Fußball Eine wunderbare Wiedergeburt

Uli Nodler
Thomas Schmitt (links), Rolf Sutter (2.v.r.) und Jan Hebding mit Kindern in der Brombacher Sporthalle. Foto: Uli Nodler

Es gibt eine neue gemeinnützige Organisation in Lörrach. Sie hat mit Fußball und sozialem Engagement zu tun. Im März haben Jan Hebding und die Geschwister Julia und Patrice Glaser die „streetkickers39“-Stiftung gegründet.

Die Knie bluten, die Ellenbogen brennen, der Kopf dröhnt. Auf hartem Asphalt, auf den Grasflächen zwischen den Wohnblocks wird in der prallen Sonne stundenlang Fußball gespielt. Die Schuhe sind kaputt und dreckig vom Staub, die Klamotten nassgeschwitzt, die Wasserflasche längst leer. An Aufhören ist aber kaum zu denken. Es wird gebolzt, bis es dunkel wird oder die Eltern dem munteren Treiben auf der Straße oder den Hinterhöfen ein Ende setzen.

Tage wie diese waren den älteren Generationen in Lörrach bekannt. Sie verbrachten viele Stunden, Tage und Wochen ihrer Kindheit und Jugend beim Kicken in der Nachbarschaft. Doch der aktuellen Generation sind diese Szenen kaum geläufig. Denn die Bolzplatzkultur ist in den vergangenen Jahrzehnten auch in der Lerchenstadt in Vergessenheit geraten.

Jetzt aber erlebt das zwanglose Bolzen in Lörrach eine wunderbare Wiedergeburt. Dafür haben die Geschwister Glaser und Hebding mit einem stimmigen Konzept gesorgt. „In der ersten Stufe haben wir Kontakt mit den hiesigen Grundschulen aufgenommen. Mit ihrer Hilfe und der Unterstützung der Kommune wollen wir Mädchen und Jungen im Alter von sieben bis zehn Jahren zwanglos und spielerisch für den Fußball begeistern“, erklärt Hebding, der auch beim FV Lörrach-Brombach in der Nachwuchsabteilung als Leiter der Fußballschule Aufgaben wahrnimmt.

Namhaftes Trainerteam am Projekt beteiligt

Die Stadt Lörrach befürwortet das Konzept der „streetkickers39“ als zusätzliches, niederschwelliges und kostenfreies Bewegungsangebot für Kinder und Jugendliche. Besonders positiv zu bewerten ist für die Kommune, dass Mädchen und Jungen ohne Erfolgsdruck aus Freude an Spiel und Bewegung gemeinsam kicken können – und dies unter Anleitung von engagierten Trainern. Und die sind zweifelsohne prominent. So engagieren sich Rolf Sutter (kickte gemeinsam mit Otmar Hitzfeld beim FV Lörrach, Trainer, Leiter von Fußballschulen und Jugendleiter), Ridje Sprich (Torjäger beim SV Weil), Yannik Unmüssig (FC Hauingen) und Juliana Gütermann (FC Basel) als Trainer in diesem Projekt.

Tatort Hellbergschule in Brombach: Dritt- und Viertklässler eilen in die neue Brombacher Sporthalle. Dort wartet schon Rolf Sutter. Die Augen des Fußballpädagogen glänzen, als er die vor Freude kreischende Kinderschar begrüßt. Und dann geht’s auch schon los, das muntere Kicken mit den leuchtend grünen Bällen. Lächelnd gibt Sutter die eine oder andere Anweisung, den einen oder anderen Tipp, erklärt das Programm in der Schulstunde. Die Kinder dribbeln, passen und schießen, was das Zeug hält. „Mir geht immer wieder das Herz auf, mit welcher Begeisterung die Kinder bei der Sache sind“, lässt Sutter seinen Gefühlen freien Lauf.

