Gastronomie Bad Bellinger Café „feelfalt“ schließt nach nur einem halben Jahr

Claudia Bötsch
Auch wenn die Enttäuschung groß ist: Sadiye und Said Gümüser bereuen es nicht, ihr Café eröffnet zu haben. Foto: Claudia Bötsch

Die Gästebewertungen sind top, trotzdem ziehen die Pächter einen Schlussstrich: „Es hat sich einfach nicht gelohnt.“

Das Café, das sich in einem Teil des ehemaligen Aparthotels „Badblick“ befindet, wird am Sonntag, 15. Juni, zum letzten Mal geöffnet sein. Damit ziehen die Pächter, Sadiye und Said Gümüser, bereits ein halbes Jahr nach der Eröffnung einen Schlussstrich. Leicht sei ihnen die Entscheidung nicht gefallen. Vor allem der 37-Jährigen fällt es schwer, sich von ihrem „Lebenstraum“ zu verabschieden. Im Gespräch mit unserer Zeitung an diesem Pfingstsonntag muss sie immer wieder mit den Tränen kämpfen.

Tolle Bewertungen

Die Gäste, die da waren, seien begeistert gewesen, blicken die Pächter auf die vergangenen Monate zurück. Dieses Bild bestätigen auch die vielen Bewertungen im Internet, die voll des Lobes sind. Von 53 Kundenstimmen haben fast alle die höchste Fünf-Sterne-Bewertung für Café/Hotel vergeben. Dort heißt es unter anderem: „Das tollste Café weit und breit“, „ein Gewinn für Bad Bellingen“ oder „ein wahres Schmuckstück“. Vielfach gelobt werden die „sehr freundlichen Pächter“, die „liebevolle Einrichtung“ und das „gemütliche, sehr schöne Ambiente“, der „hervorragende Barista-Kaffee“, das „leckere Frühstück“ und die „feinen, hausgemachten Kuchen“.

Begeistert ist auch eine Auggenerin, die an diesem Pfingstsonntag zum wiederholten Mal das Café besucht und die baldige Schließung sehr bedauert. „Es ist einfach besonders: die Einrichtung, das Ambiente, bis zur Tapete: Das hat uns supergut gefallen, und natürlich die sehr feinen Torten“, sagt die Frau, die es sich mit ihrem Mann an einem der kleinen, runden Tische gemütlich gemacht hat.

Nicht wirtschaftlich

Viel Lob für den jungen Betrieb, der allerdings nicht wirtschaftlich war. „Unsere Ausgaben waren größer als die Einnahmen“, macht Said Gümüser deutlich. Deshalb wolle man lieber jetzt die Reißleine ziehen, „bevor wir in die Schuldenfalle tappen“, begründet der 42-Jährige die Entscheidung. Den ans Café angegliederten Hotelbetrieb mit zehn Zimmern wollen sie indes noch bis Ende des Jahres weiterführen – so lange läuft der Pachtvertrag.

Hoffnungsvoller Start

Mit viel Hoffnung und Motivation ist das Ehepaar Gümüser kurz vorm Jahreswechsel in die Gastronomie gestartet. „Backen ist meine große Leidenschaft“, erzählt Sadiye Gümüser. Alle Torten und Kuchen fürs Café habe sie alleine gebacken – trotz ihres Berufs bei der Stadt Basel, den sie weiterhin ausübte. „Ich war so motiviert, an manchen Tagen habe ich bis morgens um 4 Uhr gebacken.“ In den ersten Wochen, gerade über die Feiertage, seien auch sehr viele Gäste gekommen. „Wir hatten einen super Start.“ Profitiert habe das Café allerdings auch davon, dass viele Gastrobetriebe in der Umgebung zu dieser Zeit Betriebsferien gehabt hätten.

Viel Kuchen im Müll

Seit Fasnacht sei es rapide bergab gegangen, ziehen die beiden Bilanz. „Unterm Strich hat es sich nicht gelohnt und wir machen uns nur kaputt.“ Während das Geschäft an einzelnen Tagen geboomt habe, seien an anderen Tagen, vor allem unter der Woche, auch mal nur zwei Kaffees über den Tresen gegangen. „Wir mussten mehr wegwerfen, als wir verkauft haben.“

Second-Hand-Möbel, unter anderem ein Sofa-Ensemble im Biedermeierstil, prägten den besonderen Einrichtungsstil des Cafés. Foto: Claudia Bötsch

Abgelegener Standort

Als einen möglichen Grund für das gescheiterte Café-Projekt nennen sie den „etwas abgelegenen Standort“ an der Von-Andlaw-Straße. „Wir hatten keine Laufkundschaft“, halten sie fest. Zudem habe man in all der Zeit im Café „keinen einzigen Kurgast gesehen“. In diesem Zusammenhang lassen die Pächter durchblicken, dass sie sich etwas mehr Unterstützung von der Gemeinde gewünscht hätten, unter anderem was die Beschilderung angeht. „Ab Tag eins müssen Steuern bezahlt werden. Da wäre es schön, wenn es ein gewisses Entgegenkommen gibt.“ Zumal ein Café auch ein Plus für einen Kurort sei.

