Im brasilianisch-deutschen Arara-Verlag ist mit „Die Hälfte der neuen Welt“ der erste Roman von Carola Lambelet erschienen. Mit dem Schritt in die Schriftstellerei hat sich die Grenzacherin einen Traum erfüllt. Von Tim Nagengast Grenzach-Wyhlen. Carola Lambelet bittet ins Wohnzimmer und serviert Darjeeling-Tee und dazu selbstgebackenen Apfelkuchen, als unsere Zeitung zu Besuch kommt. Die Oktobersonne strahlt durch die halb heruntergelassenen Jalousien und spiegelt sich in der Teekanne. Familienhund „Jimmy“ trollt sich zufrieden in den Garten. Sohn Jefferson stürmt zur Tür herein. Er kommt gerade aus der Schule. Der 17-Jährige spurtet die Treppe nach oben. „Nicht nur ihn habe ich damals aus Brasilien mitgebracht“, strahlt die 49-Jährige und lacht. Damals – im Jahr 2002 – war sie mit Ehemann Jörg nach zweijährigem, berufsbedingtem Aufenthalt aus dem fünftgrößten Land der Erde ins heimische Grenzach zurückgekehrt. Mit viel Gepäck und dem zweieinhalbjährigen Jefferson an der Hand, den das Paar in Brasilien adoptiert hatte. Im Bauch trug sie zudem ihre Zwillinge David und Lucas – heute zwei aufgeweckte Teenager – und im Kopf viele Eindrücke. Und Liebe. Liebe zu einem Land, das sie überwältigt hatte. Wenn die frisch gebackene Schriftstellerin, von Haus aus eigentlich Fachärztin für Gynäkologie, von der gemeinsamen Zeit in Brasilien berichtet, dann leuchten ihre Augen. Lebhaft erzählt sie von Aufenthalten in Rio de Janeiro und Sao Paulo, vom bisweilen wochenlangen Leben aus dem Koffer, von Umzügen sowie augenzwinkernd von der „Pflicht“, bei der Anmietung der 50-Quadratmeter-Bude die Putzfrau des Vormieters mit zu übernehmen, „denn die hätte ja sonst keinerlei Arbeit mehr gehabt“. Vor allem aber spricht Carola Lambelet über die unvergleichliche Lebensart in Brasilien, über die Menschen in diesem riesigen Schmelztiegel der Kulturen sowie über die Natur, die sie immer wieder gefangen nahm. Fasziniert von diesem Land begann Lambelet, sich intensiv mit dessen wechselvoller Geschichte zu befassen. Eine Historie, die in Deutschland so in keinem Lehrplan steht oder allenfalls kurz gestreift wird. Brasilien steht in Europa vielmehr für Stereotypen wie die Copacabana, Karneval in Rio, den Zuckerhut, indigene Völker am Amazonas, Raubbau an der Natur, Drogenanbau sowie Gewalt in den Favelas. „Mit meinem Buch will ich Brasilien, dieses einzigartige Land, den Lesern jenseits der Klischees näherbringen", nennt Lambelet einen Grund für das Erscheinen ihres Erstlingsromans. Auf knapp 400 Seiten nimmt die Autorin den Leser gleich mitten hinein in das riesige Schwellenland. Hinein in das Schicksal dreier Protagonisten in drei Jahrhunderten. Da ist beispielsweise die junge deutsche Ärztin Júlia, die nach Brasilien geht, um den letzten Wunsch ihrer Mutter, zu der sie eher ein unterkühltes Verhältnis hatte, zu erfüllen, nämlich das Verstreuen ihrer Asche am einstigen Lieblingsstrand. Da ist der portugiesische Bauernjunge Benício, der zu allem entschlossen ist. Und Kapitän Gaspar de Lemos, Mitglied der Flotte des Brasilienentdeckers Pedro Alvares Cabral. Diese drei Romanfiguren leben in unterschiedlichen Jahrhunderten – im 16., im 19. und im 20. – und haben scheinbar nichts gemeinsam. Doch ihre Schicksale sind auf rätselhafte Weise miteinander verbunden. Drei Geschichten im, wie sie sagt, „gemischtesten Land der Welt“ erzählt Carola Lambelet in ihrem ersten Roman „Die Hälfte der neuen Welt“. Drei Geschichten und drei Handlungsstränge, die doch irgendwann aufeinander treffen. Logbucheinträge von de Lemos, dessen Berichte heute in der Nationalbibliothek von Lissabon lagern, sind eine Basis, eine Geschichte aus dem Jahr 1994 sowie eine vom Ende des 19. Jahrhunderts bilden die andere. Nein, der Leser ihres Buches werde keinesfalls mit historischen Fakten überfüttert, lacht Carola Lambelet, „denn es ist ja ein Roman“. Diese bilden vielmehr das Gerüst, um Interessierten Brasilien aus verschiedensten Perspektiven näherzubringen. Mithilfe von Familiengeschichten, Abenteuer, Liebe und Verrat. Und mit einer gehörigen Portion Spannung. Die Charaktere sind dabei weitgehend fiktiv gewählt. Eingeflossen in das Erstlingswerk der Autorin sind dennoch viele eigene Erfahrungen und Erlebnisse – vermengt mit der wenig bekannten, wechselvollen Geschichte Brasiliens, dieses Landes voller Gegensätze und Widersprüche, das Lambelet so sehr fasziniert. „Ich hatte es ja eigentlich eher als Frauenbuch gedacht“, schmunzelt die 49-Jährige und gießt dem Gast noch eine Tasse Darjeeling-Tee ein. „Aber irgendwie waren alle Männer, denen ich es zum Gegenlesen gab, dann total begeistert. Sogar mein Mann“, lacht sie. Weitere Informationen: Carola Lambelet liest am 24. November in der Buchhandlung Merkel, Grenzach, aus „Die Hälfte der neuen Welt“.