Fußball Flinke Finger statt feine Füßchen

Die Oberbadische
Auf der heimischen Couch geht es um den Sieg (oben von links): Alessio Paciulli, Jens Murawski, Ciro Di Feo sowie (unten von links) Michael Bahner, Giacomo Preta und Markus Birlin beweisen ein feines Händchen und zocken erfolgreich für den SV Herten. Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

E-Sport Der SV Herten startet bei FIFA 20 an der Spielekonsole durch / Derbysieg gegen Eichsel / Heute geht es gegen den FVLB

Fröhlich summen die Bienen auf dem gepflegten grünen Rasen. Es herrscht Ruhe. Dort, wo sonst 22 Kicker dem runden Leder hinterherhecheln, ist tote Hose angesagt. Kein Fußball, keine Fans, nichts ist es derzeit mit der schönsten Nebensache der Welt. Der Ball rollt nicht – zumindest im realen Leben. Denn statt mit seinen Füßchen das Runde ins Eckige zu bugsieren, zeigt so mancher Kicker sein feines Händchen bei FIFA 20 an der Spielekonsole.

Rheinfelden/Lörrach. Das heimische Wohnzimmer wird zur Arena, die abgewetzte Couch zur Spielstätte, statt Nudeln zur Stärkung stehen Chips parat. Jüngst zockten der SV Herten und der SV Eichsel gegeneinander. Derbytime auf dem Bildschirm. Heute geht es schon weiter. Diesmal misst sich der SVH mit den Jungs des FV Lörrach-Brombach.

Die Situation

„Die Kontaktsperre aufgrund des Coronavirus hat uns Teamsportler natürlich extrem getroffen“, sagt Matthias Tröndle, umtriebiger Sportchef des SV Herten. „Wir haben uns im Verein überlegt, wie wir es schaffen, den Teamgedanken weiter zu pflegen und unsere Jungs bei Laune zu halten.“ Der SVH setze „extrem auf den Wohlfühlfaktor“, lässt Tröndle wissen. Man wolle den Rahmen schaffen, damit sich die Akteure mit dem Verein „identifizieren“ können und in einer „homogenen Einheit maximale Leistung bringen“.

So gehe man durchaus auch gerne einmal andere Wege, probiere hin und wieder gerne etwas aus. „Ob es immer klappt, sei dahin gestellt“, erklärt Tröndle.

Die Idee

Nachdem der Trainingsbetrieb eingestellt wurde, habe man sich die Frage gestellt, wie der Alltag der Spieler nun aussehe. „Jeder hat doch private Sorgen. Wir wollten etwas bieten, wo man nicht nur die Sorgen für einen Moment vergessen kann, sondern jeder mit Leib und Seele dabei ist“, erklärt der Sportchef. „Uns war klar, dass wir genügend Zocker in unseren Reihen haben und somit war die Idee geboren.“ Eine feine Sache sei das, da man so alle Aktivmannschaften unter einen Hut bekomme. „Schnell hatten wir elf Mann zusammen, bis zum Derby waren es dann sogar 13.“

Das Spiel

Mit der Playstation 4 wurde der Modus „Pro Club“ ausgewählt. Elf virtuelle Kicker spielen gegen andere elf virtuelle Kicker – und das gesteuert von 22 verschiedenen FIFA-Spielern. Jeder Spieler erstellt dabei sein digitales Alter und bestimmt die Position, auf der er der Mannschaft weiterhelfen möchte. Danach werden noch Punkte auf spezielle Fähigkeiten verteilt. Je mehr Training, desto höher geht der Wert. Siege und andere Erfolgserlebnisse, wie Torerfolge oder Paraden, steigern ebenfalls die Punktzahl eines Einzelnen. „Wir wollten da schon Realismus reinbringen. Jeder Verein ist dafür zuständig, wie hoch sein Wert ist. Das ist fast wie im reellen Leben“, hält Tröndle fest.

DIE Umsetzung

Verteidiger Jens Murawski, selbst gerne mit dem Controller aktiv, übernahm die Federführung. „Wir haben da rumgespielt und viele Ideen eingebracht, welche Funktionen man einfließen lassen könnte“, sagt Tröndle. Die Spielernamen einblenden, Tormusik einbauen oder die Vereinshymne integrieren. „Wir haben uns dann erst einmal auf das Nötigste beschränkt, wollten uns ja nicht bis auf die Knochen blamieren. Für uns war jedoch klar. Findet dieses Unternehmen positiven Anklang, dann entwickeln wir es weiter.“

DIE WERBETROMMEL

Diese musste angekurbelt werden: Torhüter Marvin Baumann und Tröndle selbst nahmen dieses Unterfangen in die Hand. „Wir haben einen Aufruf gestartet und sind über Facebook auf die Suche nach einem Gegner gegangen und haben Vereine aus Region verlinkt“, blickt Tröndle zurück. Zeitgleich fingen die SVH-Cracks an zu „datteln“. Der SV Eichsel war schnell Feuer und Flamme, die SG Grenzach/Wyhlen und der FV Lörrach-Brombach meldeten sich ebenfalls. „Da haben wir gemerkt, dass da was Größeres entstehen kann.“ Auch mit den Fans des SV Herten trat man in Kontakt. „Die vermissen den Fußball ebenfalls“, weiß Tröndle. Und der eine oder andere versprach, reinzuschauen, wenn man virtuell gegen den Ball trete. „Die Sportfans sitzen derzeit auf dem Trockenen.“

DIE SPIELVORBEREITUNG

Das Derby gegen den SV Eichsel war fixiert. „Vorweg: Es hat riesigen Spaß gemacht. Elf Leute sitzen in ihren eigenen Zimmern, haben die eigene Konsole in der Hand, aber kicken doch miteinander und kommunizieren per Headset“, schildert Tröndle. Und dann kam da auch noch der Derbycharakter zum Tragen. „Das hat schon im Vorfeld alle bei den gemeinsamen Trainingseinheiten gepusht.“ Da sei viel Spaß und Emotion dabei gewesen.

