Flüchtlinge in Lörrach Politik positioniert sich für Unterkunft in Stetten – muss aber noch warten

Marco Fraune
In Stetten soll eine Gemeinschaftsunterkunft für maximal 150 Flüchtlinge entstehen – der angrenzende Bolzplatz bleibt aber nutzbar, so der Plan. Foto: Bernhard Konrad

Die Bürgerfragen reichten im Hauptausschuss von der Artikulation von Ängsten bis zur tatkräftigen Unterstützung der neuen Nachbarn in Stetten. Der neue und nicht der alte Gemeinderat soll laut Regierungspräsidium entscheiden.

Die geplante Flüchtlingsunterkunft in Stetten Süd hat im Hauptausschuss abermals die unterschiedlichen Auffassungen in der Stadtgesellschaft vor Augen geführt. Die Neuigkeit in dieser Causa überbrachte Oberbürgermeister Jörg Lutz, der auf eine „Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Freiburg“ verwies, nach der nun nicht mehr der alte sondern der neue Gemeinderat über die Ansiedlung entscheiden soll. Die Rechtsaufsichtsbehörde folgte der Ansicht von Kritikern aus Lörrach, die angesichts der jüngsten Kommunalwahl den neuen Gemeinderat am Zug sehen.

Gleichzeitig wird die Ansicht der Lörracher Stadtspitze geteilt, dass eine Eilbedürftigkeit besteht. Wie berichtet, soll daher der neue Rat im Anschluss zum konstituierenden Sitzungsteil am 23. Juli abstimmen. Damit kommt es dazu, dass zwar die politischen Vertreter des alten Gemeinderats im Ausschuss für Umwelt und Technik in der vergangenen Woche und im Hauptausschuss am Dienstagabend vorberaten haben, doch der neue Gemeinderat die Entscheidung fällt.

Bedenken aus der Bürgerfragestunden äußerte explizit Birger Bär angesichts dieser Konstellation. Selbst künftig gemeinsam mit seiner Frau für die „Bürger für Lörrach“ im neuen Ratsrund sitzend, bat er den OB darum, nicht „überhastet“ die Entscheidung herbeizuführen. Lutz verwies hingegen auf die Ausführungen in der Gemeindeordnung, mit der das Vorgehen der Vorberatung mit dem alten Gremium und einer Entscheidung durch das neue gedeckt sei.

Die Grundstücke

Wie emotional das Thema Flüchtlingsunterkunft in Stetten weiter besetzt ist, wurde zu Beginn der Hauptausschusssitzung deutlich. So wies der OB direkt darauf hin, dass zuvor verteilte Flugblätter nicht ausgelegt werden dürften. „Das Gremium soll neutral entscheiden.“

Kritische Nachfragen von Anwohnern gab es speziell hinsichtlich anderer Alternativen – wie am Salzert. Alle Grundstücke seien hinsichtlich der Größe, der Verfügbarkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Verteilung im Stadtgebiet geprüft worden. Lutz: „Es gibt kein anderes Grundstück, was den Kriterien entspricht.“ Ein Grundstück Ob der Gass würde laut OB das Doppelte des Richtpreises kosten, bei einem Grundstück am Salzert gehe es um die Verfügbarkeit. Es werde im Auge behalten, da noch weitere Grundstücke benötigt würden. Hintergrund ist, dass der Landkreis und die Stadt Lörrach gesetzlich in der Pflicht stehen, jährlich ihnen zugewiesene geflüchtete Menschen aufzunehmen. Aufgrund der hohen Anzahl sei es erforderlich, vor Ort zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen.

Die Stimmung

Über das Stimmungsbild in Stetten gab es in den Äußerungen von Anwohnern aus dem Stadtteil unterschiedliche Schilderungen. „Es wäre schön, wenn in Stetten der Frieden zurückkehrt“, hieß es. Eine Anwohnerin sagte hingegen: „Die Stimmung in Stetten ist ausgesprochen positiv.“ Die verteilten Flyer in den Briefkästen seien hingegen eine „Zumutung“, es mache Anwohner wütend. Man wolle keine Angstmache oder Ausgrenzung. Wenn Menschen ihre Ängste äußern, sei dies noch keine Angstmache, hieß es von Seiten eines anderen Bürgers. Die Entscheidung für den Standort sei schon lange gefallen, damit sei die Diskussion eine „Farce“ und eine „Scheinprüfung“ erfolge. Ein weiterer Bürger verwies darauf, dass eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen über das gesamte Stadtgebiet wichtig sei – nicht nur im Norden. Dort gebe es bisher friedliche und auch mit Konflikten versehene Nachbarschaften – wie bei deutschen Nachbarschaften auch.

Der Naturschutz

Inwiefern naturschutzrechtliche Aspekte, insbesondere der Artenschutz, schon geprüft wurden, war ebenso Thema. Hier ist laut Fachbereichsleiter Gerd Haasis die Untere Naturschutzbehörde zuständig. Noch liege kein abschließendes Ergebnis vor. Doch laut OB gebe es keine Hinweise, dass den Unterkunft-Plänen ein Strich durch die Rechnung gemacht wird. „Der Bergmolch kann nie im Leben hier sein.“

Gesetzliche Verpflichtung

Die Befürchtungen und Ängste der Bürger würden ernst genommen, versicherte Margarete Kurfeß (Grüne), mit den Sorgen werde sich auseinandergesetzt. Gleichzeitig bemerkt die Fraktionsvorsitzende, dass die Solidarität in der Stadt lebendig ist. Hinsichtlich des Austauschs in der Nachbarschaft ist sie zuversichtlich, auch der Sportverein werde unterstützen. „Politisch und menschlich sehr befremdlich“ sei, dass mit einem versuchten Kauf des Grundstücks durch Anwohner die Unterkunft verhindert werden sollte.

Die Unterbringung sei eine gesetzliche Aufgabe, damit weiterhin eine Herausforderung für Bund, Land, Landkreis und Kommunen, erklärte Günter Schlecht (SPD). „Wir verstehen die Sorgen der Nachbarschaft, doch wir haben einige Erfahrungen gesammelt“, setzt er auf ein weiterhin gutes Miteinander. „Die bisherige Erfahrung zeigt, dass es funktioniert.“ Ein Anwohnerbeirat sei dabei wichtig. Ähnlich äußerte sich auch Ulrike Krämer (CDU). „Der gesetzlichen Verpflichtung müssen wir uns stellen.“ Die CDU werde auch der Unterkunft in Stetten zustimmen. Dass auch der alte Gemeinderat noch entscheiden könnte, findet Silke Herzog (FW). „Wir können das ganz gut bewerten.“

Kritik an „Intransparenz“

Kritische Töne in Richtung Rathaus-Spitze äußerte Bernhard Escher, der von einer „Intransparenz“ sprach. „Die Ängste wurden nicht ernst genommen.“ Außerdem sei der Platz sehr eng bemessen an der Unterkunft. Jörg Müller (FW) meinte: „Wir haben uns nicht mit Ruhm bekleckert.“ Denn die Bürger aus Stetten hätten sich eigeninitiativ engagiert. „Wir haben sie nicht ins Boot geholt. So macht man Vertrauen in demokratische Prozesse kaputt.“ Die Vorwürfe wies OB Lutz hingegen zurück. Anfänglich sei es aber durchaus „suboptimal“ gelaufen, was er schon eingeräumt habe.

Eine Beschlussempfehlung für den neuen Gemeinderat wurde durch den OB im Hauptausschuss aber nicht mehr herbeigeführt.

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