Fußball Flick verzockt sich bei den Wechseln

Michael Hundt

Fußball Weltmeisterschaft in Katar: Deutschland – Japan 1:2 (1:0) / Historische Auftaktniederlage

Die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat wieder einmal Historisches bei einer Weltmeisterschaft geleistet. Aber nicht so, wie es sich die Fans und die Verantwortlichen des DFB erhofft hatten. Trotz einer 1:0-Führung zur Pause verlor Deutschland am Ende mit 1:2 gegen Japan. Noch nie hatte eine Deutsche Fußball Nationalmannschaft ein Auftaktspiel nach einer Führung zur Pause noch verloren. Bei den Titelgewinnen 1954, 1974, 1990 und 2014 verlief der Auftakt stets erfolgreich.

Von Michael Hundt

Doha. Von 20 Auftaktspielen bei einer Weltmeisterschaft hat Deutschland nur sieben Partien nicht gewonnen. Die erste Niederlage gab es 1982 gegen den WM-Neuling Algerien. Von 1990 bis 2014 gab es nur Siege.

Unsere Experten haben wir nach dem Spiel gegen Japan folgende Fragen gestellt: Wie beurteilen Sie die Auftaktniederlage? Hat sich Flick bei den Wechseln verzockt? Hätten Götze und Füllkrug früher kommen müssen?

Robert Hoffmann, Cheftrainer des EHC Freiburg: „Ich glaube, dass die Deutschen in der ersten Halbzeit ganz gut waren, hätten ein oder zwei Tore mehr machen können. Das ist ja auch so ein wenig die Baustelle, die wir auch haben, dass wir die Chancen nicht verwerten. In der zweiten Halbzeit waren sie dann einfach etwas zu schüchtern. Individuelle Fehler kosten dann das Spiel. Das ist das, was ich als Fußball-Laie so gesehen habe. Nach dem 1:1 agierte die Mannschaft, zu ängstlich. Die Japaner hatten dann das Momentum.

Nicht nur beim Wechsel von Gündogan, auch beim Wechsel von Müller hat er sich verzockt. Bastian Schweinsteiger hat nach dem Spiel ein schönes Argument gehabt: Du brauchst halt die Jungs, die bereit sind, den Ball zu haben oder zu wollen. So richtig das Spiel an sich reißen à la Effenberg macht keiner mehr. Das fehlt so ein bisschen. Es sind alles super Spieler, aber keine Leader. Leader brauchst du in jeder Sportart.

Götze hätte ich auf alle Fälle früher gebracht. Der hat es drauf. Und Füllkrug muss der Ball einfach nur auf den Fuß fallen. Bei der Form, die er gerade hat, hätte ich den auch früher gebracht.“

Tobias Jehle, Sportlicher Leiter des FV Lörrach-Brombach: „Wenn man das Spiel sieht, darf man das nie verlieren. Es war zwar keine Glanzleistung, aber man war schon ungefähr eine Stunde dominant. Man muss aus den vielen Torchancen einfach eine deutlichere Führung machen. Japan war in der ersten Halbzeit überhaupt nicht gefährlich – abgesehen von dem Abseitstor. Es gab drei, vier Hochkaräter auf unserer Seite. Davon muss man ein oder zwei machen, dann verliert man das Spiel nicht.

Ich würde auf jeden Fall sagen, dass sich Flick bei den Wechseln verzockt hat. Ich maße es mir eigentlich nicht gerne an, das besser zu wissen, aber ich konnte es nicht verstehen, dass er beide aus der Zentrale rausgenommen hat. Müllers Wechsel war angesichts der langen Verletzungspause verständlich. Aber dass er dann Gündogan ebenfalls rausnimmt, habe ich nicht verstanden.

Es stand 1:1, als Füllkrug und Götze kamen. Aber darauf würde ich mich jetzt gar nicht so einschießen. Ich hab die Aufstellung nicht verstanden, und ich habe die Wechsel nicht verstanden.

