Grenzach-Wyhlen Kein Lehrerersatz, aber eine Chance

Tim Nagengast
Was ist in „Franz“ zu machen? Die Lehrer laden das zu erledigende Unterrichtsmaterial bei „Moodle“ hoch. Foto: Tim Nagengast

„Homeschooling“: Schüler und Lehrkräfte des Schulzentrums arbeiten mit der Lernplattform „Moodle“

Grenzach-Wyhlen - Bits und Bytes müssen in Zeiten der Coronakrise Tafel, Kreide, Heft und Füller ersetzen. Zwar sind die Schüler landesweit zuhause, doch Unterricht findet nach wie vor statt – nur eben in anderer Form. Die Realschule und das Lise-Meitner-Gymnasium (LMG) in Grenzach-Wyhlen bedienen sich dazu der Online-Lernplattform „Moodle“.

Morgens nach dem Frühstück fährt Laura (Name geändert) ihr Tablet hoch. Die Achtklässlerin loggt sich mit ihren Zugangsdaten auf der „Moodle“-Plattform ihrer Schule ein, schaut, was „auf“ ist, was die Lehrer für die Klasse bereitgestellt haben. Eine ganze Menge: vier Seiten „Workbook“ in Englisch, dann Mathe und seitenweise Französischvokabeln. Eine Präsentation für „Geo“ ist im Laufe der nächsten Tage auch noch zu machen. Manche Dinge muss die Schülerin vor dem Bearbeiten ausdrucken, anderes füllt sie online aus. Vieles, das sie geschrieben hat, fotografiert die 13-Jährige nach Fertigstellung mit ihrem Tablet ab und lädt die Bilder per „drag & drop“ in „Moodle“ hoch, damit die jeweilige Lehrkraft die Ergebnisse bewerten kann. Wenn’s nicht klappt, müssen Mama oder Papa weiterhelfen – nicht nur bei technischen Fragen, sondern auch bei solchen zum Unterrichtsstoff.

Eltern müssen oftmals Hilfestellung leisten

Soweit die Theorie. In der Praxis „hakelt“ es doch an der einen oder anderen Stelle. Zumal nicht jedes Kind, nicht jeder Jugendliche gleichermaßen versiert im Umgang mit PC, Tablet und Programmen ist. Nicht jede Familie besitzt obendrein die komplette technische Ausrüstung bis hin zu einem Drucker – oder gar für jedes Kind einen eigenen Rechner.

„Es stimmt, man muss sich da schon etwas organisieren“, berichtet Frank Schührer, „so zu arbeiten wie jetzt mit Moodle ist ja für uns alle Neuland.“ Trotzdem ist der Direktor des Lise-Meitner-Gymnasiums „positiv erstaunt“, wie gut das Gros der Schüler offenbar mit dem coronabedingten „Homeschooling“ klarkommt. „Vor allem in den oberen Klassen ist das weniger ein Problem“, weiß er aus Gesprächen, denn Schührer – der aktuell weiterhin in der Schule arbeitet – hält engen Kontakt zu den Elternvertretern.

Gerade Kinder, welche die Unterstufe besuchen, seien aber oft noch nicht so vertraut im Umgang mit den digitalen Werkzeugen. Und nicht jeder Mensch sei gleichermaßen PC-affin, „auch wenn eigentlich alle ein Handy haben“. „Es gibt da auch schon einige Schüler, die alleine mit Moodle umgehen können, ansonsten sind tatsächlich die Eltern gefragt. Man muss die Kinder unterstützen“, weiß der LMG-Direktor aus Gesprächen. In Einzelfällen verfügten Familien auch nicht über die passende digitale Ausstattung daheim. „Diese Kinder bekommen die Materialien dann zum Beispiel ausgedruckt und in den Briefkasten geworfen.“

Damit man sich zuhause nicht in die Quere kommt, wenn beispielsweise drei Kinder gleichzeitig mit „Moodle“ arbeiten wollen, aber nur ein einziger PC vorhanden ist, empfiehlt der Leiter des Gymnasiums klare Absprachen, Organisation und Aufteilung.

