Schönau. Eine Profi-Karriere bahnte sich an. Extraschichten auf dem Kickplatz in Schönau, Wechsel zum Sportclub, Jugend-Länderspiele und schließlich Angebote von Werder Bremen und Bayer Leverkusen. Jörg Steinebrunner entschied sich dagegen. „Ich habe Fehler gemacht“, gibt er zu. Seine zweite Chance nutzte er: Am anderen Ende der Welt und schließlich in Asien fand er sein spätes Fußballglück. Nach zwölf Jahren stattete Jörg Steinebrunner seiner alten Heimat wieder einen Besuch ab. Im Vereinsheim des FC Schönau hat sich unser Sportredakteur Mirko Bähr mit dem 43-Jährigen unterhalten. Sie waren über ein Jahrzehnt nicht mehr zu Hause. In diesem Jahr dann gleich zweimal. Was hat sich in all den Jahren verändert" Schönau hat sich verändert, das ganze Wiesental. Es sind so Kleinigkeiten, die mir auffallen. Da sind Häuser auf einmal nicht mehr da. Oder die Landschaft sieht ganz anders aus. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es im Schwarzwald weniger Wald gibt. Ich bin nach Freiburg über den Notschrei gefahren, da wurde ja alles platt gemacht. Haben Sie sich gefreut, Ihre Familie und Ihre alten Weggefährten wiederzusehen" Na klar. Je näher ich Richtung Heimat kam, desto mehr gekribbelt hat es. Ich habe mir viele Gedanken gemacht. Es war wunderbar, meine Familie und die alten Freunde wiederzusehen. Mutters Essen fehlt mir doch sehr. Oder die Puten-Schnitzel von „Pit“ Löw. In Singapur gibt es wirklich nichts vergleichbares, obwohl man dort auch Schnitzel bekommt. Was war für die Schönauer die größte Überraschung, als Sie Ihnen zum ersten Mal nach all den Jahren begegneten" Ich habe von vielen ein Kompliment bekommen, weil ich immer noch alemannisch rede, und ich mir in dieser langen Zeit in Singapur noch keinen hochdeutschen Slang angeeignet habe. Vergleichen Sie mal Ihre Heimat mit der Millionen-Metropole Singapur. Was sind die größten Unterschiede" Hier bin ich weit weg vom Stress, von der Hektik. Hier setzt Du Dich einfach mal hin, trinkst in Ruhe Deinen Kaffee. In Singapur schauen Dir dabei eine halbe Millionen Menschen zu. Und ich genieße die saubere Luft. Ein anderes Thema sind natürlich die vielen Freunde, die ich noch hier habe. Mit ihnen kann ich immer über alles reden. Auch über mein Lieblingsthema Fußball. Dann quatschen wir über die Kreisliga A genauso intensiv wie über die Bundesliga. In Singapur habe ich keinen, mit dem ich so schön plaudern kann. Wenn Sie über die Kreisliga A diskutieren, dann bedeutet das ja, dass Sie gut informiert sein müssen. Klar. Ich bin übers Internet verbunden mit der lokalen Fußballwelt . Um zu wissen, was in der Bundesliga so läuft, muss ich nur den Fernseher anmachen oder höre Radio, die Deutsche Welle berichtet. Und wenn Sie in der alten Heimat aufschlagen, dann geht es auf die Fußballplätze der Region" Ich habe mir das Spiel des FV Lörrach-Brombach gegen Elzach-Yach angeschaut, habe mir natürlich die Schönauer Kicker zu Gemüte geführt und das Testspiel des Sportclubs gegen Aarau nicht entgehen lassen. Außerdem war ich bei zwei Trainingseinheiten vor Ort, habe meinem alten Mitspieler beim Freiburger FC, Christian Streich, über die Schulter geguckt und mit ihm das eine oder andere Wort gewechselt. Viel Zeit habe ich aber natürlich auch mit meinen Eltern verbracht. Und einige Treffen mit Kollegen standen in den eigentlich viel zu kurzen zwei Wochen auch auf dem