In der Nacht kehrten unterdessen die im Gegenzug freigelassenen palästinensischen Häftlinge in ihre Heimatorte im Westjordanland und Ost-Jerusalem zurück. Auf Videos in sozialen Medien war zu sehen, wie Menschen nahe Ramallah das Eintreffen der weißen Busse jubelnd begrüßen. Israel wollte Berichten zufolge Feiern nach der Entlassung der Häftlinge unterbinden.
WHO: Weiter Gefahr einer Hungersnot
Im schwer verwüsteten Gazastreifen verbrachten die notleidenden Menschen derweil die erste Nacht seit mehr als einem Jahr, in der die Waffen schwiegen. Im Rahmen der Waffenruhe muss sich die israelische Armee aus den Bevölkerungszentren des abgeriegelten Küstenstreifens zurückziehen. Große Teile liegen in Schutt und Asche. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen mehr als 46.900 Menschen ums Leben. Wie viele davon Zivilisten und wie viele Kämpfer sind, sagt sie nicht.
Arabischen Medienberichten zufolge waren nach Beginn der Feuerpause die ersten knapp 200 Lastwagen auf dem Weg in das Gebiet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und ihre Partner wollen während der Waffenruhe versuchen, Teile des Gesundheitssystems wieder funktionstüchtig machen. Nur die Hälfte der Hospitäler in Gaza sei teilweise arbeitsfähig, hieß es. Fast alle Kliniken seien zerstört oder beschädigt. "Die Übertragung von Infektionskrankheiten hat massiv zugenommen, die Unterernährung nimmt zu und die Gefahr einer Hungersnot bleibt bestehen", hieß es weiter.
Schwierigste Fragen sind noch ungelöst
Bei den kommenden Verhandlungen geht es um die größten Streitpunkte, die bisher ausgeklammert wurden. Die Hamas fordert den vollständigen Abzug der israelischen Armee aus dem Küstenstreifen und eine Garantie, dass die Kämpfe dauerhaft beendet sind. Israels Regierungschef Netanjahu hingegen besteht auf der Zerschlagung der Hamas. Ein Stolperstein könnte die Frage sein, welche Häftlinge Israel in einer zweiten Phase im Austausch für die restlichen Geiseln freilassen soll. 34 der Geiseln in Gaza sind vermutlich bereits tot.
Israels Außenminister Gideon Saar warnte vor einem vorzeitigen Kollaps der Waffenruhe. "Wir haben heute die Bilder aus Gaza gesehen. Die Hamas ist noch immer an der Macht in Gaza", sagte er in einem Interview des US-Senders CNN. "Es ist kein Automatismus, von einer Phase in die nächste überzugehen." Die Hamas dürfe nicht länger in Gaza herrschen, sagte er. Die Hamas bekannte sich nach eigenen Angaben zur Einhaltung der Waffenruhe. Ihr Sprecher Abu Obaida erklärte, die Vermittler müssten Israel zwingen, das Gleiche zu tun.