Forscher und Musiker In Eichsel erklingen Minnesang und mittelalterliche Tänze

Jürgen Scharf
Für vorzügliche Interpretationen mittelalterlicher Musik sorgten der Grenzacher Lautenist Marc Lewon und der Basler Fidelspieler Baptist Romain. Foto: Jürgen Scharf

Der Grenzacher Alte-Musik-Spezialist Marc Lewon und sein Mitspieler Baptiste Romain boten beim Eichsler Silvesterkonzert einen farbenprächtigen Querschnitt durch die faszinierende Musik des Mittelalters. Das Silvesterkonzert in der Eichsler Galluskirche war ein richtiges Mittelalter-Brevier.

Lebendige Musik des Mittelalters und der Frührenaissance brachte Marc Lewon, der seit 2007 in Grenzach-Wyhlen lebende Alte-Musik-Spezialist, Lautenist, Musikwissenschaftler und Professor an der Schola Cantorum Basiliensis in Basel, zum Jahreswechsel in die Eichsler Kirche.

Er und sein Mitspieler, der Fidel- und Sackpfeifenspieler Baptiste Romain aus Basel, präsentierten dem zahlreichen Publikum eine zeitlich weit entfernte Epoche näher. Da haben das Organisationskomitee und die Ortsverwaltung wieder einen Glücksgriff getan und zwei Spezialisten für diese frühe Musik mit internationalem Renommee verpflichtet.

Forscher und Lehrer

Der Grenzacher „Spielmann“ Lewon lehrt nicht nur, er forscht auch, transkribiert alte Handschriften, rekonstruiert Instrumente, die man heute nicht mehr kennt, ist nah an den alten Quellen, vor allem der schwierigen virtuosen Musik des 14. Jahrhunderts.

Was hörte man Besonderes an diesem Abend? Einen bunten Blumenstrauß von Melodien aus dem Mittelalter, Instrumentales, Minnesang, Tänze, weltliche und geistliche Lieder, etwa vom Großmeister der deutschen Lieddichtung, Oswald von Wolkenstein, das Stück „Ich klag, ich klag“, das aber ohne Text überliefert ist. Auch die Kunst der Troubadours aus Frankreich fand Eingang in dieses exklusive Programm, darunter der berühmteste, der Dichter-Komponist Guillaume de Machaut, mit seiner hochentwickelten „Ars Nova“.

Von Kreuzzug berichtet

Neben dem schönen Troubadour-Gesang stand vor allem die frühe Musik von Neidhart, dem Minnesänger des 13. Jahrhundert, im Zentrum. Lewon sorgte für eine lebendige Neidhart-Tradition und kümmerte sich um die Überlieferungen. Mit markanter Stimme sang er das vielstrophige Lied „Do man den gumpel gampel sank“ des Minnesängers, in dem dieser vom sechsten Kreuzzug unter Kaiser Friedrich II. berichtet und sich nach diesem kriegerischen Zug sehnlichst nach Hause wünscht.

Danach ging es mit einer Reise in die musikalische Frührenaissance weiter, für die bedeutende Komponisten wie der Chanson-Komponist Guillaume Dufay oder Johannes Ciconia stehen. Das alles klang unter den Händen der beiden kenntnisreichen Spielleute überhaupt nicht akademisch, nicht blutleer, war keine trockene Rekonstruktion, sondern wirklich nachgelebtes Mittelalter.

Bei Lewon, der neben der Laute des späten 15. Jahrhunderts, die mit Feder-Plektren gespielt wird, auch die Quinterne, die kleine Schwester der Laute, und als große Besonderheit eine rekonstruierte karolingische Cythara verwendet und diese auch als Stützinstrumente für seinen klangreinen Gesang einsetzt, klang diese längst vergangene Zeit faszinierend, farbig, frisch und unmittelbar.

Fidel und Sackpfeifen

Das galt auch für seinen Partner Baptiste Romain, der verschiedene Fideln, eine mit Bogen gestrichene Leier und verschiedene lautstark den Kirchenraum füllende Sackpfeifen aus Frankreich vorstellte. Beide Mittelalter-Experten nutzten bei ihrem Rekurs auf diese Klangwelt den Freiraum zum Improvisieren, den die Stücke ihnen bieten. Ihre Gesangsweise wirkte flüssig, prägnant artikuliert und war im Gesanglichen sehr direkt, in der Instrumentalbehandlung feinfühlig und differenziert. Ihre Wiedergaben der Lieder und Instrumentalstücke waren vielfarbig und natürlich im Ausdruck.

Die Künstler erläuterten auch das Programm, denn diese Klangwelt ist den meisten Zuhörern doch fern. Aber Lewon und Romain machten sie für das Publikum erlebbar. Schön, dass sich dieser Musiker aus Grenzach, der in der frühen Musik einen großen Namen hat, mit so viel Hingabe und Engagement und so fantasievoll für die Wiederbelebung der mittelalterlichen Musik einsetzt.

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