Frage: „Nachhaltigkeit“, „Klimaschutz“ oder „Schonung der Ressourcen“ rückte in den vergangenen Jahren zunehmend ins Bewusstsein. Was ist Ihr Leitgedanke im Zusammenhang mit der neuen Tausch- und Schenkbörse?
Übergeordnete Orientierung für unser Handeln bietet der „Earth-Overshoot-Day“, der Weltüberlastungstag, der Tag im Jahr, an dem die Ressourcen des jeweiligen Jahres aufgebraucht sind beziehungsweise bis zu dem die Ressourcen erneuerbar wären. Letztes Jahr war dieser Tag der 22. August. Dieser Tag rückt jedes Jahr immer weiter vor und sollte sich doch wenigstens am Jahresende befinden.
Indem wir uns gegenseitig beschenken oder tauschen, vermeiden wir effektiv Müll, fördern die Nachbarschaftshilfe und unterstützen vielleicht auch den lokalen und regionalen wirtschaftlichen Stand. Dabei wollen wir auch darauf achten, dass Sharing-Economy nicht zu sehr kapitalistischen Grundsätzen folgt, also weg vom Wachstumsdenken, das sich allzu einseitig am Bruttoinlandsprodukt orientiert.
Hier gibt es bereits Bemühungen wie etwa die der Suchmaschine Ecosia, die Spendengelder für weltweite Baumpflanzungen generiert. Noch sind wir regional aufgestellt, es gibt Kontakte mit dem Familienzentrum Rheinfelden und FairNetzt Lörrach, und in Tübingen sind ebenfalls ein paar Mitstreiterinnen unterwegs. Eine nationale oder internationale Ausweitung wäre schön.
Frage: Was ist bis jetzt gelaufen?
Am Samstag, 6. Februar, fand über www.mehr-wert- deutschland.de unser Online-Flohmarkt statt. Da konnte man tauschen, verschenken oder etwas zu einem Kleinstbetrag auch verkaufen. Wenn sich die Interessenten einig waren, konnte dies auch zum persönlichen Kontakt führen. Deshalb begleiteten wir das Ganze auch mit einem Zoom-Call.
Nach Corona würden wir das Format jedoch eher auf einen „echten“ Flohmarkt übertragen. Weitere wichtige Verbreitungskanäle sind www.instagram.com/mehr_wert_ deutschland, www.facebook. com/mehrwertdach und natürlich unser eigener Blog www.mehr-wert- deutschland.de. Wir nutzten das, was es bereits gibt, und sind hier als Mehr-Wert vertreten.
Frage: Was hat denn dagegen gesprochen, sich einfach nur in eine der bereits bestehenden Börsen einzuklinken?
Die haben wir teilweise ausgetestet. Allerdings erhalten wir etwa bei Ebay-Kleinanzeigen zu wenig Rückmeldungen. Sie haben aktuell schon noch einen stärker kommerziellen Fokus und eine etwas andere Klientel. Gern beziehen wir jedoch alle Tauschbörsen mit vergleichbaren Zielen mit ein.
Wir wollen unser Angebot und unsere Kommunikation so ausrichten, dass Schenken und Tauschen einfach und alltagstauglich wird. Das Grundproblem ist derzeit, dass unser Ansatz noch zu unbekannt ist beziehungsweise zu teuer oder zu kompliziert erscheint.
Frage: Was steht nun an?
Unser zweites großes Projekt ist eine für Nutzer kostenfreie Tausch-Applikation. Das Crowdfunding dafür läuft am 1. März an. Wir wollen unsere App so aufbauen, dass man beispielsweise in der Bahn von Lörrach nach Basel Informationen zu Tausch- und Schenkwilligen erhält, um etwa auf dem Nachhauseweg von der Arbeit den Gegenstand einzutauschen, den man schon lange sucht. So könnte eine Kontaktaufnahme zum ressourcenschonenden Besitzerwechsel eines Fahrrads führen und in einem zweiten Leben zum greifbaren Mehrwert für den neuen Nutzer. Zu diesem Thema erstelle ich derzeit auch meine Master-Thesis an der Diploma Hochschule.
Frage: Allein uneigennützig wird das Projekt nicht funktionieren. Wie wollen Sie eine tragfähige Balance zwischen altruistischem Fokus und notwendiger Gewinnabsicht erreichen?
Ich glaube, wenn man die richtigen Angebote macht, einfach verfügbar und praktisch, werden sich auch genügend Mitmachwillige finden. So kann ich mir vorstellen, ein Mittelding zwischen dem altruistischen Couch-Surfing und einem eher kommerziellem Bed-and-Breakfast anzubieten. Im besten Fall sollen die Leute, die bei Mehr-Wert mitmachen, davon leben können. Dies sollte über freiwillige Beiträge der Nutzer, aber auch durch Spenden ähnlich wie bei Wikipedia funktionieren.
Weitere Informationen: www.mehr-wert-deutschland.de