Fußball Spielen oder nicht? Ein Luxusproblem

Die Oberbadische
So kennt man ihn: Auf dem Platz gibt Ben Nickel immer volles Rohr.Foto: Mirko Bähr Foto: Die Oberbadische

Fußball Ben Nickel, Kapitän des FV Lörrach-Brombach, macht sich so seine Gedanken in der fußballlosen Zeit

Ein Leben ohne Fußball: Für die hiesigen Kicker ist das seit Anfang März Realität. Der Spielbetrieb ruht. Die letzte Partie, die Ben Nickel bestritt, fand am 8. März statt. Vor genau zwei Monaten gewann der FV Lörrach-Brombach mit 1:0 gegen die DJK Donaueschingen und übernahm wieder die Tabellenführung in der Verbandsliga.

Lörrach. Seither rollt der Ball nicht mehr. Kein gemeinsames Training, keine Auswärtsfahrten, kein Wettbewerb. Unser Sportredakteur Mirko Bähr hat mit dem 26-jährigen Kapitän der Rothemden über diese ungewohnte Situation gesprochen. Nickel wohnt in Lörrach und hat vor dem FVLB nur für den FV Lörrach und den FV Brombach gekickt.

Frage: Wie sehr fehlt Ihnen der Fußball?

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Es ist schwierig in Worte zu fassen, wie ich die derzeitige Situation empfinde.

Frage: Versuchen Sie es.

Also, irgendwann habe ich mich damit abgefunden, dass derzeit nicht gekickt wird. Ich blende das irgendwie aus, mache mir darüber auch keine Gedanken. Wieso soll ich mich über etwas aufregen, das ich nicht beeinflussen kann? In der Zwischenzeit habe ich mich damit angefreundet. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille...

Frage: Und die andere?

Es fehlt mir trotzdem. Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Klar habe ich am Wochenende einen Tag mehr zur freien Verfügung. Aber ehrlich, wenn die Sonne scheint und regionale Derbys anstehen, werde ich wieder zusätzlich zu den eigenen Spielen mit den Jungs am Rand stehen, zugucken, mich am Fußballsport und der Gesellschaft erfreuen. Fußball ist hier in gewisser Weise auch mit einer gewissen Normalität gleichzusetzen, nach der man sich sehnt.

Frage: Wie sieht denn Ihr Wochenende momentan aus?

Ein Frühjahr ohne Fußball gab es lange nicht mehr. Ich spiele ja seit 20 Jahren, wobei das Wochenende erst mit den Jahren mit dem Fußball ausgeschmückt war. Trotz der bisherigen Einschränkungen aufgrund des Coronavirus weiß ich die gewonnene freie Zeit und noch mögliche angestammte Aktivitäten mehr zu schätzen. Und so wird der samstägliche Besuch auf den Wochenmarkt zu einem Highlight, inklusive kurzem Pläuschchen mit Fußballkenner Daniel Sütterlin an dessen Stand. Da wird trotz Pause gefachsimpelt, aber auch über die aktuelle Situation diskutiert, von der er als Landwirt, stellvertretend für viele, auch wirtschaftlich betroffen ist. Man erfreut sich wieder am angestammten Espresso gleich nebenan, welcher jetzt endlich wieder, auch wenn nur „to go”, zu bekommen ist. Dazu treibe ich viel Sport und nehme an Videokonferenzen mit Freunden teil, um mich auszutauschen. Die sitzen ja auch alle daheim. Dazu kommen Spaziergänge, mehr Zeit fürs Kochen und Familienbesuche.

Frage: Blicken wir zurück: Das erste Match nach der Winterpause war erfolgreich.

Das ist wahr. Das macht mir auch stark zu schaffen. Bei uns lief es gleich wieder gut, wir sind mit einem Sieg gestartet, während die Konkurrenz Federn ließ. Das tut mir leid für die Mannschaft und das Trainerteam, denn vielleicht wären wir schnell in einen echten Lauf gekommen. Nicht auszumalen, wo wir am Ende gelandet wären.

Frage: Die Möglichkeit besteht ja weiter, dass die Runde zu Ende gespielt wird.

Aber jetzt fängt alles wieder bei null an. Das bisher Geleistete ist weit weg, und alle Teams fangen wieder bei null an. Auch unsere direkte Konkurrenz, die zum Auftakt Punkte abgegeben hat. Vielleicht hätten sie ja einen Knick bekommen. Das Momentum, das auf unserer Seite lag, ist verloren gegangen.

Frage: Wollen Sie weitermachen?

Was ich auf keinen Fall möchte, ist ein Abbruch mit verbundener Meisterschaft aufgrund unseres aktuellen Tabellenplatzes. Das würde sich nicht gut anfühlen. Aber wie man nun konkret mit der Geschichte umgeht, weiß ich nicht. Ich wüsste die perfekte Lösung auch nicht. Absteiger darf es auf keinen Fall geben.

Frage: Soll man weiter abwarten oder doch lieber Nägel mit Köpfen machen?

Ich finde, dass in der jetzigen Zeit der Fußball zweitrangig ist. Ob wieder gespielt wird oder nicht, das ist doch ein Luxusthema. Es geht um unsere Gesundheit. Ja, mir persönlich geht es gut, ich darf zu 100 Prozent arbeiten, und meine Familie ist aktuell nicht betroffen vom Virus. Das sieht aber bei vielen Menschen ganz anders aus. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Jahr kein Fußball mehr gespielt wird. Wir sind ein Team- und Kontaktsport. Und damit die Letzten, die eingreifen werden. Sollte das der Fall sein, kann ich mir vorstellen, die Runde im März fertig zu spielen.

Frage: Fehlen Ihnen die Jungs?

Ja. Es fehlt alles. Das gesamte Komplettpaket. Ich schätze am Fußball vor allem, mit so vielen verschiedenen Charakteren zusammenzukommen, den Blödsinn in der Kabine, das gemeinsame Training und den Aufwand, den man betreibt, um am Ende die gesteckten Ziele zu erreichen. Es geht mir nicht nur um das Gewinnen, auch wenn das am meisten Spaß macht. Niederlagen schweißen zusammen, es ist nicht immer alles eitel Sonnenschein. Auch damit gilt es, in der Gruppe umzugehen und aufzustehen, so wie im richtigen Leben auch.

Frage: Gab es einen Moment, wo Sie Ihre Füße kaum stillhalten konnten?

Ich kann mich noch genau an den wunderschönen Samstag erinnern, als auf meinem Handy die Erinnerung aufpoppte, dass das Derby gegen den SV Weil ansteht. Das hat schon weh getan. Statt Fußball vor vielleicht 2000 Zuschauern und bestem Wetter saß ich in dem Moment einsam und verlassen auf dem Balkon.

Frage: Wie halten Sie sich fit?

Mit meinem guten Freund Patrice Glaser bilde ich eine Trainingsgruppe. Mobilisation und Kräftigung, Sprints und Ausdauer stehen um die viermal pro Woche auf dem Plan. Da sind wir häufig im Grütt. Dort laufen wir am Rasen vorbei. Er ist abgesperrt, eingezäunt. Wir können nicht drauf. Ein Symbolbild der derzeitigen Lage. Es steht ein Hindernis dazwischen.

Frage: Hat Sie die Krise verändert?

Die Zeit hilft, um zu entschleunigen. Gezwungenermaßen fällt der Fokus auf das Wesentliche. Das haben wir uns nicht ausgesucht, und doch ist es spannend, den Spiegel vorgehalten zu bekommen. Es gilt, die richtige Balance zu finden.

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