Programm. Etwas Zeit hatte ich zum Relaxen. Relaxen" Eigentlich ein Fremdwort für Sie, oder" Das stimmt. Die letzten Jahre hatte ich keinen Urlaub. Ich war immer auf Achse. Kurz vor meinem Abflug nach Europa gab es noch eine Veranstaltung des Verbandes. Das habe ich natürlich genutzt, um mit Spielern zu reden. Aber auch hier in Schönau habe ich das Handy immer auf Empfang. Abschalten geht nicht. Ich bin ständig mit einem Spielervermittler aus Holland in Kontakt. Ich suche noch einen Stürmer. Immer wieder rufen mich unser Torwart-Trainer oder auch der Manager an und tauschen sich mit mir aus. Nach einem Intermezzo in Indonesien und als Fußballtrainer für Manchester United sind Sie seit einigen Monaten wieder in Singapur tätig. Zurück in dem Land, wo Sie Ihre größten Erfolge feierten. Dort wurden Sie schon Meister als Spieler und als Trainer. Nun sind Sie beim Geylang International FC gelandet. Diesen Verein gibt es seit 1998. In dieser Zeit durfte er schon zwei Meisterschaften und einen Pokalsieg feiern. Geylang war auch schon für die Asien-Meisterschaften qualifiziert. Das ist aber Schnee von gestern. Es ging in den letzten Jahren bergab. Nun wollten die Verantwortlichen einen Neuanfang, nachdem man in der 12er-Liga nur Zehnter und Neunter wurde und zu Beginn der neuen Saison überhaupt nicht in die Gänge kam. Nach drei Partien ohne einen einzigen Punktgewinn entschloss sich das Management, den Trainer zu wechseln. Und haben Sie kontaktiert Es gab Gespräche, und schließlich habe ich einen Vertrag bis Saisonende unterschrieben. Bereits Anfang Juni habe ich den Kontrakt bis 2015 verlängert. Vom letzten Platz aus haben wir uns bis auf Rang sieben hochgearbeitet. Am Ende wurden wir Achter, drangen im Ligapokal bis ins Halbfinale vor und schafften im Singapur-Pokal den Sprung ins Viertelfinale. Beide Male haben wir im Elfmeterschießen verloren. In den Medien wurde schon gewitzelt, da ja deutsche Trainer sonst nie Elfmeterschießen verlieren würden. Nun konnten Sie Ihr Team ganz nach Ihren Wünschen zusammenstellen. Die Planungen haben wir frühzeitig in Angriff genommen. Ich setze in erster Linie auf junge Spieler, die sich noch entwickeln können und einen guten Charakter haben. Bei mir steht das Team über allem. Wir haben von den Medien in Singapur zuletzt gute Kritiken bekommen. Wir hätten uns als Mannschaft präsentiert, seien näher zusammengerückt und hätten uns spielerisch entwickelt. Das spornt an. Die Vorbereitung steht an. Anfang Februar beginnt die neue Saison. Wir wollen unter die ersten Sechs kommen. Wie kommen Sie als Europäer mit der asiatischen Lebensweise zurecht" Die Lebensweise ist tatsächlich eine ganz andere. Das ist ein langjähriger Prozess. Ich bin nun schon seit mehr als zehn Jahren in Asien zu Hause. Da kennt man das Leben und die Kultur. Es ist wichtig, dass man sich darauf einlässt, seine Lebensweise ein Stückweit anpasst. Das hat eine gewisse Zeit gebraucht. Einige deutsche Tugenden sind geblieben und helfen mir auch in Singapur. Gerade wenn es um Disziplin und Ordnung geht. Als Trainer ist eine gesunde Mischung wichtig. Auf der einen Seite der lockere Typ, der auch beim Fünf-gegen-Zwei-Spiel mitmacht, und auf der anderen der harte Hund, der auch mal dazwischen funkt und sagt, was die Stunde geschlagen hat. Wichtig ist aber, dass meine Jungs wissen, dass sie zu mir kommen können, wenn sie ein