Am Pfingstsonntag, beim Besuch unserer Zeitung im Café, sei am Morgen die Putzfrau für das Hotel einfach nicht aufgetaucht. „Am Ende habe ich die Zimmer geputzt – eigentlich wollte ich noch fünf Kuchen backen“, berichtet die 37-Jährige frustriert. Das bedeutet: Die Café-Besucher müssen sich an diesem Sonntag mit einer deutlich reduzierten Kuchentheke abfinden. Insgesamt seien die Eheleute in den vergangenen Monaten mit zahlreichen Herausforderungen und Problemen konfrontiert gewesen. „Es wurden uns auch einige Steine in den Weg gelegt.“ Ins Detail wollen die beiden hier allerdings nicht gehen.
Sie zeigen sich indes auch selbstkritisch und räumen ein, „vielleicht nicht die geborenen Chefs zu sein. Wir sind vielleicht zu lieb“. Für die Gastrobranche sei es ohnehin von Vorteil, „ein dickeres Fell zu haben“, sagt Sadiye Gümüser, die seit ihrem 13. Lebensjahr nebenher in der Gastronomie jobbte, unter anderem in einer Weiler Bäckerei. Vor einer Woche habe ihr ein Gast in der Online-Bewertung nur einen Stern gegeben, weil er wegen geschlossener Gesellschaft keinen Kaffee bekam. „Das trifft mich persönlich hart“, sagt Sadiye Gümüser, die zugibt, nach diesem halben Jahr am Ende ihrer Kräfte zu sein. Es habe Tage gegeben, an denen sie fast 20 Stunden gearbeitet habe.
Abgesichertes Wagnis
Ins Wagnis Gastronomie sind die beiden Quereinsteiger mit einer gewissen Vorsicht gestartet. Die gebürtige Pforzheimerin mit türkischen Wurzeln arbeitete weiterhin – neben dem Café – fast Vollzeit bei der Stadt Basel. Dort ist sie im öffentlichen Dienst als Sachbearbeiterin im Bereich Migration tätig. Ihr Mann, der bei den Markus-Pflüger-Zentren angestellt ist, nahm für das Café-Hotel-Projekt ein Jahr unbezahlten Urlaub und war deshalb immer vor Ort.
Herzblut, Zeit und Geld
Die Enttäuschung ist indes, vor allem bei Sadiye Gümüser, spürbar groß. „Das war mein Lebenstraum. Ich habe wahnsinnig viel Herzblut, Zeit und Energie in dieses Projekt gesteckt.“ Als Beispiel nennt sie die Second-Hand-Möbel, die sie für das Café eigenhändig geschliffen, gestrichen und selbst gepolstert habe. Es sei sehr schade, dass es nicht geklappt habe, zumal einiges an Erspartem in das Projekt geflossen sei und sie beide bereit seien, hart zu arbeiten.
„Bereuen es nicht“
Die Entscheidung, sich selbstständig zu machen, bereuen die beiden trotz allem nicht. „Es tut natürlich weh, nach kurzer Zeit realisieren zu müssen: Es geht nicht“, sagt Said Gümüser. Er sieht das Ganze jedoch pragmatisch: „Das Leben geht weiter.“ Der 42-Jährige ist froh, vorzeitig zu seinem Arbeitgeber zurückkehren zu können. Er wird sich statt ums Café künftig wieder als Fallmanager um die berufliche Integration seiner Klienten kümmern.
Von Istanbul nach Wien nach Bad Bellingen
Said Gümüser, der in der Türkei geboren und aufgewachsen ist, ist durch seine Frau nach Deutschland gekommen. Zuvor arbeitete er viele Jahre als Lehrer in Wien, der Stadt mit der wohl berühmtesten Kaffeehauskultur. Mit 18 Jahren war er aus Istanbul zum Studium in die österreichische Hauptstadt gekommen. Nachdem er seine Frau kennengelernt hatte, zog er nach Deutschland um. 2017 kauften die beiden ein Haus und wohnen seitdem in Rheinweiler. Das Paar hat sechsjährige Zwillingsmädchen. Den Schlussstrich ziehen beide vor allem auch „für die Gesundheit und für die Familie“.
Das Ehepaar betont, es sei dankbar für jeden einzelnen Gast und die schönen Erinnerungen. Sie schließen auch nicht aus, es zu anderer Zeit und an einem anderen Ort noch einmal zu versuchen. „Wer weiß“, sagt Sadiye Gümüser mit einem Lächeln im Gesicht, während die eine oder andere Träne in ihren Augen blitzt.