Grenzach-Wyhlen „Endlich wieder etwas Alltag“

Die Oberbadische

Corona: Seit gestern haben fast alle Geschäfte unter Auflagen wieder geöffnet / Kunden sind diszipliniert

Endlich wieder Menschen auf den Straßen! Seit dem gestrigen Montag haben die allermeisten Geschäfte in der Doppelgemeinde wieder geöffnet. Dies zwar unter strengen Auflagen, doch ist die Erleichterung bei Ladenbetreibern wie bei Kunden gleichermaßen groß, wie beim Rundgang zu erleben war. Denn nichts wünschen sich viele Menschen derzeit offenbar so sehr wie Alltag.

Von Tim Nagengast

Grenzach-Wyhlen. Kurz nach halb elf herrscht auf den Gehsteigen der Gartenstraße Betrieb. Das „Hieberle“, die Apotheke und der Kunzelmann-Beck haben ohnehin offen, Metzgermeister Auers „Sensationswürscht“ gibt’s wie gewohnt erst ab Dienstag, denn montags hat er Ruhetag. Also alles wie immer am Montagmorgen in Wyhlen? Nein, noch nicht ganz.

Bei Petra Schlegels Postagentur ist die Schlange zwar so lang wie eigentlich immer, nur stehen die Kunden nicht wie früher dicht gedrängt drinnen am Schalter, sondern draußen auf dem „Roten Platz“. Sicher 20 Leute – mit ordentlich Abstand dazwischen. Zum Glück spielt das Wetter mit.

Einmal ums Eck gebogen zu Stephan Schlageters Zweiradladen. Keine zwei Wochen, nachdem das Velogeschäft von Grenzach nach Wyhlen gezogen war und Wiedereröffnung gefeiert hatte, hatte die Coronakrise zugeschlagen. Bis auf die Werkstatt war der Laden seit Mitte März wieder „dicht“, vergangene Woche machte das Team dann Urlaub.

Und nun? Ein Seiteneingang ist geöffnet. Wer kommt, wartet, bis er hereingebeten wird. Gleich rechts bei der Reparaturannahme sorgt ein fachmännisch mit Holzrahmen gebauter Spuckschutz für Sicherheit von Mitarbeiter und Kunde.

Geschäfte sind vorbereitet

„Wir sind ganz entspannt“, sagt Stephan Wolf gutgelaunt. Die Kunden hätten die geltenden Sicherheitsregeln schnell akzeptiert, freut sich der Verkäufer. „Man arrangiert sich damit.“ Erstaunlich viele Kunden riefen bewusst im Geschäft an, um nach einem Termin zu fragen oder um gleich abzusprechen, wann sie kommen könnten.

Kann ich überhaupt spontan etwas kaufen? „Na klar doch“, freut sich Wolf. Aber erst, nachdem er sich kurz umgesehen hat, nimmt er jenes Seil zur Seite, welches derzeit die Verkaufsfläche des Fahrradgeschäftes von der Reparaturannahme trennt. Wolf hat sich vergewissert, dass möglichst wenige Kunden gleichzeitig in den Räumen sind.

Und bei Blubachers in der Gärtnerei in Grenzach? „De Chef isch grad vorn im Bluemelade“, sagt eine Mitarbeiterin, als sie eine Kundin bedient. Also vorgestiefelt ins Eckhaus Seidenweg/Basler Straße. Die Tür zum Blumenladen steht offen und Inhaber Ralf Blubacher mitten im Raum auf der Leiter. Er wienert gerade das kassettenartige Deckengehänge, Ehefrau Katja räumt Regale ein. Eine alte Dame mit Rollator, die hereinschaut, vertröstet Blubacher auf den morgigen Mittwoch. „Wir haben erst dann wieder offen.“

„Jetz luege mr halt emol“

Denn in Blubachers Lädeli ist man noch nicht ganz so weit. Zwar wurde bereits eine Klapptafel gestaltet, die zu Mindestabstand & Co. auffordert, „aber der bestellte Spuckschutz ist noch nicht da“, sagt der Gärtnermeister entschuldigend. „Es kam ja auch erst alles ganz kurzfristig. Erst seit Samstag wissen wir die Details der neuen Verordnung.“

Ansonsten strecken Blubachers sich nach der Decke. Der kostenlose Lieferservice bleibt erhalten, die Gärtnerei ist geöffnet und ein Internetshop in der Mache. „Der geht in etwa zwei Wochen dann online“, kündigt Ralf Blubacher an.

