Sind alle Erwartungen erfüllt worden?
Unterm Strich ja – aber in den gut dreijährigen Verhandlungen waren zahlreiche Kompromisse nötig. Europäer wollten zum Beispiel stärkere Auflagen bei der Prävention: Regierungen sollen das Krankheitsgeschehen in der Tierwelt enger überwachen, weil Erreger von dort sich an Menschen anpassen können. Ärmere Länder verwiesen auf die hohen Kosten. Die afrikanischen Länder wiederum hätten gerne strengere Auflagen im Pabs-System und beim Technologietransfer gesehen sowie klare Finanzierungshilfen zur Stärkung der Gesundheitssysteme.
Warum warnen Populisten vor dem Vertrag?
Verschwörungstheoretiker behaupten vor allem in sozialen Netzwerken, die WHO könne nun bei der nächsten Pandemie Zwangsmaßnahmen anordnen. Auch die konservative Schweizer Wochenzeitung "Weltwoche" haut in diese Kerbe: "Die WHO würde mit dem neuen Vertragswerk faktisch zur mächtigsten Behörde der Welt, zu einer Behörde, die über den Ausnahmezustand entscheidet", schreibt sie.
Das ist falsch. In Artikel 22 des Pandemievertrags steht ausdrücklich, dass weder die WHO noch ihr Generaldirektor innerstaatliche Maßnahmen anordnen, Reisebeschränkungen verhängen, Impfungen erzwingen oder Lockdowns anordnen können. Der Vertrag gilt nur in Ländern, die ihn ratifizieren. In dem Vertrag sind keine Strafmaßnahmen vorgesehen, wenn ein Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.