Grundsätzlich ist er aber davon überzeugt, dass das Zusammenspiel klappt, beziehungsweise klappen muss. Denn die Schulferien beginnen eben erst am kommenden Wochenende. Bis dahin ist jeden Tag arbeiten mit „Moodle“ angesagt. Für Schüler und Lehrer gleichermaßen.

Nicht jeder besitzt die komplette Ausstattung

„Gerade in der ersten Woche, in der wir mit Moodle zu arbeiten begonnen haben, waren wir hier sehr oft Helpdesk“, berichtet Schührer. Etliche Eltern hätten sich gemeldet und Fragen zu Bedienung und Umgang gestellt. „Dann hat sich das etwas gelegt. Offenbar kommen die meisten Leute jetzt damit klar oder kontaktieren sich auch gegenseitig für Hilfe.“

Schührer räumt ein: „Auch wir Lehrer lernen viel in dieser Phase.“ Und dazu gehöre ein Stück weit auch, „auf die Eltern zu setzen“. Denn sie müssen einspringen, wenn Sohn oder Tochter Rückfragen haben, eine Aufgabe nicht verstehen oder schlicht und einfach selbst noch nicht wissen, wie man beispielsweise ein PDF-Dokument oder eine Power- Point-Präsentation erstellt.

Aktuell nur zwei Kinder in der Notbetreuung

Der LMG-Leiter ist überzeugt, dass dies aber in den meisten Fällen möglich ist, „denn viele Eltern oder Elternteile zumindest scheinen zuhause zu sein“. Schührer führt dies unter anderem auf die äußerst geringe Nutzung der am Schulzentrum eingerichteten Notbetreuung für Kinder zurück, deren Eltern in sogenannten systemrelevanten Berufen arbeiten. Realschule und Gymnasium haben aktuell nur zwei Kinder aus Klasse fünf und sechs vor Ort zu betreuen. Der Rest macht „Homeschooling“, lernt und arbeitet zuhause.

Kann eine Lernplattform wie „Moodle“ also – zumindest in Teilen – gar eine Lehrkraft ersetzen? „Nein“, ist Frank Schührer überzeugt, „denn es gibt genügend Situationen, in denen eine direkte Ansprache notwendig ist.“ Zudem gebe die Onlineplattform keine Erklärungen, sondern schaffe eine gemeinsame Arbeitsebene für Schüler und Lehrpersonal.

Nichtsdestotrotz hält der Direktor des Lise-Meitner-Gymnasiums, der sich als sehr PC-affin bezeichnet, Online-Lernplattformen für eine sehr große Chance. Eine Chance, sie als sinnvolle Ergänzung zum klassischen Unterricht zu etablieren. „Man könnte in Zukunft vielleicht auf diesem Wege manches nach Hause verlagern, sodass wir als Lehrer dann im Unterricht bei uns in der Schule mehr Zeit haben für die konkreten Fragen der Schüler, für entsprechende Hilfestellungen“, entwirft Schührer ein mögliches Szenario für die Zukunft.

Videokonferenz mit 40 Zehntklässlern

Wohin die Reise gehen könnte beziehungsweise wie weit sie schon gegangen ist, erfährt der Autor dieses Artikels, als Schührer ihn darum bittet, das Telefonat zu unterbrechen und es später fortzusetzen. „Wir haben gleich eine Videokonferenz mit unseren Zehntklässlern bezüglich der Kurswahl für die Oberstufe“, sagt Schührer. Rund 40 Schüler würden dafür mit einigen Lehrern zusammengeschaltet. „Doch, das klappt“, freut sich der LMG-Direktor ob der etwas ungläubigen Nachfrage. Obgleich eine halbe Handvoll Schüler eventuell nicht zu erreichen sein dürfte. „Die schlafen vielleicht noch“, lacht Schührer.

Fazit: Ohne direkte Ansprache geht es auch in Zukunft nicht. Denn weder eine Videokonferenz noch eine Plattform wie „Moodle“ können den Lehrer aus Fleisch und Blut ersetzen. Doch sie bieten eine große Chance.

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