Grenzach-Wyhlen Der Paradiesvogel schmeißt hin

Tim Nagengast
Erkennungszeichen „Victoria-V“: Mit Peter Endruhn- Kehr kehrt eine schillernde Persönlichkeit dem Gemeinderat den Rücken. Foto: Tim Nagengast

Kommunalpolitik: Peter Endruhn-Kehr legt sein Gemeinderatsmandat nieder / Felix Düster rückt nach

Grenzach-Wyhlen - Für einen unerwarteten Paukenschlag hat Peter Endruhn-Kehr am Dienstagabend zum Ende der öffentlichen Sitzung des Grenzach-Wyhlener Gemeinderats gesorgt: Der FDP-Fraktionssprecher legte sein Mandat mit sofortiger Wirkung aus gesundheitlichen Gründen nieder. Die Reaktion des Gremiums: Stille, fragende Blicke und offene Münder.

Mal bunter Paradiesvogel, der immer das „V“-Zeichen macht, mal nachdenklicher Mann mit einem Ohr an der Basis, mal verbaler Vorschlaghammer: Begriffe wie diese apostrophieren den Auftritt Endruhn-Kehrs im Ratsrund beziehungsweise ihn als Person selbst wohl ziemlich treffend. Denn wer ihn kennt und erlebt, weiß: Ein versierter Tänzer auf dem Parkett der Diplomatie ist der Freidemokrat nicht und will dies auch nicht sein.

Kaum einer im Gemeinderat hat als Person in den vergangenen Jahren derart heftig polarisiert wie Peter Endruhn-Kehr. In den neuneinhalb Jahren seiner Gremium-zugehörigkeit hat er dabei unbestreitbar Akzente gesetzt, einiges ins Rollen und Farbe in Debatten gebracht sowie in der Sache oft Überzeugungsarbeit geleistet. Doch nun will er nicht mehr.

Polarisierender Paradiesvogel

Beileibe nicht jeder kommt mit seiner sehr direkten Art klar – egal, ob innerhalb oder außerhalb des Gemeinderates. Durchaus gefällt Endruhn-Kehr sich in der Rolle des Paradiesvogels, wie er selbst unumwunden einräumt. Sehr oft eckt er an, provoziert, legt Finger in Wunden. Dazu kommt sein extravaganter, optisch bisweilen lauter Auftritt (etwa: FC St. Pauli-Pullover und dazu knallblaue Edeltreter).

Zurückhaltung, das ist Endruhn-Kehrs Sache nicht. Zu gerne teilt er aus. Zu gut kann er aber auch einstecken und mit genau den Menschen, mit denen er sich kaum eine halbe Stunde zuvor am Ratstisch noch heftige verbale Scharmützel geliefert hat, nach Sitzungsende ein Bierchen trinken gehen.

Beim Wähler kommt Endruhn-Kehr genau wegen dieser Mischung, für die er steht, ganz offenkundig an. Die Wahlberechtigten goutierten 2014 und 2019 seinen kommunalpolitischen Einsatz entsprechend. Der verhalf dem 61-Jährigen, der seit über 30 Jahren in Grenzach ein Immobilienbüro betreibt, erst im vergangenen Jahr mit 2125 Stimmen (das zweitbeste Ergebnis für die FDP) zu einem Wiedereinzug ins Kommunalparlament.

Heftige Kritik an neuen Ratsmitgliedern klingt an

Kurz war seine Abschiedsrede am Dienstagabend im Gemeinderat. Sie sei, so Endruhn-Kehr, „für die einen ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, für die anderen etwas zum Nachdenken“. In seinen wenigen Worten wünschte er „der aufstrebenden jungen Generation, aber auch den alten Hasen für ihre Arbeit Durchsetzungskraft, aber auch eine gesunde Gelassenheit“. Dies galt auch für seine beiden Fraktionskollegen, Ralf Blubacher und Tilo Levante, die von Endruhn-Kehrs Schritt offenbar nichts geahnt hatten.

Fraktionskollegen ahnten offenbar von nichts

Am Tag darauf hat sich der aufgewirbelte Staub wieder etwas gelegt. Endruhn-Kehr gibt sich im Gespräch mit unserer Redaktion aufgeräumt und zuversichtlich. Er werde „selbstverständlich gerne und mit Optimismus“ weiterhin am öffentlichen Leben in Grenzach-Wyhlen teilnehmen und auch sein Büro weiterbetreiben, sagt der 61-Jährige.

Er schaltet aber, nachdem der Autor dieser Zeilen nicht lockerlassen will, recht schnell in den Kritikmodus um. Er habe in seiner kurzen Abschiedsrede ganz bewusst betont, „dass im neuen Gemeinderat viele Gegebenheiten und ungeschriebene Gesetze nicht mehr gelten“, räumt er ein.

Ob er die FDP verlässt, will er noch nicht sagen

Gerade seit dem Einzug einiger neuer Ratsvertreter nach der jüngsten Kommunalwahl sei dies so, legt Endruhn- Kehr nach – ohne Namen nennen zu wollen. „Es kann doch nicht sein, dass das alte Gremium eine Bauvoranfrage gutgeheißen hat, dann kommt der Bauantrag vor den neuen Gemeinderat – und der sagt dann Nein. Wo bleibt denn da unsere Glaubwürdigkeit? Keine klare Linie. Keine Verlässlichkeit für den Bürger“, nennt der frühere FDP-Fraktionssprecher ein Beispiel, warum es ihm die Ratsarbeit vergällt hat.

Aber auch sonst: „Entscheidungsprozesse werden immer länger. Dann wird die Verwaltung mit tausenden Anfragen lahmgelegt. Ätzend. So geht nichts nach vorne. Da kommt dann halt wieder der Unternehmer in mir durch“, sagt Endruhn-Kehr mit Frust in der Stimme.

Trotzdem will er nicht verstummen. So kann er sich vorstellen, im Rahmen von Beteiligungsprozessen „als Bürger, also von der anderen Seite her“ in Erscheinung zu treten. „Zum Beispiel dann, wenn unser Zukunftsforum mal wieder das Jugendparlament instrumentalisiert – siehe Neue Mitte Wyhlen – und die das nicht merken. Dann muss man sich mal einschalten und vielleicht andere Wege aufzeigen, die möglich sind, um den richtigen Durchblick zu haben“, gibt Endruhn-Kehr sich gewohnt kampfeslustig.

Im Gespräch aber hört man heraus: Zumindest des ständigen politischen Streites scheint Peter Endruhn-Kehr müde geworden zu sein. Was das für seine Zukunft in der FDP als Partei bedeutet, darüber hüllt er sich in Schweigen: „Dazu kann ich jetzt noch nichts sagen.“

Weitere Informationen: Nachrücker im Gemeinderat anstelle von Endruhn-Kehr wird Felix Düster.

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