Florian Schroeder im Burghof Die Fallstricke der Glückssuche

Tonio Paßlick
Der Kabarettist Florian Schroeder unterhielt die Besucher im Burghof mit seinem neuen Programm zum Thema „Endlich Glücklich“. Dabei wandelte er souverän auf dem schmalen Grat zwischen Persiflage und Ernsthaftigkeit. Foto: Tonio Paßlick

„Für die falschen Dinge kann man gute Gründe haben“: in einer „Welt der Doppelbotschaften“ wird die Orientierung ganz schön komplex, beobachtet der Kabarettist Florian Schroeder in seinem neuen Programm im ausverkauften Lörracher Burghof.

Die aktuellen Strömungen auf politischer und vor allem gesellschaftlicher Ebene dienen dem Bühnenkünstler als Steilvorlage. Fast drei Stunden lang fesselt Schroeder ein fasziniertes Publikum mit seinen satirischen Tiraden, tiefsinnigen Analysen, verblüffenden Persiflagen und saftigen Provokationen.

Wenn die Wahnsinnigen Angst und Schrecken verbreiten, wenn die Apokalypse dreimal täglich kommt, dann seien Mutmacher gefragt, wurde der Abend angekündigt. „Endlich Glücklich“ ist aber kein Credo, sondern eine zutiefst beunruhigende Diagnose, erfährt das Publikum im zweiten Teil des Abends, als man am eigenen Leib gespürt hat, wie willfährig man den Anweisungen des Glücks-Coaches auf der Bühne gefolgt ist. Und seinen unbekannten Nachbarn als Schönheit bezeichnet oder die Mantras der Glücks- und Heilsversprecher im Chor nachgesprochen hat.

Glücklichsein als Herausforderung

Das neue Programm spiegelt die Erkenntnis wider, dass wir in einer Zeit leben, die von Negativität durchzogen ist, zersetzt von Dystopien und apokalyptischen Vorstellungen. Schroeder spürt dem Zusammenhang zwischen dieser apokalyptischen Grundstimmung und der Besessenheit nach Glück nach, die viele Menschen unnötig ins Unglück führe. Denn Glücklichsein sei die größte, vielleicht letzte Herausforderung, die in einer Zeit bleibt, in der sich alle überbieten im Motzen, Meckern, Schreien, Pöbeln und Stänkern. Vor allem hierzulande, wie Schroeder lustvoll satirisch an vielen Beispielen ausführt. Schroeder prangert dabei die Manipulationen der Menschen durch die Glücksindustrie an, die Verdummung durch Social-Media-Influencer, aber auch die Uniformitätszwänge elitärer Milieus. Und die statistisch belegten Vorhersagefehler vermeintlicher Glücksentscheidungen. Die Mantras der Selbstermächtigung werden im Rosenkranz des Bühnenfotos sinnbildlich dargestellt und sehr witzig karikiert mit der Aussicht auf „Glückwurst“, „Glückshoodies“ und „Glückskekse“ mit der Aufschrift „Opfer!“, die anschließend erworben werden könnten.

Doppelbödige Persiflage und feines Beobachten

Auf einem schmalen Grat zwischen doppelbödiger Persiflage und dokumentierender Ernsthaftigkeit breitet er die Funde seiner globalen Glückssuche im ersten Teil aus: Beschreibt die Wirkungen der Glückshormone Dopamin, Adrenalin und Morphium, je nach Altersstufe, den Glücksminister in Bhutan oder den Erfolg Finnlands beim World Happiness Report, obwohl er Helsinki im Regen als Duisburg des Nordens erlebte.

Er stellt den Unterschied zwischen „Glücks-Ich“ und „Opfer-Ich“ dar, rast mit satirischem Eifer durch Themen wie Rassismus, Liebe und „Age’ism“ und nimmt sich in kalkulierter Selbstironie immer wieder selber auf den Arm. Nein, keine Witze auf Kosten des Alters, schließlich ist der Saal zu zwei Dritteln mit Boomern besetzt. Und mit Schalk in den Augen: „Ich bin schöner, schlauer – und bescheidener.“ Er diagnostiziert Autismus und ADHS bei sich selbst und hat dafür freie Fahrt beim Austeilen.

Satire darf alles. Anscheinend auch Grenzüberschreitungen. So wird Florian Silbereisen als „widerlichste Hackfresse Deutschlands“ bezeichnet, in der Politik Merz und Klingbeil als „arrogante Drecksäcke“, Weidel als „widerliches Monstrum“. Und Waldorf-Schulen als Paradies der geistig Unbeteiligten.

Immer wieder gibt es Szenen-Applaus bei der stimmlich, gestisch und satirisch wunderbaren Persiflage der Gespräche im persönlichen Umfeld auf dem Prenzlauer Berg: mit Lehrer Timo und der woken Sara, dem türkischen AfD-Wähler Haschim und jeder Menge subtiler Klischees, die vom Ernährungskult übergehen in Erziehungsfragen und die Sicht auf Emanzipation und queere Identitäten.

Sprache wird aufs Korn genommen

Ohne Unverträglichkeit kannst du heute nicht mehr aus dem Haus gehen. Gluten- und sugarfree sei „intelligence-free“. „Nicht roh, sondern raw“, parodiert Schroeder spitzfindig sprachliche Uniformitäten. Man könne sich auch zum Glück zwingen. Mit aufgepfropftem Charity-Zwang. Aber: Mitleid kann so erbarmungslos sein. Und in einer toleranten Gesellschaft trage jeder seine Intoleranz wie eine Monstranz vor sich her.

Scharfsinnig, scharf und subtil zugleich ist Schroeders Humor. Er verschont weder sich noch andere. Auch nicht das Publikum, dessen Antworten er spontan und scharfzüngig kontert. Am Ende steht nicht nur eine Botschaft, aber jeder hat kapiert: Das vollendete Glück wäre ein solcher Dopaminrausch, dass wir das gar nicht aushalten würden. Und wie Florian Schroeder in einem Interview relativierte: „Glück sind für mich sehr seltene Momente, in denen ich das Gefühl habe, vollkommen mit mir selbst im Einklang zu sein.“

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