Grenzach-Wyhlen „Man hat den Eindruck, es war nicht ganz ungewollt“

Manfred Herbertz
Christina Mathesius erzählt im Videotelefonat, wie sie die Ereignisse am 6. Januar in Washington erlebt hat. Foto: Manfred Herbertz

Blick über den großen Teich: Eine Exil-Grenzach-Wyhlenerin berichtet über die Vorkommnisse in den USA

Grenzach-Wyhlen/Brentwood -  „Ich finde es cool und lebe eigentlich gerne hier“, sagt Christina Mathesius. Sie hat Grenzach-Wyhlen gemeinsam mit ihrer Familie vor zweieinhalb Jahren aus beruflichen Gründen in Richtung USA verlassen. Heute lebt Familie Mathesius in der Kleinstadt Brentwood, 30 Kilometer vor den Toren Nashvilles im Bundesstaat Tennessee.

In Grenzach-Wyhlen ist Christina Mathesius bei vielen Bürgern bestimmt noch in guter Erinnerung geblieben. Sie hatte sich unter anderem sehr im Verein der Freunde des Lise-Meitner-Gymnasiums eingebracht und ihn auch eine Zeit lang geführt. Eine Zeit, von der sie sagt: „Die möchte ich nicht missen.“

Im „Zoom“-Chat berichtet Mathesius, wie sie den 6. Januar erlebt hat, jenen Tag, an dem ein entfesselter Mob das Kapitol in Washington stürmte. Auch die Zeit davor mit dem Präsidentschaftswahlkampf hat Mathesius intensiv verfolgt.

„Mir ist schleierhaft, wie Frauen diesen Präsidenten unterstützen können“, schickt sie voraus. Man müsse wissen: Der Staat Tennessee sei eine regelrechte Trump-Hochburg, und entsprechend war die Stimmung. Die Stadt Nashville dagegen wird von den Demokraten „beherrscht“. Da seien Rivalitäten vorbestimmt. „Ich kenne zudem viele, die die Republikaner gewählt, aber Trump nicht gewollt hatten. Demokraten gegen Republikaner ist tatsächlich Stadt gegen Land. Das ist in fast allen Regionen der USA so.“ Und da der mittlere Westen fast keine großen Städte hat, dominierten dort die Republikaner.

Gewundert hat Christina Mathesius sich trotzdem, dass ausgerechnet Frauenzirkel vielstimmig dazu aufgefordert hätten, nach Washington zu fahren, um dort für Trump zu demonstrieren. „Die USA sind ein gespaltenes Land“, stellt sie fest. Es werde eine große Herausforderung und Aufgabe für den künftigen Präsidenten Joe Biden sein, das Land wieder zu einen. „Wir waren schon sehr erschrocken über die Stimmung, die an diesem Tag herrschte.“

Der Staat Tennessee sei tief republikanisch, und man sei sich daher bewusst gewesen, dass es Demonstrationen geben könnte. „Das hat zwar Sorgen gemacht, dennoch fühlte ich mich nicht gefährdet“, sagt Christina Mathesius. „Dass es dann zu so einem krassen Gewaltausbruch kommen würde, war überraschend. Jeder hat es sich ausrechnen können, dass es wohl nicht ganz ruhig zugehen wird, aber dieses Ausmaß hat erschreckt.“

Trumps im Vorfeld gemachte Äußerung im Stile von „Wir werden uns unser Land zurückerobern“ habe bei ihr den Eindruck hinterlassen, „dass das Ganze nicht ungewollt war“, erzählt Mathesius. Dieser Eindruck verstärke sich bei ihr angesichts der Tatsache, dass die Bürgermeisterin von Washington zunächst keine Hilfe angefordert hatte und auch, dass die Nationalgarde erst sehr spät aufgeboten wurde.

„Wir haben in den USA zudem tatsächlich auch ein Rassenproblem“, sagt sie mit Blick auf die „Black-Lives-Matter“-Bewegung. „Als Schwarzer bist du noch immer echt benachteiligt, aber: Die Schwarzen müssen aus ihrer Opferrolle herauskommen.“

Der Wechsel an der Spitze der Vereinigten Staaten sei mehr als nötig. „Trump ist ein total ichbezogener Mensch, der Zwietracht sät und nichts anderes als seine eigene Wahrheit anerkennt. Aber wenn du da oben stehst, musst du die Menschen einen“, betont Mathesius.

Dass Trump überhaupt gewählt wurde, liege offensichtlich an einer Politikverdrossenheit der Amerikaner, die das „Establishment“, das Hillary Clinton verkörpere, abgelehnt habe.

Doch mit oder seit den Ereignissen vom 6. Januar scheine auch ein Umdenken bei vielen Republikanern einzusetzen, „denn dem Amerikaner ist eigentlich Law and Order überaus wichtig“, resümiert die ehemalige Grenzach-Wyhlenerin abschließend.

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