Eimeldingen Zwei Schicksale, die bewegen

Saskia Scherer

Migration: Veranstaltungsreihe macht Station in Eimeldingen. Frauen erzählen ihre Geschichten.

Eimeldingen - Eine lebt seit 42 Jahren in Deutschland, die andere seit drei: Die Geschichten von Melahat Aygüner-Ulec und Shaza Samra sind ganz unterschiedlich – und ähneln sich doch. Nun erzählten beide davon, wie sie ihre Heimat verlassen haben und angekommen sind.

„Helfen ja und richtig auch“ heißt eine Veranstaltungsreihe im vorderen Kandertal. Unter dem Titel „Von da bin ich gegangen und hier nun angekommen“ ging es in der Reblandhalle in Eimeldingen um Erlebnisse zur Migration jenseits der Migrationsströme. „Das ist ein Thema, das alle Kommunen in der Region beschäftigt“, war sich Bürgermeister Oliver Friebolin sicher. Er konnte unter anderem engagierte Bürger aus verschiedenen Helferkreisen begrüßen. „Das ist eine tolle Sache“, lobte er. In Eimeldingen werde dieser sehr gut angenommen.

Vor dem Krieg aus Syrien geflüchtet

Vor drei Jahren ist Shaza Samra aus Syrien geflüchtet – wegen des Kriegs. „Das Leben in Damaskus war gut“, erzählte sie. Es sei eine schöne, offene Stadt gewesen. „Wir hatten alle Freiheiten.“ Christen, Muslime und Juden lebten zusammen. Es gab keine Probleme – bis der Krieg kam. „Das war schlimm.“

Und ihr erster Eindruck von Deutschland? „Wie ein Kinderbild“, meint die Syrerin. Irgendwann werde es aber auch ein bisschen langweilig, sagte Samra mit einem Augenzwinkern. Damaskus sei immer in Bewegung – dafür aber auch chaotisch. Deutschland sei sauber, die Busse würden pünktlich fahren – bei dieser Bemerkung ging ein Schmunzeln durch die Reihen – „und es gibt Regen“. Durchgehend Strom und fließend Wasser zu haben bezeichnete sie als Luxus. „Auf den Straßen ist kein Militär und meine Tasche wird nicht auf Waffen kontrolliert.“

Mittlerweile fange sie an, sich an das Leben hier zu gewöhnen „und es auch zu lieben“. Zwar spüre sie auch Sehnsucht: „Wenn ich morgens die Augen aufschlage, hoffe ich immer noch, dass alles nur ein Albtraum war.“ Aber sie dachte sich, sie müsse ankommen und die deutsche Sprache lernen. „Das ist mein Schlüssel zum Leben hier.“

Ihre Kinder lernten sehr schnell Deutsch, was sie toll findet. Ihnen zuliebe will sie auch auf jeden Fall in Deutschland bleiben. „Sie sind in Sicherheit, das ist das Wichtigste.“ Samras Eltern blieben in Syrien. Sie waren einst aus Palästina geflüchtet und wollten nicht noch eine Heimat verlassen – obwohl ihr Haus zerstört wurde.

Die 46-Jährige arbeitete in Syrien als Rechtsanwältin. „Das war mein Traumberuf.“ In Deutschland sei es jedoch sehr schwierig, die Zeugnisse anerkennen zu lassen. „Ich will aber etwas tun und gerne mit Menschen arbeiten, zum Beispiel selbst Flüchtlinge begleiten.“ Derzeit engagiert sie sich ehrenamtlich, versucht aber, einen Job zu finden.

Deutschland ist „frei, sauber und schön“

Melahat Aygüner-Ulec ist in einem kleinen Fischerdorf in der Türkei aufgewachsen. „Meine Mutter sorgte dafür, dass ich jede Woche ein Buch las“, erzählte sie. Als sie 15 war, durften Frauen keine Hose tragen, erinnerte sie sich. „Ich habe mich dann aber durchgesetzt.“ Auch den Führerschein wollte sie gerne machen. Dazu habe ihre Muter aber gemeint, das könne sie dem Vater nicht antun. „Mittlerweile habe ich ihn“, erzählte die Türkin froh.

Ihr erster Mann war Gastarbeiter in Deutschland, so kam sie hierher. „Mein erster Eindruck war, wie frei, sauber und schön hier alles ist“, erzählte sie. Als sie später wieder einmal in die Türkei kam, habe dort alles alt auf sie gewirkt. „Die Stadt war ganz anders geworden.“

In Deutschland habe sie sich sofort ein Sprachbuch besorgt. „Aber ich habe trotzdem nichts verstanden, wegen des Dialekts“, lachte sie. Also verlegte sie sich aufs aufmerksame Zuhören. Was sie vermisste, war, dass keiner in der kleinen Gruppe von Migranten im Ort gewusst habe, „was so los ist“. „Wir waren gewohnt, dass sich Neuigkeiten von Mund zu Mund verbreiten – das war schwierig“, erinnerte sie sich. Deshalb sei es wichtig, sich zu informieren, findet sie auch heute noch.

Die 61-Jährige, die in zweiter Ehe verheiratet ist, hat sechs Töchter. Alle studieren oder machen Abitur, erzählte sie stolz. Sie selbst hat mit 40 Jahren ein Fernstudium der Sozialen Arbeit absolviert, arbeitet in diesem Bereich und ist glücklich.

Beilagen

Umfrage

1.000 Tage Ukraine-Krieg

Was halten Sie von dem Vorstoß, dass europäische Länder Militär in die Ukraine schicken, um das Land im Verteidigungskampf gegen Russland zu unterstützen.

Ergebnis anzeigen
loading