Fußball Außer Spesen ist nichts gewesen

Michael Hundt

Fußball Weltmeisterschaft 2022 in Katar: Die Macht war wieder einmal nicht mit der DFB-Auswahl

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist abermals deutlich hinter den Erwartungen zurück geblieben – auch hinter den selbst gesetzten. Bei der WM in Katar schied sie nach durchwachsenen – mal starken, mal unverständlich schwachen – Leistungen zu recht nach der Vorrunde aus: Das ist der Tenor der von uns befragten Experten.

Von Michael Hundt

Lörrach. In den 50er Jahren hatte die CDU mit Konrad Adenauer eine Bundestagswahl mit dem Slogan „Keine Experimente“ gewonnen, holte damit 1957 sogar die absolute Mehrheit. Ein Novum seinerzeit – und bisher nie wieder erreicht. Mit dieser Devise wäre Bundestrainer Hans-Dieter Flick auch gut beraten gewesen. Denn auch gegen Costa Rica schickte er eine neue Startelf auf den Rasen.

Torchancen gab es mit der Flügelzange David Sturm und Joshua Kimmich en Masse. Nur die Tore wollten zunächst wieder nicht fallen. Zwar ging die DFB-Elf in Führung, bauten dann den Gegner durch eigene individuelle Fehler wieder auf. Costa Rica drehte die Partie, ging sogar in Führung. Erst die Hereinnahme von Kai Havertz und Niclas Füllkrug sorgte für eine erneute Wendung, die am Ausscheiden aber nichts mehr änderte. Der 4:2-Sieg über Costa Rica zählt nur noch für die Statistik.

Statt die Fehler in einer mangelhaften Arbeit des Stabes und der Trainer zu suchen, versucht man nun den Schwarzen Peter dem Spiel Japan gegen Spanien zu zuschieben. Von Fehlentscheidungen der Schiedsrichter-Crew oder einem Nichtangriffspakt zwischen den beiden Mannschaften ist die Rede. Ein Kooperationsabkommen zwischen dem spanischen und dem japanischen Fußballverbandes, das vor dem Spiel publik wurde, befeuert diese Theorie.

Nach dem WM-Aus haben wir unseren Experten folgende Fragen gestellt: Ist Deutschland zurecht bei der WM ausgeschieden? Was hat das Aus für Folgen? Was muss nun passieren? Gibt es trotzdem Gewinner in der deutschen Mannschaft?

Tobias Jehle, Sportlicher Leiter FV Lörrach-Brombach: „Ja, weil es gegen Japan schon insgesamt zu wenig war. Das Spiel wurde viel zu schön geredet. Gegen Spanien war es eine gute Leistung. Beim Spiel gegen Costa Rica war es keine gute Leistung.

Beim DFB wird das Aus wahrscheinlich nicht viele Folgen haben. Ich würde zumindest Mal die Position von Oliver Bierhoff hinterfragen. Flick ist erst ein gutes Jahr im Amt und wird mit Sicherheit noch eine Chance bekommen. Aber ich denke, dass das Management rund um die Nationalmannschaft hinterfragt werden muss. Es ist da Zeit für einen Neuanfang.

Wahrscheinlich sagen all wieder, dass der Musiala gestern super war. Das sehe ich nicht so. Natürlich hat er wieder gezeigt, was er so drauf hat. Bei allen Dribblings in den Strafraum, muss man auch sehen, was dabei herumgekommen ist. Aber man darf dem jungen Mann auch keinen Vorwurf machen. Er ist ein talentierter Spieler und ein ganz junger Mann. Da darf man nicht erwarten, dass er gleich das ganze Turnier bestimmt.“

Robert Hoffmann, Cheftrainer EHC Freiburg: „Ja, ich glaube schon. Man hat es vielleicht nicht gerade gestern verspielt, aber das Spiel gegen Japan war wohl entscheidend. Am Ende hast du nicht genug Punkte, dann bist du zurecht ausgeschieden.

