„Also, wir beginnen mit dem Buch“, sagt Brigitte Lindemann und legt mit dem Falten los. Mit „Buch“ meint sie, dass das quadratische Blatt, aus dem am Ende ein Teil der Seerose entstehen soll, einmal halbiert wird – exakt, Kante auf Kante.
„Also, wir beginnen mit dem Buch“, sagt Brigitte Lindemann und legt mit dem Falten los. Mit „Buch“ meint sie, dass das quadratische Blatt, aus dem am Ende ein Teil der Seerose entstehen soll, einmal halbiert wird – exakt, Kante auf Kante.
Insgesamt sitzen an diesem Abend zehn Damen am Origami-Stammtisch im großen Raum des evangelischen Gemeindehauses in Grenzach. Jede hat ihre eigenen Materialien dabei: Ordner mit bunten, gemusterten, quadratischen Blättern in unterschiedlichen Größen, manche besitzen auch spezielle Brieföffner aus den Niederlanden, die im Origami besonders praktische Scheren darstellen.
Das Buch klappe ich wieder auf, um im zweiten Schritt in den „Schrank“ überzugehen. Die Seitenkanten werden hierzu an die Buchfalte gebracht, das Blatt erinnert so an einen Schrank mit geschlossenen Türen. So weit, so gut. Im weiteren Verlauf aber verliere ich den Überblick und frage öfter bei Gudrun Emminger nach, die neben mir sitzt. Sie hat die Seerose wohl schon öfter angefertigt, denn sie überblickt meinen Fortschritt, ohne groß darüber nachzudenken.
„Ja, genau“, sagt Emminger, nachdem ich die letzte Falte geschafft habe, „ein Naturtalent!“ „Aber symmetrisch ist es jetzt nicht ganz“, entgegne ich verlegen und schaue auf die umgeklappten Ecken, deren Spitzen nicht gleichauf sind. Mein Perfektionismus ist gekränkt.
„Wenn man am Anfang ungenau war, schlägt sich das natürlich später auf das Ergebnis durch“, erklärt Barbara Bannwart, die hinter Emminger mein Falten ein wenig beobachtet hat. Inzwischen sind Lindemann und alle anderen mit der Seerose schon fast fertig – und ich erst mit dem ersten Teil.
Den Stammtisch gebe es seit gut 20 Jahren, erinnert sich die Organisatorin. Damals habe der Origami-Lehrer Joan Sallas in Lörrach einen Kurs angeboten, an dem auch sie teilgenommen hatte. „Das hat allen so viel Spaß gemacht, dass wir uns einmal im Monat treffen wollten“, erzählt Lindemann. Seitdem komme man in unterschiedlichen Besetzungen zusammen.
Ich bekomme eine Ausgabe des „Falters“, des Magazins des deutschen Origamivereins. Darin zeigt mir Lindemann unter anderem, dass der Komplexität im Origami keine Grenzen gesetzt sind. Auf dem Cover des Magazins ist ein chinesischer Origami-Drache des Falt-Enthusiasten Bodo Haag abgebildet – beeindruckend zu sehen, was aus System, Zeit und einem anfangs rechteckigen, großen Blatt Papier werden kann. Ich versuche mich schließlich auch an der nächsten Figur: eine Box mit Deckel, die aus insgesamt acht Modulen besteht. Die Komponenten gehen mir dabei schon schneller von den Fingern als die Seerose.
Vielleicht auch, weil es sich bei der Box um acht im Prinzip gleiche Teile handelt, bei denen ich mir im Verlauf einpräge, wie man sie faltet. Zum Schluss muss man sie ineinander stecken, sodass sich die Module gegenseitig halten – und fertig. Für was ich die Box verwenden werde, weiß ich nicht, aber ich nehme vom Stammtisch zwei originelle Deko-Gegenstände mit nach Hause.