DAS HINSPIEL

Der Modus „Champions League“ mit Hin- und Rückspiel wurde ausgewählt. „Das ist natürlich der Traum eines jeden Kreisligakickers, einmal auf dieser Bühne zu spielen“, lacht Tröndle, dessen Team am Ende mit 0:1 das Nachsehen hatte. „Man hat schon gemerkt, dass da einige sehr nervös vor dem eigenen Gerät saßen. Es waren ja einige Zuschauer dabei. Alle haben ein bisschen gestichelt sowie Kaltgetränk und Popcorn herausgekramt. Das war schon eine kultige Geschichte“, so Tröndle. Max Spitznagel hatte in der 28. Minute für Eichsel den Siegtreffer markiert. Es passte ins Bild, dass Hertens Bastian Eschbach acht Minuten vor Schluss nach einer Notbremse noch die Rote Karte unter die Nase gehalten bekam. Und dennoch hatte der SVH in den Schlusssekunden sogar noch die Möglichkeit, das 1:1 zu markieren.

DAS RÜCKSPIEL

Nach einer Teambesprechung startete wenige Minuten später Spiel zwei. „Wir wollten unbedingt die Scharte ausmerzen und haben gut losgelegt“, meint Tröndle und hebt den Goalgetter in seinen Reihen besonders hervor. „Im echten Leben hat er das noch nicht so gezeigt, aber sein Torinstinkt ist an der Konsole extrem ausgeprägt. Davor ziehe ich den Hut. Wenn seine Füße genauso flink wären, wie seine Daumen, stünde ihm eine große Karriere bevor“, schmunzelt Tröndle und meint damit Ciro Di Feo, der sich dreimal in die Torschützenliste (15./55./77.) eintrug. Dazwischen war Tröndle per Kopf in der 68. Minute zum 3:0 erfolgreich. Den Eichsler Ehrentreffer steuerte Ryan Thompson zum 1:4 (79.) bei.

Nicht so ganz einverstanden waren die SVE-Zocker mit dem virtuellen Schiri. Der hatte einen strittigen Elfer gegeben. „Ehrlich. Diese Entscheidung hat uns alle überrascht“, gibt auch Tröndle zu. Di Feo blieb derweil cool und schob ein. „Das war aber nicht der Knackpunkt in dieser Partie“, findet Tröndle, dessen Team sich nun virtueller Derbysieger nennen darf.

DIE DRITTE HALBZEIT

Per Skype-Konferenz tauschten sich Tröndle & Co. nach dem Schlusspfiff aus. „Wir haben viel gequatscht und auf den Sieg angestoßen. Das war eine sehr launige Geschichte“, so Tröndle. Es gab viele Nachrichten, so einige Leute hatten sich das Derby angeschaut. „Das Feedback war positiv. Das hat uns bestärkt, weiterzumachen.“ So wolle man, wenn möglich, jede Woche ein Spiel organisieren. „Wenn es geht, gegen ein Team aus der Region.“

DIE NÄCHSTE PARTIE

Das nächste Playstation-Match steht schon an. Heute, 16 Uhr, wird der virtuelle Ball rollen. Der SV Herten trifft in Hin- und Rückspiel auf den FV Lörrach-Brombach.

Der GEGNER

Beim echten Verbandsligisten weist man die Favoritenrolle weit von sich. „Die schieben wir ganz gekonnt nach Herten. Die Jungs haben einen Vorsprung, konnten sich schon einspielen“, macht Dominik Lüchinger klar. Im echten Fußballleben hütet er den FVLB-Kasten. Ob er auch auf der Playstation zwischen die Pfosten geht, steht noch nicht fest. „Im Großen und Ganzen wollen wir aber schon die Position begleiten, die wir auf dem echten grünen Rasen inne haben“, sagt Lüchinger.

Gemeinsame Trainingseinheiten im Vorfeld waren rar gesät. Ein Match zu elft war dabei erst gar nicht machbar. „Das ist schwierig, einige arbeiten ja ganz normal“, meint Lüchinger. Aber in der Gruppe würden schon immer wieder Verabredungen getroffen. Nun hoffe er, dass er bis zum Spieltag auch elf Mann auftreiben könne. „Da habe ich schon Druck von den Hertenern bekommen“, grinst Lüchinger, der mit Roberto Billeci und Marvin Müller auch zwei Ex-Teamkollegen aufbieten kann.

„Das wird erst einmal ein riesige Chaos geben. Auf der Konsole ist das schon etwas anders. Da weiß ich ja noch nicht, was der Mitspieler gerade so vor hat“, ist er schon ganz gespannt.

Weitere Informationen: Wer hat das Match live mitverfolgen will, kann das über folgende Facebookseite tun: https://www.facebook.com/dienummereinsderstadt/

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