Überhaupt strahlen seine Frau und er jede Menge Optimismus aus. „Wir hier sind bis jetzt mit einem mittelblauen Auge davongekommen. Das auch dank der verschiedenen Standbeine, die wir haben“, sagt Ralf Blubacher. „Jetz luege mr halt emol.“

Während man sich bei Blubachers also auf die Wiedereröffnung vorbereitet, ist diese beim Textildiscounter „KiK“ noch nicht in Sicht. Dessen Filiale im Seidenweber-Eck ist größer als 800 Quadratmeter und darf daher noch nicht öffnen. Als einziges Geschäft in Grenzach-Wyhlen übrigens.

Mit Einkaufskörben Kunden zählen

Mehr Glück hat da die Niederlassung von „TeDi“ im selben Gebäudekomplex. Dort steht ein Mitarbeiter vor der Tür und desinfiziert jeden Einkaufskorb, bevor er diesen dem Kunden in die Hand gibt. Nur 20 Körbe stehen zur Verfügung. „So sehen wir gleich, ob zu viele Kunden da sind. Wir lassen nur jemanden ein, wenn wir einen Korb für ihn haben“, erklärt der junge Mann diese sehr pragmatische Lösung. Er selbst ist erleichtert: „Endlich wieder etwas Alltag.“

Beim Blick über die Straße fällt die geöffnete Tür des Hotels „Villetta“ auf. Hat die Tourist-Info, welche im Auftrag der Gemeinde im „Villetta“ angesiedelt ist, etwa wieder offen? „Nein, denn es gibt ja noch keinen Tourismus“, schüttelt Betreiberin Katrin Scheibler den Kopf. Trotzdem sitzt die Hotelbetreiberin hinter dem Empfangstresen, denn ein paar Geschäftsleute und Monteure sind im Haus untergebracht. „Wir denken hier positiv“, strahlt Scheibler, „sonst kommen wir doch nicht weiter.“ Ihre gute Laune steckt an.

Ein paar Meter weiter steht Jörg Turski in der Tür seines Optikergeschäftes und spricht – mit Abstand – mit einem Kunden. Als Optiker durfte Turski zwar ohnehin geöffnet bleiben, doch lässt er seine Öffnungszeiten für die nächsten Tage noch reduziert. Turski will noch etwas abwarten und schauen, wie sich alles entwickelt. „Vormittags ist regulär offen, nachmittags nach Vereinbarung – ab Mai dann wohl wieder wie früher.“ Der Augenoptiker stellt eine große Zuversicht bei seiner Kundschaft fest, wie er berichtet. Das gilt auch für ihn selbst: „Meinen Grundoptimismus will ich nicht verlieren.“

Dem pflichtet auch Joachim Schlageter bei, dessen Geschäft „Issler & Pütz“ als quasi „Baumarkt“ auch in den vergangenen Wochen offenbleiben durfte: „Der eine oder andere ist richtig happy, dass er wieder aufmachen darf. Wir sind froh über diesen ersten Schritt in Richtung einer Annäherung an die Normalität“, weiß Schlageter aus Gesprächen.

„Spannende Zeiten“

Als Vorsitzender des Handwerker- und Gewerbevereins (HGV) ist er nah dran an seinen Kollegen und weiß um deren Sorgen und Nöte. „Die Folgen der ganzen Krise werden wohl erst in ein paar Monaten sichtbar werden“, sorgt Schlageter sich nicht nur um kleine Betriebe, denen die coronabedingte Zwangsschließung die Substanz entzogen hat, sondern auch um Hotellerie und Gastronomie. „Wir hier sind zum Glück gut beschäftigt – aber die da drüben? Was ist mit denen?“, deutet Schlageter hinüber zum „Eckert“.

Der HGV-Vorsitzende hofft, dass die vergangenen Wochen bei den Kunden einen Bewusstseinswandel erzeugen, „dass Regionales wieder mehr geschätzt und gefördert wird, dass das Miteinander gesehen wird“. Vor der Verabschiedung blickt Schlageter in seine Geschäftsräume, holt tief Luft und sagt: „Ja, es sind spannende Zeiten im Moment. Aber wir machen das Beste draus. Endlich wieder etwas Leben im Dorf.“

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