Obwohl das Niveau auf keinen Fall mit Europa zu vergleichen ist, war es ein tolles Erlebnis, zur FIFA-Hymne ins Stadion einzulaufen. In Vanuatu, wo ich zweimal war, war das Stadion immer ausverkauft. Neben den gut 13 000 Zuschauern im Stadion haben noch einige Hundert Leute das Spiel von den Dächern und Bäumen neben dem Stadion verfolgt. Da gab es schon etwas Gänsehaut.
Frage: Wo lagen die Unterschiede zwischen Neuseeland und dem DFB?
Das ist schwer zu beurteilen, da ich nie wirklich im DFB-Bereich aktiv war. Die Ligen sind etwas anders strukturiert als in Deutschland. Es gibt eine „National League“ – die höchste Spielklasse –, der eine fest Anzahl von Vereinen angehört. Auf- und Abstieg im klassischen Sinne gab es nicht. Der Amateur-bereich war aber so organisiert, wie ich es aus Deutschland kannte. Was mir direkt aufgefallen ist, obwohl Fußball in Neuseeland natürlich einen anderen Stellenwert hat; in der National League gibt es selten mehr als 1000 Zuschauer; war, dass das Schiedsrichterwesen sehr professionell organisiert war. Während der Saison gab es ein bis zwei gemeinsame Trainingseinheiten pro Woche, und wir mussten die Leistungsprüfung jeden zweiten Monat absolvieren, ansonsten wurden wir nicht mehr eingesetzt. Es gab auch detaillierte Trainingspläne, denen wir zu folgen hatten. Es war beeindruckend zu sehen, wie viel Zeit und Mühe gerade die Schiris investiert haben, die auch international unterwegs waren. Und das bei einer deutlich geringeren finanziellen Entschädigung als im DFB-Bereich.
Frage: Was war für Dich Neuland?
Nach jedem Spiel mussten wir einen eigenen Bericht einreichen, in dem wir unsere eigene Leistung kritisch aufarbeiten sollten. Obwohl das immer dazu gehört, hat es durchaus geholfen, einen strukturierten Prozess zu haben, der die Aufarbeitung zur Routine gemacht hat. Interessanterweise wurden wir auch von den Vereinen nach jedem Spiel bewertet. Obwohl die Bewertung natürlich nicht ausschlaggebend war, gab es schon Fälle, in denen diese Beurteilungen aufgearbeitet wurden. Mir ist schnell aufgefallen, dass deutlich mehr Wert auf die Kommunikation zwischen Schiedsrichter und Spielern auf und neben dem Platz gelegt wird.
Frage: Dein absoluter Höhepunkt als Schiri?
Da gab es einige. Neben den Einsätzen in der Champions League und einigen TV-Spielen in der „National League“ wurde ich zum Beispiel auch einmal mit der Leitung des nationalen Pokalfinales betraut. In Erinnerung geblieben ist mir auch ein Einsatz als vierter Offizieller bei einem Spiel Neuseelands gegen Jordanien oder als Schiedsrichter eines Trainingsspiels der „All Whites“ kurz vor der Abreise zur WM 2010 nach Südafrika.
Frage: Was kannst Du Deinen Schiedsrichterkameraden in der alten Heimat mitgeben?
Ich denke, die wissen schon selbst, was sie tun müssen. Aber der Tapetenwechsel und sich aufs Neue beweisen zu müssen, hatte mir damals wirklich gut getan. Mir wurde dadurch klar, dass man viel selbstkritischer mit seinen eigenen Leistungen umgehen sollte. Denn Fehler hatte ich zuvor fast immer bei anderen gesucht, aber oft waren es wirklich Punkte, an denen ich selbst hätte arbeiten sollen. Die Spieleinteiler werden es nicht gerne hören, aber man sollte nicht zu viele Partien machen, ansonsten schleppt man sich nur noch von Spiel zu Spiel, ohne die Zeit zu haben, das Match aufzuarbeiten und zu reflektieren. Die Kommunikation mit Spielern ist wichtig. Ich habe das immer unterschätzt. Klar, man muss sich nicht anbrüllen lassen, aber man kann viel erreichen, wenn man Respekt zeigt und bis zu einem gewissen Grad versucht, auf die Fußballer einzugehen. Das Wichtigste ist aber, dass man die Freude am Hobby nicht verliert.