Erinnerungskultur Lörrach Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus

Kristoff Meller

Mahnwache zur Pogromnacht auf dem Alten Marktplatz mit Gedenkworten, Gebeten und Musik

Lörrach - Rund 70 Menschen haben am Dienstagabend auf dem Neuen Markt ein Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus gesetzt. Die Stadt gedachte mit der Gedenkveranstaltung der Opfer der Novemberpogrome der Nationalsozialisten 1938.

„Die Aufgabe des Staates ist es, für die Unversehrtheit aller Bürger zu sorgen, das Nazi-Regime hat diese auf schändlichste Art verletzt“, betonte Oberbürgermeister Jörg Lutz in seiner Ansprache. Danach schlug er den Bogen in die Gegenwart: „Der allergrößte Teil der Stadtgesellschaft ist tolerant.“ Die Verwaltung fördere diese Haltung durch Aktionen wie die Verlegung der Stolpersteine, den Tag der Demokratie oder die Teilnahme an den Wochen gegen Rassismus. Gleichwohl sei die heutige Gesellschaft gespalten und ein Teil sei „offen oder latent antisemitisch“.

Entschuldigung für „schlechte Erfahrungen“

Lutz dankte der Israelitischen Kultusgemeinde für das „gute Miteinander“ und entschuldigte sich gleichzeitig dafür, dass ein Teil der jüdischen Mitbürger „schlechte Erfahrungen“ im Alltag gemacht habe. Gegen diejenigen, die antisemitische Gewalt ausüben, müsse „mit aller Schärfe des Gesetzes“ eingeschritten werden.

Landesrabbiner Moshe Flomenmann freute sich über die zahlreichen Teilnehmer und bat die Bürger, „nicht wegzuschauen“, sondern gemeinsam gegen Antisemitismus zu agieren, „damit wir nicht noch mehr Gedenktage brauchen“. Anschließend sprach Flomenmann ein Gebet für alle, die zwischen 1933 und 1945 ermordet wurden.

„Alter Hass leider noch immer lebendig“

„Die Mahnwache ist eine gute Tradition, aber auch eine absolute Notwendigkeit“, fasste Pfarrer Michael Hoffmann, Sprecher der Gruppe Abraham, zusammen. Denn der „alte Hass“ gegenüber Juden sei „leider noch immer lebendig“. Hoffmann erklärte: „Für alle, die hier eine neue Heimat finden dürfen, sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, die geltenden Werte und die Geschichte anzuerkennen.“ Zumal das Judentum „die ältere Schwester des Christentums“ sei.

David Glenn umrahmte die Mahnwache mit der Klarinette, im Anschluss wurden an der Stele für die ehemalige Synagoge in der Teichstraße zahlreiche Kerzen abgelegt.

Repressionen und Deportation

1933, im Jahr der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, gab es in der Lerchenstadt laut der Israelitischen Kultusgemeinde 162 jüdische Einwohner. Repressionen und wirtschaftlicher Boykott bewog in den Folgejahren einen größeren Teil zur Auswanderung, die sich ab 1936 noch verstärkte.

Insgesamt waren laut der Gemeinde bis 1938 etwa 100 Juden abgewandert und die meisten jüdischen Geschäfte liquidiert beziehungsweise „arisiert“ worden. Weiter heißt es auf der Homepage der Gemeinde: „Am 10. November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge von SA-Angehörigen und NSDAP-Sympathisanten – darunter auch der Leiter und Bedienstete des Städtischen Werkhofes – mit Äxten zerstört, die Friedhöfe verwüstet und die jüdischen Männer für einige Wochen im KZ Dachau festgesetzt.“

Am 22. Oktober 1940 wurden bekanntlich schließlich etwa 50 jüdische Personen aus Lörrach nach Gurs deportiert. Erhalten gebliebene Fotoaufnahmen dokumentieren die Deportation. Nur eine einzige „in Mischehe“ verheiratete Jüdin blieb zurück. Mindestens 52 Angehörige der jüdischen Gemeinde aus Lörrach wurden Opfer der „Endlösung“.

Info: Lörracher Synagoge

Die erste Lörracher Synagoge stand seit 1808 in der Synagogengasse am heutigen Neuen Marktplatz. In den frühen Stunden des 10. November 1938 wurde sie von den Nationalsozialisten zerstört. Die Pogromnacht war der sichtbare und schreckliche Auftakt für den Völkermord der Nationalsozialisten. Die heutige Synagoge wurde am 9. November 2008 eingeweiht. (Quelle: Stadt Lörrach)

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