichmäßigen Antrieb des Pendels, des eigentlichen Zeitmessers, sorgen.

Eine kleine Uhr von Benedikt Schneider aus Schonach aus dem Jahr 1920 hat bereits eine Welle mit angebautem Elektromotor. Zum Aufziehen der Uhr können die Gewichte wahlweise per Handkurbel oder elektrisch hochgezogen werden.

Die seit 1862 bestehende Ulmer Firma Philipp Hörz war seinerzeit die einzige, die wusste, wie man Pendel über Rollen- oder Wippengang weitgehend frei schwingen lassen konnte. Über sein 1889er Exemplar Nr. 602, das im Rathaus von St. Blasien eingebaut wurde, hat Spohn noch einen Katalog, in dem der örtliche Uhrmachermeister Baumgärtner zitiert wird. „Die Uhr geht genau, schlägt laut und schön. Die Einwohner von St. Blasien sind aufs Beste zufrieden.“

Stolz ist Spohn auch auf eine zarte Uhr aus dem Jahr 1906, die vom Münchener „Turmuhrenpapst“ Johann Mannhardt stammt. Dessen Uhren galten als die damals genauesten – etwa indem er möglichst wenige Wellen verwendete, so dass es weniger Lager gab, die geschmiert werden mussten. Denn das damals minderwertige Schmieröl verharzte schnell.

Neben Raritäten lassen sich bei Spohn auch ein Werk des größten deutschen Turmuhrenmachers Johann Friedrich Weule aus Bockenem bewundern und eine Denison-Hemmung, wie sie erstmals beim Big Ben in London genutzt wurde.

Für Spohn sind die mechanischen Turmuhren, die in den 1950er Jahren nach und nach verschwanden und durch elektrische ersetzt wurden, ein erhaltenswertes Kulturgut und Zeugnisse von Erfindergeist und hoher Handwerkskunst. Ob geschmiedet oder industriell gegossen, sind sie zudem stets fein verziert, obwohl sie doch niemand sah – abgesehen vom Uhrmacher, vom Kustos oder Hausmeister, der die Uhren aufziehen oder nachstellen musste. „Hut ab, da waren ganz tolle Handwerker am Werk“, lässt sich Spohn immer wieder begeistern.

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