Grenzach-Wyhlen Ein Rattenschwanz ohne Ende

Die Oberbadische
Die Grenzach-Wyhlener Finanzverwaltung muss sich durch einen riesigen Aktenberg wühlen. Symbolfoto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Finanzen: Steuerlich falsche Buchungen und fehlende Jahresabschlüsse beschäftigen die Verwaltung

Bei einigen Gemeinderäten haben am Dienstagabend die Ohren geschlackert, als Bürgermeister Tobias Benz ihnen ein unangenehmes Thema präsentierte. Denn die Gemeindeverwaltung ist seit rund zwei Jahren damit beschäftigt, enorme Aktenberge zu sichten und Fehler aufzuarbeiten, welche die Finanzverwaltung in der Vergangenheit gemacht hat. Dazu hat man sich fachliche Hilfe geholt.

Von Tim Nagengast

Grenzach-Wyhlen. Wie Benz zu Beginn darlegte, ist die Gemeinde Grenzach-Wyhlen seit 2012 nicht nur mit den Jahresabschlüssen im Verzug, sondern auch mit mehreren Steuererklärungen. Hinzu kommen etliche steuerliche Fehlbuchungen aus vergangenen Jahren. So wurden Rechnungen aus dem Ausland steuerlich falsch behandelt, unkorrekte Steuersätze verwendet und in einigen Fällen auch eine Weiterbelastung an die kommunalen Eigenbetriebe zu spät veranlasst, wie Benz festhielt. Dies bedeute finanzielle Risiken für die Gemeinde.

Sonderprüfung läuft

Daneben läuft seit Ende 2015 eine vom Finanzamt Lörrach angeordnete Umsatzsteuer-Sonderprüfung bezüglich der Erweiterung und Sanierung des Seniorenzentrums Emilienpark. Denn parallel zur baulichen Erweiterung wurden auch Arbeiten im Gebäudebestand vorgenommen, was aus steuerlicher Sicht zweierlei ist und daher hätte gesondert aufgeführt werden müssen, wie Bürgermeister Benz im Nachgang der Gemeinderatssitzung auf Anfrage sagte. Mehrere Hundert Einzelrechnungen und -positionen müsse die Gemeinde nun mühsam Stück für Stück jeweils dem Emilienpark-Neubau oder dem vorhandenen Gebäudebestand zuordnen. Zur Erinnerung: Der Neubau wurde anno 2009 eingeweiht.

Um alle Rückstände fachgerecht aufzuarbeiten, hat sich die Gemeinde die Nürnberger Steuerberatungskanzlei Rödl & Partner ins Boot geholt. Deren Vertreter, Manuel Maul, legte im Gemeinderat die Fakten auf den Tisch. Der Steuerberater war dabei etwas zurückhaltender als der Bürgermeister. So sprach Maul von „Herausforderungen“ und einer Schadenshöhe von rund 50 000 Euro, während Benz diese als „offene Probleme“ titulierte. „Wir wollen endlich wieder à jour sein“, hielt Benz fest.

Vereinfacht gesagt, reicht die Problematik weit, bisweilen sogar sehr weit zurück. So stehen etliche Steuererklärungen vergangener Jahre noch aus, darunter seit dem Jahr 2011 für die (gewerblichen) Eigenbetriebe Emilienpark und Bäder. In der Folge hat das Finanzamt Lörrach diese dann eben geschätzt.

„Kistenweise Ordner“

Ein Beispiel ist die Erschließung des Baugebiets „Kapellenbach“ ab 2005. Dort wurden drei Jahre lang keine Vorsteuerbeträge geltend gemacht, denn sie waren fälschlicherweise im kommunalen Kernhaushalt und nicht im Eigenbetrieb Wasserversorgung verbucht worden. Dieses Geld ist nun weg.

Was die obengenannten Rechnungen aus dem Ausland betrifft, geht es hier beispielsweise um die Umsatzsteuer, die nicht abgeführt wurde. Versäumt hat die Gemeinde überdies, bei ihren kommunalen Bädern eine Vorsteueraufteilung anzuwenden. Denn die beiden Bäder werden ja nicht nur von der Öffentlichkeit, sondern auch von Vereinen und Schulen genutzt.

Finanzamt ist im Bilde

Wie Manuel Maul betonte, sei das Finanzamt Lörrach über die Gesamtsituation im Bilde: „Dort liegen kistenweise Ordner – es ist mühselig.“ „Unterm Strich“ seien jedoch viele „Altlasten" inzwischen aufgearbeitet, sodass man „insgesamt auf einem guten Weg“ sei.

Zentrale Buchhaltung

Auch Bürgermeister Benz ist der „Blick nach vorn“ wichtig, wie er am Ratstisch sagte. Ein wichtiger Schritt, um derartige Fehler samt Folgefehlern zu vermeiden, sei die bereits vollzogene Einrichtung einer zentralen Buchhaltung bei der Gemeindeverwaltung. Zudem würden etliche Prozessabläufe verwaltungsintern geändert.

Räte mussten schweigen

Früher sei es oftmals so gewesen, dass jede Stelle in der Verwaltung für sich Buchungen vorgenommen habe. „Und wenn dann mal was falsch eingegeben worden war, wurde es im Folgejahr an derselben Stelle erneut falsch gebucht, und so kam ein Folgefehler zum anderen“, sagte Benz im Nachgang der Sitzung. Er betont, dass der Gemeinderat seit Beginn der Aufarbeitungen regelmäßig nichtöffentlich auf den aktuellen Stand gebracht wurde. „Wir waren ja zum Schweigen verdonnert“, hielt ein Ratsmitglied nach Sitzungsende knurrend fest.

Kämmerei ohne Leitung

Seit dem Weggang von Anne Mack ist die Leitungsstelle der kommunalen Kämmerei unbesetzt. Mack selbst war nur zwei Jahre lang im Amt und hatte zum Ende des vergangenen Jahres bei der Gemeindeverwaltung gekündigt. Wem die über Jahre gemachten Fehler anzulasten sind, erscheint schwierig. Bürgermeister Benz jedenfalls wollte im Rat keine konkreten Schuldzuweisungen machen. Im Gremium wiederum übte man auch Selbstkritik. Man habe sich wohl zu sehr auf die Finanzverwaltung verlassen, sagte Heinz Intveen (SPD).

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