Grenzach-Wyhlen Klassisch elegant und rockig präzise

Die Oberbadische
Das Foto zeigt das Celloensemble Linie 38 (von links): Clara Rada Gomez,Sophie Luise Hage, Joachim-Müller Crepon, Elisa Siber, Georg Dettweiler. Foto: Willi Vogl Foto: Die Oberbadische

Konzert: „Klassikanderswo“ – kleines Festival im Broetje-Automations Werk

Von Willi Vogl

Grenzach-Wyhlen. „Klassikanderswo hebt ab“ war das Motto des seit 2011 in Grenzach-Wyhlen stattfindenden kleinen Festivals. Diesmal präsentierten der künstlerische Leiter Georg Dettweiler und sein Team mit dem Broetje-Automations Werk einen Konzertort, an dem sonst Anlagen für die Flugzeugindustrie und Karbonfaser-Legemaschinen hergestellt werden.

Wie in den Jahren zuvor fand man in den Konzertpausen ausgiebig Gelegenheit im Museum Anderswo von Kurt Paulus in die Werksgeschichte der 1897 gegründeten vormaligen Eisenbau Wyhlen A.G. einzutauchen. Werksleiter Richard Müller informierte über die aktuellen Produktionsmechanismen.

Geschmückt von Heiko Arnolds fliegender Kuh, dem Anderswo-Maskottchen, verwandelte sich die Werkshalle in eine Produktionsstätte von Celloklängen vielfältigster Art, gegliedert in drei Teilkonzerte. Die beiden ersten Teile fanden in der Werkhalle statt und waren durch eine dezente elektroakustische Verstärkung auch in den letzten Reihen für die etwa 600 Besucher gut wahrnehmbar.

Johann Sebastian Bachs Suiten No. 1 in G-Dur und Nr. 3 in C-Dur für Violoncello solo basieren auf einer Zusammenstellung von charakteristischen europäischen Tanzsätzen seiner Zeit und einem vorangestelltem Prélude. Durch eine raffinierte Spaltung der melodischen Linie in tiefe und hohe Motive entsteht die Illusion eines kompakten wie vielfarbigen harmonischen Bandes. Thomas Demenga verstand es in ausgesprochen kluger Weise die oft ausladenden Melodiewucherungen in einen äußerst eleganten metrischen Fluss einzubetten. Sonor intonierte Doppel- und Trippelgriffklänge bildeten häufig die gliedernden Zäsuren für Demengas eminent artikulatorisch differenziertes wie agiles Spiel.

Die von ihm als „Bogenübung“ von Johann Sebastian Bach angekündigte Zugabe erwies sich als virtuos flirrendes Arpeggio, in der er die darin verborgene Melodie augenzwinkernd zu konturieren verstand. Barocke Eloquenz auf interpretatorischem Weltklasseniveau.

Im zweiten Teil konnte man sich vom Celloensemble Linie 38 mit 12 Cellisten und Werken aus 12 Ländern auf Weltreise begeben. Die Originalwerke und wirkungsvollen Bearbeitungen stellen ein kurzweilig klingendes Pendant zur lauen Sommernacht dar.

Zu hören war ein temperamentvoll musizierte Bearbeitung von Telemanns Concerto für Vier Violinen D-Dur, rustikal artikulierte Volksweisen aus der Schweiz, pentatonisch duftender Jasmin aus China, die vom Zymbal gefärbte ungarische Puszta, russische Volksweisen zwischen Melancholie und ausgelassenem Frohsinn, ein indisches Nirvana der Obertöne, die behände gezupfte Pizzicato Polka von Johann und Joseph Strauss, wohliges Schmachten in Ravels Pavane und blühende Romantik in Julius Klengels Hymnus. Besonders exquisit wurde es mit Heitor Villa-Lobos elektrisierender Rhythmik und exaltierten Seufzern in der Bachianas Brasileiras No. 1 sowie mit der exzessiven Farbigkeit von Astor Piazzollas „Frühling“ aus seinen Vier Jahreszeiten.

Im dritten Teil zu später Stunde schließlich mutierte als Barockinstrument Violoncello mit der Gruppe „Cell of Hell“ zum präzisen wie ausdrucksstarken Rockinstrument. Jenseits von den oft lediglich unstrukturierten krachenden Klangexkrementen vieler Bands in diesem Metier präsentierten sich die Cellisten Georg Dettweiler, Ekki Ekfried und Joonas Pitkänen, unterstützt von Alex the Wooper an den Drums als hellhörig agierende Gestalter. Ihre Eigenkompositionen und die Bearbeitungen des musikalischen Erbes dürften so auch manchen eingefleischten Klassikhörer intensiv berührt haben.

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