Personalprobleme

Wie viele andere Gastrobetriebe hatten Gümüsers zudem Probleme, zuverlässiges Personal zu finden. Teils seien Familienangehörige und Freunde eingesprungen, um zumindest temporär zu unterstützen.

Am Pfingstsonntag, beim Besuch unserer Zeitung im Café, sei am Morgen die Putzfrau für das Hotel einfach nicht aufgetaucht. „Am Ende habe ich die Zimmer geputzt – eigentlich wollte ich noch fünf Kuchen backen“, berichtet die 37-Jährige frustriert. Das bedeutet: Die Café-Besucher müssen sich an diesem Sonntag mit einer deutlich reduzierten Kuchentheke abfinden. Insgesamt seien die Eheleute in den vergangenen Monaten mit zahlreichen Herausforderungen und Problemen konfrontiert gewesen. „Es wurden uns auch einige Steine in den Weg gelegt.“ Ins Detail wollen die beiden hier allerdings nicht gehen.

Sie zeigen sich indes auch selbstkritisch und räumen ein, „vielleicht nicht die geborenen Chefs zu sein. Wir sind vielleicht zu lieb“. Für die Gastrobranche sei es ohnehin von Vorteil, „ein dickeres Fell zu haben“, sagt Sadiye Gümüser, die seit ihrem 13. Lebensjahr nebenher in der Gastronomie jobbte, unter anderem in einer Weiler Bäckerei. Vor einer Woche habe ihr ein Gast in der Online-Bewertung nur einen Stern gegeben, weil er wegen geschlossener Gesellschaft keinen Kaffee bekam. „Das trifft mich persönlich hart“, sagt Sadiye Gümüser, die zugibt, nach diesem halben Jahr am Ende ihrer Kräfte zu sein. Es habe Tage gegeben, an denen sie fast 20 Stunden gearbeitet habe.

Abgesichertes Wagnis

Ins Wagnis Gastronomie sind die beiden Quereinsteiger mit einer gewissen Vorsicht gestartet. Die gebürtige Pforzheimerin mit türkischen Wurzeln arbeitete weiterhin – neben dem Café – fast Vollzeit bei der Stadt Basel. Dort ist sie im öffentlichen Dienst als Sachbearbeiterin im Bereich Migration tätig. Ihr Mann, der bei den Markus-Pflüger-Zentren angestellt ist, nahm für das Café-Hotel-Projekt ein Jahr unbezahlten Urlaub und war deshalb immer vor Ort.

Herzblut, Zeit und Geld

Die Enttäuschung ist indes, vor allem bei Sadiye Gümüser, spürbar groß. „Das war mein Lebenstraum. Ich habe wahnsinnig viel Herzblut, Zeit und Energie in dieses Projekt gesteckt.“ Als Beispiel nennt sie die Second-Hand-Möbel, die sie für das Café eigenhändig geschliffen, gestrichen und selbst gepolstert habe. Es sei sehr schade, dass es nicht geklappt habe, zumal einiges an Erspartem in das Projekt geflossen sei und sie beide bereit seien, hart zu arbeiten.

„Bereuen es nicht“

Die Entscheidung, sich selbstständig zu machen, bereuen die beiden trotz allem nicht. „Es tut natürlich weh, nach kurzer Zeit realisieren zu müssen: Es geht nicht“, sagt Said Gümüser. Er sieht das Ganze jedoch pragmatisch: „Das Leben geht weiter.“ Der 42-Jährige ist froh, vorzeitig zu seinem Arbeitgeber zurückkehren zu können. Er wird sich statt ums Café künftig wieder als Fallmanager um die berufliche Integration seiner Klienten kümmern.

Von Istanbul nach Wien nach Bad Bellingen

Said Gümüser, der in der Türkei geboren und aufgewachsen ist, ist durch seine Frau nach Deutschland gekommen. Zuvor arbeitete er viele Jahre als Lehrer in Wien, der Stadt mit der wohl berühmtesten Kaffeehauskultur. Mit 18 Jahren war er aus Istanbul zum Studium in die österreichische Hauptstadt gekommen. Nachdem er seine Frau kennengelernt hatte, zog er nach Deutschland um. 2017 kauften die beiden ein Haus und wohnen seitdem in Rheinweiler. Das Paar hat sechsjährige Zwillingsmädchen. Den Schlussstrich ziehen beide vor allem auch „für die Gesundheit und für die Familie“.

Das Ehepaar betont, es sei dankbar für jeden einzelnen Gast und die schönen Erinnerungen. Sie schließen auch nicht aus, es zu anderer Zeit und an einem anderen Ort noch einmal zu versuchen. „Wer weiß“, sagt Sadiye Gümüser mit einem Lächeln im Gesicht, während die eine oder andere Träne in ihren Augen blitzt.

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