Grenzach-Wyhlen Liebe auf den ersten Strich

Willi Vogl
Christian Sutter, der Poet am Kontrabass. Foto: Willi Vogl

Konzertmonolog: Christian Sutter mit Patrick Süskinds „Der Kontrabass“ im Zehnthaus Wyhlen.

Grenzach-Wyhlen - Christian Sutter hat am Sonntag im Zehnthaus auf Einladung des Theaters im Zehnthaus, der VHS Grenzach-Wyhlen und des Vereins für Heimatgeschichte einen Abend mit Patrick Süskinds Einakter „Der Kontrabass“ gegeben.

Das öffentlichkeitsscheue Leben des Autors steht im krassen Widerspruch zu seinen beiden literarischen Welterfolgen „Das Parfum“ und „Der Kontrabass“. Stimmig hingegen scheint seine Fokussierung auf literarische Figuren, die sich auf dem schmalen Grat zwischen riskantem Streben nach Ruhm und resignierter Zurückgezogenheit ins Private bewegen.

Der Monolog des alternden Kontrabassisten wurde im Zehnthaus nicht wie zumeist von einem Schauspieler dargestellt, sondern von einem veritablen Musiker, der über 35 Jahre als Solokontrabassist im Sinfonieorchester Basel wirkte. „Jeder Musiker wird Ihnen jederzeit bestätigen, dass ein Orchester ohne Dirigent auskommen kann, nicht jedoch ohne Kontrabässe. Das Orchester fängt da erst überhaupt an, wo ein Kontrabass dabei ist.“ Mit vergnüglichen Aussagen dieser Art und selbstgespielten Klangbeispielen belegte Sutter die fundamentale Bedeutung seines Instruments für das Orchester und die Musik schlechthin.

Der anfängliche Lobgesang auf den Kontrabass kippte allerdings schnell in ein Lamento über einen unförmigen Kasten, der hinderlich in der Wohnung herumsteht, empfindlich gegen Nässe, Kälte und Hitze ist, beim stundenlangen Üben zu blutigen Fingerkuppen führt und seinen Spieler an der menschlichen und romantischen Kontaktaufnahme behindert. Mit reichlich Bier versucht der Kontrabassist, gegen seinen angeblichen Feuchtigkeitsverlust und Orchesterfrust anzukämpfen.

Wagner als „Katastrophe“

Auch die Psychoanalyse und ein neurotischer Richard Wagner kamen ins Spiel. „Wenn wir bereits vor 150 Jahren die Psychoanalyse gehabt hätten und Wagner sich hätte behandeln lassen, wäre uns der Tristan erspart geblieben.“ Wagner sei auch im „Rheingold“ eine Katastrophe gewesen, da hier schnelle Sechstolen allenfalls als „Wischen“ gespielt werden könnten. „Wir spielen da vielleicht 50 Prozent der Noten. Das klingt wie der Anfang vom ,Weißen Hai’.“

Mit dem pessimistischen werkgeschichtlichen Rundschlag vom unvermeidlichen Probespielkonzert eines Carl Ditters von Dittersdorf bis zu Camille Saint-Saëns’ „Elefanten“ aus dem „Karneval der Tiere“ demonstrierte der Kontrabassist, dass sich die solistische Musik auf diesem Instrument seit 1761 lediglich zum „Kaputtlachen“ eigne.

Als roter Faden zog sich die Schwärmerei des Kontrabassisten für die junge Sopranistin Sarah durch den vielfarbigen Monolog. Dabei mutierte der Korpus seines Instruments bisweilen zum rustikalen sexuellen Ersatz für die ferne Geliebte, die auch sein hingebungsvollstes Spiel nicht bemerkt. Er sprach von „erregenden Vibrationen zwischen den Beinen“ und „Liebe auf den ersten Strich“, um im nächsten Moment zu beteuern, dass auf dem scheußlichen Instrument „ein schöner Ton gar nicht drin“ sei und „die Haltung daran an einen Selbstmörder erinnert, der sich über das Brückengeländer stößt“. In der Hoffnung, doch noch auf sich aufmerksam zu machen, erwog er unmittelbar vor dem Einsatz des weltberühmten Dirigenten Riccardo Muti bei der anstehenden Premiere zu „Rheingold“ laut in den Saal „Sarah“ hineinzurufen.

Charmant, pfiffig und in plastischer Verbindung zu seiner Vita berührte Sutter das Publikum gleichermaßen als Poet am Kontrabass und als Bühnenfigur in lächelnder Melancholie.

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