Problem haben. Meine Tür ist immer offen für sie. Nur wenn die Jungs Spaß und Lust am Fußball haben, stimmt auch das Ergebnis. Ich sage nie, dass sie gewinnen müssen. Aber ich verlange, dass sie 100 Prozent geben. Dann darf man auch mal verlieren. Druck ist doch schon genug da. Wenn ich da auch noch mitmache, dann bringt das nichts. Sie sprechen Druck an. Haben Sie, wenn Sie auf ihre erfolgreiche Jugend zurückblicken, als Sie auch Länderspiele absolvierten, die Situation vielleicht etwas zu locker genommen" Ich habe damals Fehler gemacht, da gibt es nichts zu verheimlichen. Ich hatte als A-Jugendlicher Angebote von Werder Bremen, Leverkusen oder auch Stuttgart. Ich hätte wohl den Schritt gehen und es bei Werder probieren sollen. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Ich war damals nicht soweit. Ich brauchte die heimatliche Umgebung. Vielleicht aber war ich auch einfach nur satt. Für mich gab es ja damals nichts anderes als Fußball. Nach der Schule ging es jeden Tag auf den Kickplatz. Ich habe Extraschichten geschoben. Es lief alles planmäßig in Richtung Fußballkarriere. Und dann kam der Knacks" Ich habe plötzlich bemerkt, es gibt ja noch ein anderes Leben. Ich bin mit meinen Kumpels fort, wir haben gefeiert. Im Nachhinein war das ein Fehler. Wenn ich meinen Weg durchgezogen hätte, wäre es vielleicht anders gelaufen. Aber ich stehe dazu. Jahre später aber kam der Ehrgeiz in Ihr Leben zurück. Das war 1998. Ich habe bei Old Boys Basel gekickt, als ich die Möglichkeit hatte, nach Singapur zu wechseln. Dort war ich plötzlich wie ausgewechselt. Ich war angefressen. Und ich musste auch Gas geben. Als ausländischer Profi in Singapur muss die Leistung passen, sonst wird Dein Vertrag ziemlich flott wieder aufgelöst. Ich hatte auf den Weg zurückgefunden, den ich damals verlassen hatte. Ich habe es fußballerisch wieder auf die Reihe bekommen. Erst als Spieler, dann als Trainer. Wobei dieser Schritt auch eine Reise ins Ungewisse war. Aber ich muss Spuren hinterlassen haben. So wurde ich vom TV-Sender ESPN als Experte verpflichtet. Das hat gut getan und war eine Bestätigung für mich. Ein anderer Schönauer, Jogi Löw nämlich, ist jetzt Weltmeister-Trainer. Ich habe Jogi nie spielen sehen in Schönau. Und dennoch war es mein Vorbild. Ich kickte damals in der B-Jugend des SC Freiburg, er in der Ersten. Da wollte ich auch hin. Heute als Trainer ist er immer noch ein Vorbild für mich. Auch, weil er so geblieben ist, wie er damals war. Er weiß, wo er herkommt. Er ist bodenständig, zieht seinen Weg durch und trotzt seinen Kritikern. Es ist beeindruckend, wie gut er sich unter Kontrolle hat. Sie waren in diesem Jahr nun zweimal wieder in der alten Heimat. Wie sehr reizt es Sie, hier wieder dauerhaft sesshaft zu werden" Auf kurz oder lang möchte ich zurück nach Europa kommen. Ich habe auch schon Kontakt zu Vermittlern aufgenommen. Vielleicht ergibt sich ja etwas. Mein Ehrgeiz ist jedenfalls groß. Ich traue mir ein Engagement auf Top-Niveau zu. Das Niveau in Singapur ist vergleichbar mit der Regionalliga beziehungsweise 3. Liga. Warum nicht" Aber auch Österreich, die Schweiz oder Holland würden mich interessieren. Ich würde gerne meine Fähigkeiten in Europa unter Beweis stellen. Wenn ich mich mit dem bislang Erreichten zufrieden geben würde, müsste ich sofort aufhören und Däumchen drehen. Davon bin ich aber weit entfernt.