Nils Haunschild, Teamsprecher HSG Dreiland: „Es war bitter, weil Deutschland Chancenwucher betrieben hat. Die Parallelen kommen mir durchaus bekannt vor. Wie heißt es so schön: Vorne nicht machen, dafür hinten dann bekommen. Genau so war es. Sie hätten das Spiel 3:0 gewinnen können, verlieren es aber 1:2.

Die Wechsel an sich haben schon Sinn gemacht. Es ist halt beim ersten Spiel schon etwas schwierig, den richtigen Riecher zu haben. Goretzka war schon nicht schlecht. Gündogan hat es nicht schlecht gemacht, und Musiala muss das Ding reinmachen. Dann läuft es auch anders.

Ich hätte den Füllkrug für vorne tatsächlich früher gebracht. Der Gündogan hat es ja nicht schlecht gemacht. Aber der letzte Pass oder der letzte Schritt war dann halt immer etwas ärgerlich. Allerdings hat er auch Sicherheit im Mittelfeld gegeben. Ich hätte den Füllkrug früher gebracht.

Leon Boos, Spieler beim FC Zell: „Die Niederlage war absolut unnötig. Ich finde, dass es ein naives Auftreten vor dem Tor war. Da wurden hochkarätige Chancen einfach nicht gemacht. Man hat es oft genug gelesen: Wer die Tore vorne nicht macht, bekommt sie hinten. Genau so war es dann auch. Das Defensivverhalten war meiner Meinung nach ganz ordentlich – bis zu dem Zeitpunkt, als der gegnerische Trainer gefühlt fünf neue Offensivkräfte reinbringt. Da musste den Deutschen doch bewusst werden, dass es jetzt noch einmal ab geht. Die Mannschaft kommt damit aber überhaupt nicht klar und bekommt zwei einfache Tore.

Ob sich Flick verzockt hat, würde ich nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Jonas Hoffmann hätte ich ehrlich gesagt nicht reingebracht, weil er nicht gegen die Japaner gepasst hat.

Vielleicht hätte Füllkrug früher kommen müssen. Er hat dann vorne für Betrieb gesorgt. Die Japaner waren körperlich unterlegen. Der Füllkrug ist ja so ein Büffel, der hätte vielleicht noch mal den einen oder anderen Kopfball verlängert. Auch Goretzka hätte Flick früher bringen müssen, weil auch er eine gewisse Körperlichkeit hat. Es lag aber nicht an den Wechseln.“

Erkan Aktas, Co-Trainer U21 FC Basel: „Ich sehe nicht nur das Ergebnis, sondern das Spiel selbst. 70 Minuten war es ein gelungenes Spiel der Deutschen Nationalmannschaft. Ich sah eine Mannschaft, die dominierte und sich die Chancen herausspielte. Wenn Deutschland 1:0 gewonnen hätte, hätte jeder gesagt, wie toll das Spiel war. Aufgrund der zwei gravierenden Fehler, die zu den Toren geführt haben, muss man nicht das ganze Spiel schlecht reden.

Verzockt? Na ja, da kommen hochklassige Spieler rein, die sonst nicht im Kader wären. Ich sehe, dass die Tore so fallen, da es gravierende individuelle Fehler der Abwehrreihen sind.

Grundsätzlich hätte es dann ein anderes Spiel gegeben. Aber es hätte auch so sein können, dass es bei einer früheren Einwechslung auch nicht geklappt hätte. Das ist immer spekulativ. Ich sehe es nicht als spielentscheidend an.

André Leuchtmann, Spieler und Trainer SG Maulburg/Steinen: „Man hatte in der ersten Halbzeit nie das Gefühl, dass Deutschland das Spiel verlieren würde. Nur durch unsere Fehler haben es die Japaner geschafft.

Klar kann man im Nachhinein darüber diskutieren, ob man Füllkrug oder Götze früher bringen muss. Man hat schon gemerkt, dass es nicht mehr so gepasst hat, als Müller nicht mehr im Spiel war.

Ich finde, dass er sich mit der Aufstellung verzockt hat. Schlotterbeck ist auf keinen Fall eine Nummer eins in der Innenverteidigung. Ginther wäre da die bessere Alternative gewesen.

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