Fünf Jahre Coronavirus „Das erste Jahr war das schlimmste“

Alexandra Günzschel
Ein Bild weckt Erinnerungen: Gerade in der Anfangszeit der Corona-Pandemie vor fünf Jahren war vieles um den neuartigen Krankheitserreger unklar. Chefarzt Tilman Humpl von den Kliniken des Landkreises Lörrach blickt auf fünf Jahre Corona zurück. Foto: Archiv

Im Frühjahr vor fünf Jahren waren die Ungewissheit und Verunsicherung groß: Ein neues Virus hatte sich von China aus auf der ganzen Welt ausgebreitet und bereits für viele Todesfälle gesorgt.

Ganz vorne standen die Kliniken auf der ganzen Welt. Von heute auf morgen musste sich das medizinische Personal auf die Bekämpfung einer neuen Virus-Erkrankung einstellen. SARS-CoV-2 wurde der Erreger von Covid-19 in Anlehnung an das verwandte SARS-Virus genannt. Die Corona-Pandemie hatte begonnen.

Über die besonderen Herausforderungen, denen die Krankenhäuser im Allgemeinen und die Kliniken im Landkreis Lörrach im Besonderen plötzlich gegenüberstanden, berichtet im Gespräch mit unserer Zeitung Professor Dr. Tilman Humpl, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin der Kliniken im Landkreis.

Herr Humpl, wie gut waren die Krankenhäuser auf eine Pandemie vorbereitet, als im Frühjahr 2020 allmählich klar wurde, dass sich das Coronavirus bereits weltweit ausgebreitet hat?

Im Kreis, im Land und auf der ganzen Welt waren die Krankenhäuser völlig überrascht von der neuen Infektionskrankheit und kaum vorbereitet. Das fing schon bei der Diagnostik an. Das Infektionsgeschehen war schon fortgeschritten und die Tests dafür mussten erst entwickelt werden. Auch wussten wir damals nicht, ab welchem Zeitpunkt eine erkrankte Person infektiös ist. Zwar wurden die ersten Tests dann schnell entwickelt, standen aber noch nicht in der Masse zur Verfügung, in der sie eigentlich gebraucht worden wären.

Vor welche Herausforderungen hat diese schwierige Situation das medizinische Fachpersonal in den Krankenhäusern gestellt?

Zunächst einmal gab es auch viele krankheitsbedingte Ausfälle beim Personal. Ich habe das schon einmal vor 20 Jahren bei dem SARS-Ausbruch als Arzt in Toronto in Kanada erlebt. Auch damals sind die Angestellten reihenweise ausgefallen und teilweise sogar gestorben. Todesfälle unter dem Klinikpersonal gab es meines Wissens im Landkreis Lörrach nicht, schwere Krankheitsverläufe mit einer Long-Covid-Problematik allerdings schon. Eine Mitarbeiterin konnte aufgrund von Gelenkschmerzen in den Fingern über ein Jahr lang keine Tastatur benutzen.

Auch wurde es zunehmend schwieriger, mit den begrenzten Ressourcen umzugehen. Zahlreiche Patienten wurden immer kränker und die Intensivbetten zunehmend knapper. Da stellte sich mitunter die Frage: Wer bekommt jetzt das Bett? Das Unfallopfer oder der Covid-Patient? Hinzu kamen die üblichen dringenden Fälle, beispielsweise Patienten mit Brustschmerzen oder Krebserkrankungen. Die Schweiz hat in dieser Zeit sehr bald keine Patienten aus Deutschland mehr aufgenommen. Dort gab es von vornherein weniger Intensivbetten.

Tilman Humpl Foto: Kliniken des Landkreises Lörrach

Wie sind Sie diese Probleme angegangen?

Damals gab es noch vier Klinikstandorte im Landkreis, die gut zusammengearbeitet haben. Schnell hatten wir eine Task Force zusammengestellt und das Management in den ersten Monaten immer wieder angepasst. Dabei kam auch die Überlegung auf, Standorte primär für Corona-Patienten auszuweisen. In Teilen wurde dies auch umgesetzt. Die Infizierten kamen nach Lörrach und nach Schopfheim.

Was war aus Ihrer Sicht die schlimmste Zeit?

Wie auf der ganzen Welt war das auch für die Kreiskliniken das erste Jahr mit den Ausgangssperren. Auch das Besuchermanagement war schwierig. Die Kliniken waren dicht und Angehörige konnten die Patienten nicht mehr besuchen.

Hier im Dreiländereck kam noch erschwerend hinzu, dass Kollegen, die in der Schweiz wohnten, zunehmend Schwierigkeiten bekamen beim täglichen Grenzübertritt. Da gab es teilweise abstruse Geschichten, wer die Grenze noch überqueren durfte und wer nicht.

Was hätte sonst im Rückblick noch besser laufen können?

Das Land war auf eine infektiöse Problematik in diesem Ausmaß nicht vorbereitet. Die vielen Maßgaben aus den übergeordneten und lokalen Gesundheitsämtern stellten eine gewisse Überforderung dar, die auch in den Klinikalltag mit hineinspielte. Da gab es zum Beispiel Vorschriften, wie viele Personen gleichzeitig in einem Raum sein dürfen. Es wurden zwar Teams-Meetings etabliert, was jedoch auch nicht gleich auf Anhieb reibungslos funktioniert hat.

Es gab Phasen, in denen drohten die Masken knapp zu werden. Insbesondere nachdem vom einfachen Mund-Nasen-Schutz auf FFP2-Masken umgestellt wurde.

Ab wann ist wieder ein wenig Normalität eingekehrt in den Klinikbetrieb?

Das war eine langsame Entwicklung. Im Jahr 2022 fing es an, wieder ein wenig normaler zu werden. So richtig vorbei war es aber erst, als Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Pandemie im Frühjahr 2023 für beendet erklärte.

Wenn so etwas jetzt noch einmal passieren würde: Denken Sie, die Kreiskliniken wären in einem solchen Fall besser auf eine Pandemie vorbereitet?

Was die Testungen angeht, sind wir nun besser aufgestellt. Es wurden PCR-Maschinen angeschafft, die Testungen vor Ort ermöglichen. Das gilt auch für andere Erreger. Dadurch wüssten wir schneller, ob ein Patient infiziert ist und isoliert werden muss. Die Tests geben auch Aufschluss darüber, wie lange jemand ansteckend ist.

Einiges wurde auch beibehalten aus der Corona-Zeit: Bei entsprechenden Symptomen testen wir die Patienten immer noch routinemäßig auf Covid oder Influenza. Auch wird weiterhin auf das Arbeiten mit Schutzausrüstung Wert gelegt.

Zur Person

Gesprächspartner
Professor Tilman Humpl ist Ärztlicher Direktor der Kliniken des Landkreises Lörrach und Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin. Bevor der gebürtige Mainzer im April 2021 nach Lörrach kam, war er als Chefarzt an der Universitätsklinik für Kinderheilkunde des Inselspitals Bern (Schweiz) tätig und dort für die Bereiche Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin verantwortlich. Außerdem bringt er langjährige Führungserfahrung aus klinischer Tätigkeit in Toronto / Kanada mit. Humpl ist durch zahlreiche Publikationen und Buchbeiträge wissenschaftlich ausgewiesen und sowohl in nationalen als auch internationalen Fachgesellschaften aktiv.

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