Grenzach-Wyhlen Ein Grenzzaun prägte Schicksale

Rolf Rombach
Gaben einen Einblick in die Entstehung der Ausstellung über den Grenzzaun um Riehen (von links): Ulrich Tromm, Sandra Grether (Heimatgeschichtsverein) und Jürgen Krause Foto: Rolf Rombach

Die Ausstellung „Endstation Grenzzaun? Flucht zwischen Rettung und Tod“ zeigt bis Mitte Juli in der Römervilla persönliche Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg.

Zu Zeiten des Schengen-Abkommens, das vielen Bürgern ein sorgen- und problemloses Reisen über Ländergrenzen hinweg ermöglicht, waren die mehrwöchigen Einschränkungen vor vier Jahren zur Bekämpfung der Corona-Pandemie für viele Menschen eine ungewohnte Erfahrung. Wer aber die Kriegsjahre miterlebt hatte, dem kamen geschlossene Grenzen zur Schweiz bekannt vor.

Als der Zweite Weltkrieg um 1942 kippte, verstärkten die Nationalsozialisten zahlreiche Grenzbefestigungen. Ein Kommando des Reichsarbeitsdienstes (RAD) aus dem Sauerland war in jenem Sommer schließlich damit beauftragt, eine 18 Kilometer lange Grenzbefestigung mit bis zu drei Meter Höhe zur Schweiz zu errichten. Mit diesem teils acht Meter breiten Grenzzaun beschäftigt sich eine Wanderausstellung, die im Jahr 2017 im Landratsamt Lörrach und in Riehen zu sehen war und nun in Grenzach angekommen ist.

Langjährige Nachwirkung

Zur Eröffnung lud der Verein für Heimatgeschichte am Sonntag zu einer Podiumsdiskussion in die Römervilla ein. Moderatorin Sandra Grether hatte mit Ulrich Tromm und Jürgen Krause zwei Experten zur Thematik eingeladen, die an der Konzeption damals beteiligt waren und von ihren Forschungen berichteten. Wie nah die Verbindungen bis heute reichen, zeigte die Anwesenheit einiger Zeitzeugen oder deren Nachfahren. Bis heute sei die Identität der Arbeiter aus dem Siegerland nicht geklärt, berichtete Tromm. Zur Kriegsdienstvorbereitung „am Spaten“ waren die 17-jährigen Jungs damals im RAD tätig. Selbst 1973 gab es in Riehen noch Beschwerden über vereinzelte Reste der Zaunanlage. So mancher Besucher der Vernissage berichtete davon, sich selbst als Kind beim Spielen einst daran verletzt zu haben.

Es entstanden durch eine öffentliche Behandlung des Themas 2017 neue Kontakte, die das Bild der damaligen Zeit erweiterten.

Alle Aussagen sind belegt

Als „Glücksfall“ bezeichnete Tromm die Entdeckung eines örtlichen Fluchthelfer-Netzwerkes mit Verbindungen bis nach Berlin. Der Freitod der Jüdin Frieda Grüneberg, die im Jahr 1942 starb, bewegte 2022 sogar die Tageszeitung TAZ zu einer Reportage. Der Berlinerin ist ein prominenter Grabstein auf dem Grenzacher Friedhof gewidmet. Im Rahmen der Flucht an Heiligabend 1942 wurde sie festgenommen, ihr Mann schaffte es in die rettende Schweiz. Nach „hartem Verhör“ habe Grüneberg dennoch nicht ihre Fluchthelfer verraten, allerdings im Anschluss Suizid begangen, ist in der Ausstellung zu erfahren.

Die Aufarbeitung ist ohne Spekulationen formuliert, wie Ulrich Tromm betont. Alle Aussagen seien belegt. So auch, dass beim helfenden Zollbeamten Xaver Beck später 15 000 Mark gefunden wurden. Durch das Kriegsende seien er und weitere Fluchthelfer aus Weil am Rhein, Freiburg, Basel und Berlin einer Bestrafung entgangen. Doch nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz war die Fluchthilfe und Flucht an sich bereits illegal. Erfolgreich Geflüchtete kamen daher häufig zunächst in Arbeitslager.

Fluchterlebnisse vorstellen

Mehrere Fluchterlebnisse werden vorgestellt, darunter auch die von Zwangsarbeiterinnen aus dem Ostblock und einer (im NS-Jargon) „halb-jüdischen“ Ärzte-Familie aus Köln. Zudem gibt es seltenes Filmmaterial, das Rudolf Vetter aus Siegen, Sohn des RAD-Bauleiters Siegfried Vetter, dem Lörracher Kreisarchiv zur Verfügung stellte.

Vorträge zur Ausstellung

Am 18. Juni berichtet TAZ-Journalist Klaus Hillenbrand von seinen Forschungen zum Fall Grüneberg.

Am 9. Juli stellt Barbara Seiler, Tochter der Schweizer Publizistin Lukrezia Seiler, das Werk und Recherchen ihrer Mutter zu Zeitzeugen des Grenzzauns vor.

Beide Vorträge beginnen um 19 Uhr im evangelischen Gemeindehaus, Hauptstraße 32, in Grenzach.

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