Das mit den Folgen ist schwer sagen. Was ich persönlich merkwürdig fand, dass die Verantwortung, die jeder Spieler eigentlich übernehmen sollte, bei dem 19-jährigen Jamal Musiala lag. Der hat alles übernehmen müssen. Ich glaube, dass das so ein Kernproblem der Mannschaft war. Jeder hat sich auf den anderen verlassen. Ich glaube, es muss passieren, dass nicht mehr ein einzelner Spieler die WM allein entscheidet, sondern, dass du alle in der Verantwortung brauchst. Diese Verantwortung zu übernehmen und Leader zu sein, das ist das, was der Mannschaft gefehlt hat.

Schwer zu sagen, ob es Gewinner gibt. Vom Aufwand her ist es vielleicht Musiala, der immer noch weiter gemacht hat. Wenn man das so bezeichnen will, dann ist er ein Gewinner. Oder auch Niclas Füllkrug, der seine Tore gemacht hat. Aber grundsätzlich will von denen auch keiner Gewinner sein.“

Ralf Brombacher, Verbandsschiedsrichter-Obmann des Südbadischen Fußball-Verbandes: „Grundsätzlich betrachtet ist Deutschland zurecht ausgeschieden. Wenn man nur eins von drei Gruppenspielen gewinnt, dann muss man damit rechnen, dass man nach Hause fährt – obwohl das natürlich gestern in Ordnung war. Man konnte ja auch nicht damit rechnen, dass Spanien gegen Japan verliert. Wenn man aber die Konstellation sieht, wie es für den Gruppenzweiten im Achtel- und Viertelfinale weitergeht, dann ist das deutliche einfacherer Weg.

Die Experimente mit den alternden Stars müssten eigentlich vorbei sein. Man muss sich auch um das Torhüter-Thema Gedanken machen. Von seinem Weltklasseformat war Neuer bei der WM doch einen ganzen Schritt entfernt.

Wir müssen unsere Jugend aufbauen, wir müssen unsere U-Nationalmannschaften fördern und Talente finden. Vor allem müssen wir Abwehrspieler finden und auch entsprechend als Abwehrspieler ausbilden, damit sie ihren entsprechenden sauberen Ball und entsprechend saubere Defensivqualität ausspielen können

Gewinner im DFB-Team gibt es keine, wenn man nach der Vorrunde wieder heim fährt. Man hat gesehen, dass bei einem jungen, sicherlich hochveranlagten Star wie Jamal Musiala noch Luft nach oben ist bis zu einem Weltstar.“

Leon Boos, Spieler beim Landesligisten FC Zell: „Deutschland ist schlussendlich zurecht ausgeschieden. Eine Tabelle lügt nicht. Die Tabelle zeigt, woran es dann am Ende gescheitert ist: Die Chancenverwertung. Die Tordifferenz hat für das Ausscheiden der Deutschen Nationalmannschaft gesorgt, dementsprechend war es ein verdientes Ausscheiden.

Generell muss auf jeden Fall etwas passieren. Man darf als ehemaliger Weltmeister nicht so aus einem Turnier fliegen. Es ist im Endeffekt eines Fußballlandes wie Deutschland nicht würdig. Es war meiner Meinung nach das Defensivverhalten über 90 Minuten und die mangelnde Chancenverwertung. Sie haben ja nicht schlecht gespielt, aber einfach die Tore nicht gemacht. Als Drittes würde ich auch die Leidenschaft der Spieler kritisieren. Das Verhalten auf dem Platz war nicht immer so überzeugend.

Die Frage nach den Gewinnern ist schwierig. Fußball ist ein Mannschaftssport und man ist als Mannschaft aus dem Turnier geflogen. Das ist eine große Enttäuschung. Darum ist jeder erst mal ein Verlierer. Aber es gab den einen oder anderen Spieler, die sich etablieren konnten. Die würde ich aber nicht als Gewinner bezeichnen.

Andreas Schepperle, Cheftrainer SV Weil: „Natürlich ist Deutschland zurecht ausgeschieden. Wer in einer Gruppe mit Japan, Spanien und Costa Rica nur Dritter wird, hat das Weiterkommen nicht verdient.

Spezielle Folgen wird es nicht haben. Was darunter leiden wird, ist die Attraktivität der Bundesliga. Konsequenzen könnten sein, dass der eine oder andere Spieler zurücktritt, wie es Thomas Müller schon angedeutet hat. Was gefehlt hat, waren Leader-Typen. Die brauchen wir in der Zukunft wieder.

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