Lörrachs OB Jörg Lutz übernimmt Schirmherrschaft

„Wir stehen für Toleranz, Miteinander, Freiheit, Mut und Selbstverwirklichung“, sagt Jan Hebding, der 37-jährige zweifache Familienvater, im Brustton der Überzeugung. Ganz besonders freut sich der Fußballtrainer mit einem Faible für Straßenfußball darüber, dass Oberbürgermeister Jörg Lutz die Schirmherrschaft für dieses Projekt übernommen hat. „streetkickers39“ bietet den Kindern und Jugendlichen ein kostenloses Bewegungsangebot und will durch das Kicken auf dem Bolzplatz neben dem Spaß am Fußball auch Werte wie Fairness und Teamgeist vermitteln“, erklärt Oberbürgermeister Jörg Lutz. „Daher habe ich gerne die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen.“

Fußball besitzt auch in der Familie Glaser einen hohen Stellenwert. Papa Martin spielte seinerzeit beim FV Lörrach erfolgreich Fußball. Sein Talent haben Tochter Julia und Sohn Patrice geerbt. Sportwissenschaftlerin Julia Glaser spielte aktiv beim SC Freiburg, FC Basel, Lazio Rom und in den USA im College. Patrice, der sich als BWL-Experte vorrangig um die administrativen Aufgaben kümmert, ist noch immer ein herausragender Fußballer in der Region. Groß wurde er beim FV Lörrach-Brombach, schwang in der Oberliga den Taktstock im Mittelfeld. Inzwischen haben bei ihm die Familie und der Beruf Vorrang. Dennoch jagt er beim Bezirksligisten TuS Binzen noch immer dem runden Leder hinterher.

Die Pandemie habe offengelegt, welche Bedeutung öffentliche und frei zugängliche Spiel- und Bewegungsräume für die Kinder haben. Besonders in einer Pandemie, wie sie uns über einige Jahre bestimmt hat, werden Spiel, Sport und Bewegung elementare Bestandteile des Lebens eines jeden Menschen, so die Stellungnahme der Stadt.

Bolzplätze haben nur positive Auswirkungen

Bolzplätze haben neben der sozialen Förderung der Kinder und Jugendlichen immer auch positive Auswirkungen auf die Psyche. Es ist daher wichtig, dass Kinder und Jugendliche auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Orte aufsuchen können, indem sie dort andere Kinder und Jugendliche treffen. Kinder und Jugendliche müssen sich zwanglos bewegen und mit anderen Kindern physisch und sozial interagieren können. Spiel- und Bewegungsräume, wie Bolzplätze, Skateranlagen und Basketballfelder sind die seit vielen Jahren dafür vorgesehenen Areale.

Die Idee des Stiftungsdreigestirns ist aber nicht nur, die Bolzplatz-Mentalität in der großen Kreisstadt wieder aufleben zu lassen. Die „streetkickers39“ Julia, Patrice und Jan wollen auch die Inklusion mit Kindern, die einen Migrationshintergrund haben, vorantreiben. Das ist ihnen schon eindrucksvoll gelungen. „Viele Kinder aus internationalen Brennpunkten und Schwellenländern, die in Lörrach eine neue Heimat gefunden haben, kicken schon bei uns“, freut sich Jan Hebding.

In Lörrach sind bereits die Fridolin-, Neumatt-, Pestalozzi-, Salzert-, Hellberg- und Astrid-Lindgren-Schule beim „streetkickers39“-Projekt dabei. Sie bieten das Projekt in Form von AGs im Schulunterricht an. Und das in dieser noch kurzen Zeit mit großem Erfolg. Das offenbaren die Stellungnahmen der Schulen. (siehe Kasten „Das sagen die Schulen zum Projekt Streetkickers39“).

„Die AGs sind schon sehr gut besucht. Es sollen aber noch mehr werden und weitere Schulen in der Stadt dazukommen“, betont Hebding. Zudem sind die „streetkickers39“ in den bestehen Schul-Kooperationen in den normalen Sport-Unterricht eingebunden. „In unserer ersten Stufe des Angebots für Schulen offerieren wir neben dem Kicken weitere Komponenten wie Pausengestaltung, Kicken und Lesen, Gestaltung eines Bolzplatzes in der Schule sowie spannende Projekttage.“ Wir wollen auch eine Grundschulliga gründen.“ Das „streetkickers39“-Trio freut sich schon auf den 14. Juli dieses Jahres. Da steigt im Rahmen des Projekts ein großes Grundschulliga-Turnier. Da können alle Grundschulen der Stadt mitmachen.

Bolzplätze sollen wiederbelebt werden

In der zweiten Stufe des Projekts solls auf die Bolzplätze in der Stadt gehen. „Dann werden die streetkickers39 die Bolzplätze wiederbeleben“, kündigt Jan Hebding an. „Wir gehen dann in die Quartiere rein und kicken dort mit den Mädchen und Jungs.“ Dieses Projekt kostet zweifelsohne auch Geld. Die Kosten werden von Seiten der Schulen, Kommune, aber auch aus der freien Wirtschaft abgedeckt“, betont Jan Hebding.

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