Grenzach-Wyhlen Kurze Wege als großer Pluspunkt

Tim Nagengast
Hier wird der „Stadthain“ als zentraler Platz der Neuen Mitte Grenzach entstehen. Foto: Tim Nagengast (Archiv)

Gemeinderat Grenzach-Wyhlen beschließt Anpassung und Offenlage des Einzelhandelskonzeptes. Ratsmitglieder wollen konkrete Mitsprachemöglichkeiten, lassen aber das „Fass“ von 2014 zu.

Grenzach-Wyhlen - Der Gemeinderat hat im Rahmen seiner jüngsten Sitzung die Anpassung des Einzelhandelskonzeptes für den Bereich der Neuen Mitte Grenzach beschlossen. Der vom Büro Acocella vorgelegte Konzeptentwurf geht in die Offenlage. Für die Ratsmitglieder wird es einen Workshop geben, in dem sie Änderungswünsche erarbeiten und diskutieren können.

Viel ist es eigentlich gar nicht, was sich durch die Anpassung des immerhin 106 Seiten starken Konzeptentwurfes ändern dürfte. Nicht umsonst sprach Stadt- und Regionalentwickler Donato Acocella in seinem sehr ausführlichen Vortrag von einer „Fortschreibung von etwas Bewährtem, an das Sie sich aber halten sollten“.

Heißt: Die Grundsätze des Papiers werden nicht geändert, aber dergestalt angepasst, dass die Neue Mitte in Grenzach wie vorgesehen entwickelt werden kann.

Konzept war vor einigen Jahren heiß umstritten

Nichtsdestotrotz zuckt so manches Gemeinderatsmitglied beim Stichwort „Einzelhandelskonzept“ auch heute noch zusammen. Dies war am Dienstagabend zu spüren und auch aus einzelnen Wortmeldungen herauszuhören. Dem einen oder anderen altgedienten Gremiumsmitglied ist dabei offenbar die Erinnerung an die Jahre 2013/14 in die Glieder gefahren, als das bis heute gültige Einzelhandelskonzept seinerzeit mit mehr als nur einer Handvoll von Nebengeräuschen in Form gegossen und auf den Weg gebracht worden war. Nicht nur einmal war das Papier damals fraktionsübergreifend – teilweise bis zur Gänze – infrage gestellt worden. Nicht nur einmal flogen vor sechs, sieben Jahren deshalb im Ratsrund die Fetzen.

Instrument gegen nicht gewünschte Entwicklungen

Durchsetzen konnte sich die damalige Verwaltungsspitze der Doppelgemeinde vor allem mit dem Argument, mithilfe des Einzelhandelskonzeptes ein wirkungsvolles Steuerungsinstrument in der Hand zu haben, um beispielsweise ungewollte Entwicklungen – etwa die weitere Ausbreitung von Nagelstudios und Wettbüros – zu verhindern und stattdessen das Gewünschte zu forcieren.

Auch heute noch wird der Sinn oder Unsinn eines solchen Konzeptes von manchen kommunalpolitischen Akteuren – zumindest hinter vorgehaltener Hand – in Zweifel gezogen, wie man in informellen Gesprächen hören kann. „Die Entwicklung ist seither genauso weitergegangen wie vor dem Konzept“, wie es ein früheres Gremiumsmitglied kritisch formuliert.

In diesen Kontext dürfte deshalb Ulrike Ebi-Kuhns Vorstoß von Dienstagabend zu sehen sein. Sie hatte im Namen der CDU-Fraktion die Einsetzung einer Arbeitsgruppe mit Vertretern aus allen Fraktionen beantragt, um während der Offenlage des Konzeptentwurfes eine Prioritätenliste erstellen zu können. Rat und Verwaltung griffen diesen Vorstoß umgehend auf, und Bürgermeister Tobias Benz kündigte für die zeit der Offenlage des Papiers einen „Workshop für die Gemeinderäte an“.

Hauptumsatzbringer sind die Dorfbewohner selbst

Donato Acocella selbst zeigte sich am Dienstag im Ratsrund von Anfang an versöhnlich. Obwohl er seine berufliche Tätigkeit inzwischen ein stückweit verlagert habe, behalte er das Projekt in Grenzach-Wyhlen sehr gerne. „Und zwar aus Überzeugung“, hielt Acocella fest. Die eine oder andere verbale Spitze in Richtung einzelner Ratsmitglieder konnte er sich dann aber doch nicht verkneifen. Umgekehrt war es allerdings genauso.

Man spürte: Beim Stichwort Einzelhandelskonzept liegt in Grenzach-Wyhlen einfach etwas in der Luft, das „Fass“ von 2014 wollte aber niemand mehr aufmachen. Ob dies nach der Fortschreibung desselben genauso sein wird, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Das Ziel der Gemeindeverwaltung, dass in der in Grenzach geplanten Neuen Mitte tatsächlich „zentrenrelevanter“ Einzelhandel angesiedelt werden kann, rückt durch die vom Rat beschlossene Konzeptfortschreibung jedenfalls in greifbare Nähe.

Dabei ist der rechtliche Charakter nicht außer Acht zu lassen: Gemäß Baugesetzbuch handelt es sich bei dem Einzelhandelskonzept um ein sogenanntes städtebauliches Entwicklungskonzept, welches als Grundlage für bauplanungsrechtliche Regelungen dient. Für die Ortsteile Grenzach und Wyhlen regelt es klar die räumlichen Abgrenzungen der jeweiligen zentralen Versorgungsbereiche sowie die Zuordnung von „zentrenrelevanten Sortimenten“. Mit seinem Beschluss, während der Offenlage einen Workshop zu veranstalten, hat sich der Gemeinderat selbst das Instrumentarium in die Hand gegeben, um hier noch gewünschte Anpassungen vorzunehmen.

Acocella rät dem Handel in der Doppelgemeinde in diesem Zusammenhang dazu, sich „auf die Hinterbeine zu stellen“. „Die Betriebe müssen sich noch mehr überlegen, wie sie die Menschen vor Ort modern bedienen.“ Gerade die Coronakrise habe viele Menschen von bestimmten Vorteilen des Onlinekaufs beziehungsweise der Digitalisierung selbst überzeugen können. „Und das wird sich auch nicht mehr ändern“, glaubt der Stadt- und Regionalentwickler. Grenzach-Wyhlen könne als Gemeinde der kurzen Wege durchaus punkten, hielt er fest.

Weitere Informationen: Interessant ist eine im Zuge der Konzeptfortschreibung erfolgte Aufschlüsselung der Herkunft des in Grenzach-Wyhlen im vergangenen Jahr gemachten Umsatzes. Dieser lag bei 92 Millionen Euro und wurde zwischen 54 und 60 Prozent über Kundschaft aus der Gemeinde generiert. Zwischen 38 und 43 Prozent des Umsatzes steuerten die Schweizer Nachbarn bei. Quasi keine Rolle spielten Kunden aus Rheinfelden, Inzlingen, Lörrach und Weil am Rhein: Deren Anteil lag bei jeweils maximal einem Prozent des Gesamtumsatzvolumens.

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